„Gewinne und Einkommen in der Landwirtschaft steigen 2022/23 deutlich“. So lautet die Überschrift der jetzt veröffentlichten Mitteilung aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) zu den durchschnittlichen Einkommen und Betriebsgewinnen in der deutschen Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 2022/23. Ein Blick auf die aktuelle Situation der Betriebe zeigt jedoch, dass es sich bei den jetzt vom BMEL verkündeten Zahlen lediglich um ein „Zwischenhoch“ handelt. Die AbL spricht mit Blick auf das Wirtschaftsjahr 2022/23 von einem „absoluten Ausnahmejahr“. Der Bauernverband sieht die Betriebe aktuell „wieder in schwierigem Fahrwasser“ und der Verband der Landwirtschaftskammern verkündet deutlich sinkende Einkommen für das Wirtschaftsjahr 2023/24.
Das vergangene Wirtschaftsjahr 2022/23 ist für Haupterwerbsbetriebe nach Einkommen und Gewinn das mit Abstand erfolgreichste in den vergangenen zehn Jahren, so die Mitteilung des BMEL. Laut der Hochrechnung des BMEL stieg das durchschnittliche Einkommen je Arbeitskraft in den Haupterwerbsbetrieben gegenüber dem Vorwirtschaftsjahr um 32 Prozent auf rund 61.000 Euro. Der durchschnittliche Gewinn lag mit 113.900 Euro rund 39 Prozent über dem Vorjahreswert (81.900 Euro).
Dazu erklärt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir: „Harte Arbeit verdient einen guten Lohn. Dass viele Höfe nun schon zum zweiten Mal starke Betriebsergebnisse einfahren konnten, ist deshalb eine gute Nachricht. Wir dürfen uns aber nicht in falscher Sicherheit wiegen, sondern müssen jetzt erst recht anpacken. Wir arbeiten seit Legislaturbeginn intensiv daran, dass sich die Bedingungen für die Landwirtschaft nachhaltig und langfristig verbessern.“ Und das ist auch notwendig, wie nicht zuletzt die Reaktionen auf die BMEL-Zahlen sowie die aktuelle Einkommenssituation der Höfe zeigt.
AbL: "Ergebnisse dürfen nicht über strukturelle Probleme hinwegtäuschen"
Nach Ansicht von Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. und Landwirt in Niedersachen, dürfen die BMEL-Zahlen aus der Auswertung der Buchführungsergebnisse in der Landwirtschaft nicht über strukturelle Probleme hinwegtäuschen. „Das Jahr 2022/2023 war ein absolutes Ausnahmejahr. Die positiven Ergebnisse dürfen daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir Bäuerinnen und Bauern von den politisch Verantwortlichen noch immer nicht in die Lange versetzt wurden auf den Agrarmärkten dauerhaft gewinnbringende Erzeugerpreise durchzusetzen. Wer sich die Mühe macht und die Ergebnisse genauer anschaut, wird zudem feststellen, dass mittlere und vor allem kleine Betriebe vergleichsweise wenig von dem guten Jahr profitiert haben. Trotzdem bekommen auch in Deutschland durchrationalisierte Großbetriebe immer noch den größten Batzen der für die sogenannte „Einkommensgrundstützung“ reservierten Fördermittel aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union. Mit dieser Ungerechtigkeit muss endlich Schluss sein“, so Schulz.
DBV erwartet deutlichen Gewinneinbruch
Anlässlich der BMEL-Mitteilung erklärt der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied auf X: „Unsere Betriebe sind wieder in schwieriges Fahrwasser geraten. Nach den uns vorliegenden Zahlen müssen wir für das laufende Wirtschaftsjahr 2023/24 mit einem Gewinneinbruch von 30 bis 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr rechnen. Die Erzeugerpreise bei den meisten wichtigen pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen sind gegenüber dem vorausgegangenen Wirtschaftsjahr deutlich niedriger.“
Landwirtschaftskammern: Einkommen der Haupterwerbsbetriebe sinken wieder deutlich
Laut der jährlich im Januar vom Verband der Landwirtschaftskammern vorgenommenen Vorschätzung über die Entwicklung für das jeweils laufende Wirtschaftsjahr, aktuell 2023/24, sinken die Einkommen der Haupterwerbsbetriebe wieder deutlich.
Die vorliegende Prognose basiert auf den Buchführungsergebnissen von Haupterwerbsbetrieben des Vorjahres 2022/23, auf Ergebnissen des laufenden Wirtschaftsjahres und auf Trendanalysen. Demnach bringt das Wirtschaftsjahr 2023/24 für die landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe insgesamt merklich verschlechterte Rahmenbedingungen. Die Unternehmensergebnisse in der Gesamtheit geben in einer Spanne zwischen 33 Prozent und 53 Prozent nach.
„In Summe sinken die Unternehmensergebnisse der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe um mehr als ein Drittel. Es werden Durchschnittsgewinne zwischen 60.000 EUR und 100.000 EUR erwartet. Von regionalen Besonderheiten abgesehen, werden die Unternehmensergebnisse im Wirtschaftsjahr 2023/24 in etwa auf die Größenordnungen des langjährigen Durchschnitts zurückgehen. Dieses Niveau ist nicht ausreichend, um einer angemessenen Entlohnung und Risikodeckung zu entsprechen. Die für 2023/24 erwarteten Unternehmensergebnisse reichen für einen Familienbetrieb im Schnitt nicht aus, um davon zunächst die privaten Lebenshaltungskosten sowie Einkommenssteuern zu bestreiten. Zudem müssen betrieblich bedingte Ausgaben wie Sozialversicherungen, die Mitversorgung des Altenteils, die Tilgung der privaten Darlehen sowie Zukunftsinvestitionen aus dem Gewinn finanziert werden. Um in die von Gesellschaft und Gesetzesgeber geforderte Neuausrichtung der Tierhaltung investieren zu können und nachhaltig zu wirtschaften, wäre für einen Haupterwerbsbetrieb ein Unternehmensergebnis von mindestens 100.000 EUR erforderlich“, so der Verband der Landwirtschaftskammern im Januar dieses Jahres.