In der Agrarpolitik kündigen sich sowohl in Deutschland als auch auf Ebene der EU starke Veränderungen an. Der neue EU-Kommissar Christophe Hansen ist schon eine Weile im Amt und erste Umrisse seiner politischen Agenda werden jetzt sichtbar. Bisher war der Pfad der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) klar vorgezeichnet mit einer laufenden Reduzierung der bedingungslosen Direktzahlungen pro Hektar und hin zu einer stärkeren Honorierung gesellschaftlicher Leistungen; dafür standen Begriffe wie Green Deal und speziell für die Landwirtschaft die Farm-to-Fork-Strategie. Aber nach den europaweiten Bauernprotesten vom Frühjahr letzten Jahres hat bereits die alte Kommission die Axt an diese Neuausrichtung der GAP gelegt.
"Aufgrund der drohenden
erheblichen Verringerung der EU-Haushaltsmittel
steht weniger Geld zur Verfügung."
Mehrere GLÖZ-Regeln, die für guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand sorgen sollten, wurden abgeschwächt oder gleich ganz abgeräumt, wie die verpflichtende Flächenstilllegung oder Vorgaben zur Fruchtfolge. Kommissar Hansen macht nun trotz seiner Lippenbekenntnisse zu Umwelt- und Klimaschutzstandards genau da weiter. Jetzt stehen auch der Grünlandschutz und weitere EU-Mindestvorgaben zur Disposition. Nun könnte man ja die Schutzziele auch durch eine bessere Honorierung von freiwilligen Leistungen der Landwirte anstreben, aber dazu macht Hansen keine konkreten Angebote, ganz im Gegenteil: Aufgrund der drohenden erheblichen Verringerung der EU-Haushaltsmittel steht weniger Geld zur Verfügung und gespart werden soll dem Vernehmen nach besonders bei der zweiten Säule. Eine Abschaffung der Ökoreglungen und eine Reduzierung der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen sind zu befürchten. Und auch eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Betriebe durch Stärkung der Marktposition der Erzeuger wird zwar angekündigt, es fehlen aber konkrete Schritte zur Umsetzung. Stattdessen konzentriert sich die Marktmacht der „Partner in der Wertschöpfungskette“ immer weiter, dafür ist die Fusion der beiden „Scheingenossenschaften“ Arla und DMK das aktuellste Beispiel.
"Mit den Mitteln von gestern
soll heute wieder
Politik für morgen gemacht werden!"
Und in Deutschland sieht es nicht besser aus: Alois Rainer, neuer CSU-Landwirtschaftsminister aus der Schlachtbranche, kündigt in Interviews günstigere Fleischpreise an und will jetzt als erste politische Tat die Einführung der lang umkämpften und hart erstrittenen Ökoregelung für Weidehaltung von Milchkühen von Anfang 2026 auf Anfang 2028 verschieben, wohl wissend, dass dann bereits die nächste GAP-Reform ansteht und die neue Ökoregelung vielleicht gar nicht mehr zum Zuge kommt. Was für ein Offenbarungseid!
Unterm Strich läuft alles darauf hinaus, die Agrarpolitik wieder auf mehr Wettbewerbsfähigkeit und die Eroberung von Weltmarktanteilen auszurichten. Die Erkenntnis, dass genau dieser Zwang zur Produktion von „Immer billiger und immer mehr“ die intakte Umwelt, die Biodiversität und das Klima gefährdet und das Höfesterben beschleunigt, scheint vergessen zu sein. Mit den Mitteln von gestern soll heute wieder Politik für morgen gemacht werden! Das ist ganz im Sinne der Agrar- und Ernährungsindustrie, die die Landwirte weiter als Produzenten billigen Rohstoffs sieht. So fordert Ingo Müller, Geschäftsführer des Übernahmekandidaten DMK, auf Topagrar ein „Ende des Jammerns“ in Deutschland und Wilhelm Uffelmann von Westfleisch sagt: „Wir brauchen weniger Bürokratie, schnellere Genehmigungsprozesse und eine Agrarpolitik, die heimische Erzeugung nicht ausbremst, sondern stärkt.“ Dann könne Deutschland wieder führender Agrarstandort werden. Genau diese Agenda hat der Deutsche Bauernverband mit seinen Verbündeten von Anfang an mit den Bauernprotesten verfolgt: Ein Rollback der Agrarpolitik zu Gunsten weniger Geschäftemacher. Weder Bäuerinnen und Bauern noch Verbraucher:innen noch die gesamte Gesellschaft profitieren davon. Ganz im Gegenteil: Sie sollten gemeinsam dieser Politik in den Arm fallen, die zum Glück bereits bestehenden gesellschaftlichen Bündnisse reaktivieren und stärken und entschlossen eine Agrarpolitik einfordern, die die Probleme im Klima- und Umweltbereich, beim Tierwohl und beim Erhalt möglichst vieler und vielfältiger Bauernhöfe endlich anpackt und löst!