In seiner Sitzung am 5. Juli befasst sich der Bundesrat mit der vom Bundeskabinett beschlossenen Novelle des Tierschutzgesetzes. Die Ausschüsse des Bundesrates (der federführende Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, der Ausschuss für Kulturfragen und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit) fordern umfangreiche fachspezifische Änderungen und Ergänzungen an der Vorlage, unter anderem auch zu dem Verbot Tiere angebunden zu halten sowie der Reduzierung der Durchführung nicht-kurativer Eingriffe (Schwänzekupieren, Enthornen). So fordern die Ausschüsse beispielsweise die Übergangsfrist für den Umbau der ganzjährigen Anbindehaltung von zehn Jahren wieder auf fünf Jahre zu verkürzen. Dem widerspricht die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), während der Tierschutzbund die Verkürzung auf fünf Jahre begrüßt. Das Land Bayern begrüßt zwar „grundsätzlich“ eine Reform des Tierschutzgesetzes, fordert den Bundesrat jedoch in einem Antrag auf, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Lucia Heigl, stellvertretende AbL-Bundesvorsitzende, erklärt: „Jeder Hof zählt! Wir wollen unsere Höfe zukunftsfähig umbauen. Dafür braucht es Planungssicherheit und wirtschaftliche Perspektiven für uns Bäuerinnen und Bauern, um große Investitionen zu tätigen. Das fehlt und deshalb haben in Bayern zwischen 2020 und 2022 nur vier Prozent der Milchvieh-Anbindebetriebe eine Umbauförderung beantragt. Nicht nur in Bayern wären zahlreiche Betriebe von einer Verschärfung des Regierungsentwurfs betroffen, sondern auch andere Bundesländer wie Baden-Württemberg, Hessen oder Niedersachsen. Für uns Höfe ist eine Übergangsfrist von fünf Jahren für den Umbau der ganzjährigen Anbindehaltung zu kurz und nicht praxisgerecht. Es ist kaum möglich, in diesem Zeitraum umzubauen und die notwendigen Genehmigungen einzuholen, Förder- und Finanzierungsfragen zu klären – ganz davon abgesehen, dass die Baukosten aktuell nahezu explodiert sind. Die AbL fordert den Bundesrat auf, zehn Jahre Übergangsfrist und die Bestandsobergrenze für Anbindehaltung mit ganzjährigem Auslauf von 50 angebundenen Rindern zu unterstützen.“
Und Martin Schulz, AbL-Bundesvorsitzender, ergänzt bezüglich des Schwänzekupierens: „Es ist keine Lösung, den Umbau der Tierhaltung einfach nur zu blockieren. Wenn der Umbau nicht gelingt, dann werden höhere Tierwohlstandards über Ordnungsrecht entschieden. Das hat uns schweinehaltenden Betrieben eindrücklich das Kastenstandurteil in der Sauenhaltung gezeigt. Das Schwänzekupieren passt nicht mehr in unsere Zeit. Allerdings sind die heutigen Ställe nicht geeignet, Schwänzekupieren zu verhindern. Es braucht umgehend den Umbau der Tierhaltung nach den Plänen der Borchert-Kommission. Das heißt, planbare höhere Tierwohlstandards verbunden mit einer langfristigen wirtschaftlichen Perspektive für uns Bäuerinnen und Bauern und einer verbesserten wirtschaftlichen Stellung am Markt, damit wir kostendeckende Preise durchsetzen können."
Der Deutsche Tierschutzbund fordert die Mitglieder des Bundesrats auf, nur solchen Änderungsvorschlägen zuzustimmen, die Verbesserungen im Sinne aller Tiere ermöglichen. „Wir begrüßen, dass die Ausschüsse des Bundesrats in ihren Empfehlungen ein grundsätzliches Verbot sowohl der ganzjährigen als auch der saisonalen Anbindehaltung bei Rindern fordern und auch die Übergangsfrist für das Ende der ganzjährigen Anbindehaltung auf fünf Jahre verkürzt sehen wollen“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Damit bestehe die Chance, ein im Koalitionsvertrag der Ampel formuliertes Versprechen doch noch einzulösen.
Bayern befürchtet massiven und existenzvernichtenden Strukturwandel
In dem Antrag des Landes Bayern, das Land mit der höchsten Anzahl an Höfen mit Anbindehaltung, heißt es zur Begründung unter anderem: „Die neu vorgesehenen Regelungen zu einem Verbot der Anbindehaltung von Rindern sind vorschnell und befeuern einen massiven und existenzvernichtenden Strukturwandel in der Milchviehhaltung, insbesondere dort, wo diese Art der Haltung, trotz fortschreitender Umbaumaßnahmen, nach wie vor das ökonomische Rückgrat vieler kleinstrukturierter bäuerlicher Familienbetriebe darstellt. Die Betriebe leisten einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Kulturlandschaft und der Biodiversität. Aufgrund der historischen Siedlungsentwicklung verfügen diese Betriebe, oftmals in der Dorfmitte liegend, nicht über die entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten am jeweiligen Standort. Ein gesetzliches Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung muss deshalb auch regional anerkannte Formen der Kombinationshaltung für einen realistischen Umstieg beachten. Die vorgelegten Regelungen würden in vielen Fällen auch ein Aus für die Kombinationshaltung aus Weidehaltung während der Weidezeit und Anbindehaltung in Zeiten, in denen das Weiden nicht möglich ist, bedeuten.“ Und an anderer Stelle wird bemängelt, dass der Entwurf die Praxis der vielen Nutztierhalterinnen und Nutztierhalter verkenne. „Die nochmals komplexer werdenden Vorschriften zu Eingriffen an Tieren (Enthornen von Kälbern, Kürzen der Schwänze von Ferkeln und Lämmern) bedürfen deshalb einer vertieften Prüfung der Auswirkungen (Kosten für die Landwirte, ggf. Hinzuziehung von Tierärzten erforderlich, die insbesondere für solche Routinetätigkeiten zunehmend weniger verfügbar sind),“ heißt es in dem Antrag.