Eine aktuelle Recherche von Keine Patente auf Saatgut! zeigt, wie die CRISPR/Cas Technologie dazu verwendet wird, um exklusive Kontrolle über konventionell gezüchtete Tomaten zu erlangen: Mehr als 20 internationale Patentanmeldungen auf Tomaten mit einer Resistenz gegen das aggressive Tomato Brown Rugose Fruit Virus (ToBRFV oder TBRFV also ‚Jordan-Virus‘) sind derzeit anhängig. Die Patentanträge beanspruchen Pflanzen mit und ohne den Einsatz von Gentechnik und können die Arbeit europäischer Züchter*innen schwer beeinträchtigen oder blockieren. Die Patente wurden von 10 Firmen beantragt, darunter BASF, Bayer, Rijk Zwaan und Syngenta.
Mehrere natürliche Genvarianten, die eine Resistenz gegen das Virus verleihen können, sind bereits bekannt. Neue Sorten mit den erwünschten Eigenschaften können also mit konventioneller Zucht erzielt werden, der Einsatz von Gentechnik ist nicht notwendig. In den Patenten wurden Zufallsmutagenese und neue Gentechnik (NGT) unter Verwendung der Genschere CRISPR/Cas als zusätzliche Hilfsmittel eingesetzt, die den Eindruck einer technischen Erfindung erwecken.
Das Problem: Die Patentanträge auf die virusresistenten Tomaten sind nicht auf gentechnisch veränderte Pflanzen beschränkt. Zudem werden auch Pflanzen mit Genvarianten beansprucht, die aus zufälligen Verfahren hervorgehen. Tatsächlich wird die Zufallsmutagenese als ‚trojanisches Pferd‘ eingesetzt, um die Patentansprüche auf konventionell gezüchtete Tomaten auszuweiten.
Die europäischen Patentrechte erlauben Patente nur auf gentechnisch veränderte Pflanzen, einschließlich NGT. Auf der anderen Seite sind Patente auf Pflanzensorten und nicht erfinderische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen verboten. Diese Verbote sollen das sogenannte Züchterprivileg absichern: Bisher konnten die Züchter*innen alle konventionellen Sorten frei verwenden, um neue, noch bessere Sorten zu züchten und zu vermarkten. Dieses Recht steht nun in Frage: Werden die Patente erteilt, können Züchter*innen nicht mehr alle konventionell gezüchteten Sorten frei verwenden.
Ähnliche Patente wie sie im Falle der Tomaten angemeldet wurden, sind bereits erteilt worden. Obwohl die EU schon 2017 versucht hatte, diese Patente zu stoppen, vergibt das Europäische Patentamt weiterhin Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen. Inzwischen sind schon mehr als 1.000 europäische Sorten von derartigen Patenten betroffen.
In diesem Zusammenhang ist die Zufallsmutagenese das wichtigste Einfallstor für derartige Patente. Zufällige Mutationen können durch Sonnenlicht, Bestrahlung oder chemische Stoffe ausgelöst werden. Genvarianten, die aus zufälligen Mutationen stammen, werden in der Züchtung seit Jahrzehnten genutzt, ohne dass darauf Patente angemeldet wurden. Tatsächlich können, nach der Logik des europäischen Patentrechts, derartige nicht vorhersagbare und ungezielte Prozesse auch nicht als technische Erfindungen angesehen werden.
Patentdickichte mit mehr als 20 Patentanträgen, die von 10 verschiedenen Firmen eingereicht wurden, machen es schier unmöglich zu entscheiden, welche Firma wegen Lizenzverträgen angefragt werden müsste. Es ist unklar, welche Patente schließlich erteilt werden und welche weiteren Patente in Zukunft angemeldet werden. Im Ergebnis verhindern diese Patente, dass konventionelle Züchter*innen Tomaten mit Resistenzen gegen das Virus züchten können, das als sehr bedrohlich gilt und zum Totalausfall der Ernte führen kann.
Die EU kann die Auslegung des europäischen Patentrechts verändern, indem sie ausdrücklich festlegt, dass - wenn überhaupt – nur gentechnisch veränderte Pflanzen patentiert werden dürfen. Patente auf Pflanzen, die aus Kreuzung, Selektion oder unter Verwendung von zufälligen oder natürlicherweise vorkommenden Genvarianten gezüchtet werden, müssen vollständig verboten bleiben. Werden Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen erteilt, muss sichergestellt werden, dass sich diese Patente nicht auf Pflanzen mit den gleichen Eigenschaften erstrecken, die aber aus konventioneller Zucht stammen.
Diese Klarstellung im europäischen Patentrecht ist dringend notwendig, um große Konzerne daran zu hindern, die Kontrolle über die biologische Vielfalt zu erhalten, die für die Pflanzenzucht der Zukunft notwendig ist. Die nötigen gesetzlichen Bestimmungen können in einer neuen Richtlinie zu pflanzlichem Reproduktionsmaterial festgehalten werden, über die das EU-Parlament am 24. April abstimmen will.