Interview mit dem spanischen Bauernvertreter Alvaro Areta zu Fragen der Marktregulation in der Gemeinsamen Marktordnung der EU (GMO):
Alvaro Areta arbeitet beim spanischen Bauernverband COAG als Leiter der Abteilung für Agrarökonomie. Er arbeitet zu den Themen Lebensmittelkette, Innovation, Obst und Gemüse. Er vertritt die Europäische Koordination von La Via Campesina (ECVC) in der AFCO-Beobachtungsstelle und hat an der Polytechnischen Universität Madrid promoviert.
Unabhängige Bauernstimme: In Spanien gibt es bereits seit 2013 ein Lebensmittelkettengesetz, das u. a. verbindliche schriftliche Verträge vorsieht. Im Jahr 2021 gab es eine Reform, die das Verbot des Einkaufs unter den Produktionskosten einführte. Wie hat sich dadurch die Situation für die Landwirte im Milchsektor und in anderen Sektoren verändert?
Alvaro Areta: Das Gesetz 12/2013 zur Verbesserung der Funktionsweise der Lebensmittelkette ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Natürlich löst es nicht alle Probleme, aber es ist ein notwendiges Instrument, um Bäuerinnen und Bauern zu helfen, ihr Einkommen zu verbessern. Die Situation für kleine und mittlere Landwirte hat sich zwar nicht sofort geändert, aber es wurden wichtige Grundlagen geschaffen, um dies zu erreichen. Ein verbindlicher schriftlicher Vertrag ist für weitere Steuerungsinstrumente, wie z. B. Preise über den Produktionskosten, eine notwendige Voraussetzung. Er ist auch nötig, um die Transparenz zu erhöhen und Beschwerden gegen den Käufer zu ermöglichen. Wenn man ein Dokument hat, ist es einfacher, sich bei einem Vertragsbruch zu beschweren. Schriftliche Verträge sind somit wichtig, um einen Preis über den Produktionskosten zu erzielen. Der Preis kann auch variabel festgelegt werden mit Bezug auf Referenzen von Preisbeobachtungsstellen, die in dem Fall wichtig sind.
Welche anderen Elemente des Gesetzes in Spanien sind hilfreich und für eine EU-weite Umsetzung empfehlenswert?
Nützlich ist auch ein öffentliches Register, in das der Käufer den Vertrag und etwaige Änderungen eintragen muss. In Spanien sind schriftliche Verträge seit 2013 Pflicht, seit 2021 ist es jedoch zusätzlich verpflichtend, sie in einem digitalen Verzeichnis zu registrieren. Die Behörden überprüfen nicht jeden Vertrag, können aber im Falle einer Kontrolle im Register nachsehen, ob es einen Vertrag gibt und wie er lautet. Vorher war es durchaus üblich, dass die Käufer die Verkäufer anlässlich einer Kontrolle oder einer Beschwerde baten, rückwirkend einen schriftlichen Vertrag zu unterzeichnen. Das öffentliche Register unterbindet diese Praxis. Das war eine der Forderungen von COAG, und wir haben erreicht, dass sie in das Gesetz aufgenommen wurde. Außerdem ist es wichtig, ein effizientes Kontrollsystem mit angemessenen Sanktionen zu haben. In Spanien gibt es eine spezielle Behörde (https://www.aica.gob.es/), die für die Umsetzung, Kontrolle und Sanktionierung von Gesetzesverstößen zuständig ist. Wir fordern strengere Sanktionen und eine Ausweitung der Kontrollen, indem wir dieser nationalen Behörde und auch den regionalen Behörden mehr Mittel zur Verfügung stellen.
Die EU-Kommission hat Änderungen bei der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) und an der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken (UTP) vorgeschlagen. Wie beurteilen Sie diese Vorschläge und was fehlt noch?
Auch hier sind die innerhalb der GMO vorgeschlagenen Änderungen der richtige Weg, aber sie müssten ehrgeiziger sein. Die Ausweitung der verbindlichen schriftlichen Verträge ist ein Schlüsselelement und muss unterstützt werden. Außerdem fordert COAG in Übereinstimmung mit ECVC die Einleitung eines Eilverfahrens, um den Ankauf von Agrarprodukten unter Produktionskosten zu verbieten und diese Praxis auf die schwarze Liste der UTP-Richtlinie zu setzen. Diese Richtlinie wird derzeit evaluiert, aber auf das Ende dieses langwierigen Prozesses zu warten, ist eine Zumutung für Bäuerinnen und Bauern. Die Preise müssen die Kosten für die Produktion der Lebensmittel sowie ein angemessenes Gehalt, Sozialabgaben für sie und alle landwirtschaftlichen Arbeitnehmer:innen abdecken. Wir sollten nicht auf die Revision des gesamten Richtlinientextes warten, um die UTP-Richtlinie zu ändern, sondern die Aktualisierung der schwarzen Liste der unlauteren Handelspraktiken im Rahmen eines beschleunigten Dringlichkeitsverfahrens umsetzen.
Sie sind der Vertreter der Europäischen Koordination Via Campesina (ECVC) in der neu gegründeten EU-Beobachtungsstelle für die Lebensmittelkette (AFCO). Könnten Sie Ihre Arbeit dort im Zusammenhang mit den Verbesserungen für die Landwirte erläutern?
Die Gründung der AFCO war ein Gewinn für die Forderungen von ECVC. Es ist absolut notwendig, über eine solide gemeinsame Wissensbasis zu verfügen, um fundierte politische Entscheidungen zu treffen, die den dringend benötigten agroökologischen Wandel unterstützen. Es sind jedoch konkrete und wirksame Entscheidungen erforderlich, um die Transparenz zu erhöhen, insbesondere im Industrie- und Einzelhandelssektor. Es ist auch unerlässlich, dass die AFCO auch über die Fähigkeit verfügt, Märkte zu regulieren, anstatt nur aktuelle Missstände zu beobachten.
Wir haben uns Anfang März auf der von ECVC organisierten Marktkonferenz in Brüssel getroffen. Welche Eindrücke und Kernbotschaften haben Sie mit nach Hause genommen?
Dies war eine großartige Gelegenheit, sich mit Forschern und Landwirten sowie politischen Entscheidungsträgern auszutauschen und relevante Vorschläge zur Marktregulierung zu teilen. Wir befinden uns in einer entscheidenden Phase der europäischen Politik und die Konferenz kam zu einem sehr passenden Zeitpunkt. Die von ECVC veranstaltete internationale Konferenz „Faire Preise für Landwirte“ hat erneut die Marktregulierungen in den Mittelpunkt gerückt, die die EU umsetzen kann, um einen sinnvollen und erfolgreichen Übergang zur agrarökologischen Landwirtschaft zu gewährleisten: Marktregulierung muss im Mittelpunkt der GAP stehen. Die Festlegung korrekter Interventionspreise, strategischer öffentlicher Lagerbestände, das Verbot des Ankaufs von Agrarprodukten unter den Produktionskosten ... Das sind alles wichtige Steuerungselemente, die umgesetzt werden müssen, um sicherzustellen, dass Bäuerinnen und Bauern ein angemessenes Einkommen erhalten.
Vielen Dank für das Gespräch!