Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat seine Vorstellungen für einen Tierwohl-Cent in einem Eckpunktepapier zur Tierwohlfinanzierung konkretisiert. "Es braucht endlich ein motiviertes Vorgehen der Ampel", heißt es in Reaktion auf das Papier von der AbL. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands begrüßt es, dass der Minister die Diskussion über eine Tierwohlabgabe wieder aufnimmt. Und auch Tierschützer begrüßen es, dass wieder Bewegung in die Diskussion kommt. Für den Bauernverband setzt der Tierwohl-Cent am falschen Ende an.
Die Abgabe soll laut dem Eckpunktepapier auf Fleisch, Fleischerzeugnisse und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse, Verarbeitungsprodukte mit einem bestimmten Anteil von Fleisch, Fleischerzeugnissen oder genießbaren Schlachtnebenerzeugnissen erhoben und nur einmalig in der Kette fällig werden. Auch Importfleisch soll von der Abgabe erfasst werden.
Die als Verbrauchsteuer erhobene Abgabe fließt in den Bundeshaushalt und soll nicht zweckgebunden sein, da sie nur so mit dem EU-Recht vereinbar sei.
Über die Höhe der Abgabe macht das BMEL keine Angaben. Das sei „politisch zu entscheiden und frei skalierbar“, heißt es in dem BMEL-Papier. Die Abgabe soll je Kilogramm Fleisch erfolgen. In einem Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin äußerte der Minister, dass anfangs auch 10 Cent/kg reichten, da er zunächst schrittweise vorgehe, und zunächst nur die Schweinehalter mit dem Umbau ihrer Ställe beginnen müssen - analog zur Tierhaltungskennzeichnung.
Federführend zuständig für die Einführung einer solchen Abgabe ist laut BMEL Bundesfinanzminister Christian Lindner.
ISN: Bauern müssen tatsächlich an das Geld kommen
Bei aller berechtigten Kritik an der Bundesregierung ist es nach Ansicht der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) richtig, dass Landwirtschaftsminister Cem Özdemir im Auftrag der stellvertretenden Fraktionsspitzen der Berliner Regierungsparteien die Diskussion um die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung mit der Tierwohlabgabe gerade jetzt wieder aufnimmt. Denn der Zug mit dem Umbau der Tierhaltung rolle bereits. Entscheidende Rechtsvorgaben wie die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, die TA-Luft und das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz seien beschlossen, so dass verschiedene Umsetzungsfristen in Kürze anstehen. Die Tierhalter können nicht morgen einen Luftwäscher einbauen und übermorgen den Stall für das Tierwohl wieder öffnen, mahnt ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack.
Die Fäden müssen laut ISN also jetzt miteinander verknüpft und Hürden ausgeräumt werden, denn die Schweinehalter brauchen Klarheit, wie sie ihre Betriebe aufstellen sollen. Und zur Klarheit gehört eben auch die Finanzierung der hohen Kosten. Fakt ist für die ISN: Über den Markt allein wird diese nicht gelingen. In der Borchert-Kommission wurden deshalb verschiedene Finanzierungsmodelle – wie auch eine Abgabe auf Fleisch – bereits aufgestellt und verglichen. Dass eine Zweckbindung der Einnahmen aus Tierwohlabgaben rechtlich nicht möglich ist, hatte man auch schon in diesem Rahmen festgestellt. Gerade auch deshalb ist es nun wichtig, dass es nicht allein um die Erhebung der Abgabe auf Fleisch geht, sondern gleichzeitig auch darum, dass die Schweinehalter an das Geld kommen. Denn ansonsten verschwindet dieses im Bundeshaushalt und als alleiniger Effekt bleibt die Verteuerung des Fleisches, so die ISN.
Die Ampel-Regierung und die Fraktionsspitzen müssen nach Ansicht der ISN beweisen, dass sie es mit dem Lösen der Stallumbaubremse ernst meinen. Verlässliche Aussagen, wie die Bauern auch tatsächlich an das Geld kommen und vor allem unter welchen Voraussetzungen, sind unverzichtbare Grundvoraussetzungen. Genauso ein echter Dialog mit den betroffenen Akteuren, die den Umbau meistern sollen. „Beides fehlt derzeit noch“, erklärt Dr. Torsten Staack und folgert weiter: „Eine praktikable Umsetzung kann nur zusammen mit den Betroffenen – den Schweinehaltern – gelingen. Wir können nicht nachvollziehen, dass die Bundesregierung an dieser Stelle immer wieder fremdelt und diesen so wichtigen und direkten Austausch nicht nutzt. Das Angebot aus der Praxis, gemeinsam zu Lösungen zu kommen, steht jedenfalls noch immer.“
DBV: „Tierwohl-Cent“ setzt am falschen Ende an
Vom Bauernverband heißt es anlässlich der Vorlage des Eckpunktepapiers: „Die Landwirtschaft braucht jetzt vor allem Lösungen, die alle Betriebe entlasten. Die vorgeschlagene Ausgestaltung eines „Tierwohl-Cent“ setzt am falschen Ende an. Es ist vollkommen unklar, wie sichergestellt werden soll, dass das Geld am Ende auch beim Landwirt ankommt – dies muss aber Sinn und Zweck einer Tierwohlabgabe sein. Darüber hinaus ist für uns völlig unverständlich, weshalb das Thema Entbürokratisierung trotz aller Lippenbekenntnisse nicht endlich ernsthaft angegangen wird, eine Verbrauchssteuer mit separatem Steuerlager schafft erst einmal massive Bürokratie und Zusatzkosten, ohne dass ein Mehrwert für die Tierhalter entsteht.“
ProVieh: Belastung für die Verbraucherinnen und Verbraucher minimal
„Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir treibt endlich die Finanzierung für den Umbau der Tierhaltung voran“, erklärt die Tierschutzorganisation ProVieh und begrüßt das Vorhaben ausdrücklich. Der Tierwohlcent könne die langfristige Finanzierung für den dringend notwendigen Umbau der Tierhaltung sicherstellen, die von der Tierschutzorganisation schon seit langem gefordert werde. PROVIEH appelliert an die Bundesregierung, besonders die FDP, sich hinter den Umbau der Tierhaltung zu stellen und die Finanzierung endlich sicherzustellen.
“Wer es mit einer zukunftsfähigen Tierhaltung in Deutschland wirklich ernst meint, muss einer Tierwohlsteuer zustimmen”, betont Anne Hamester, Geschäftsführerin bei ProVieh. “Nun liegt der Ball bei Christian Lindner, denn das finale Konzept muss vom Finanzministerium vorgelegt werden. Der Finanzminister muss nach seinen großen Worten bei den Bauernprotesten Taten folgen lassen, damit Anbindehaltung, Qualzucht und Verstümmelungen hoffentlich schon bald der Vergangenheit angehören. Die Landwirtinnen und Landwirte brauchen nun nach Jahren der Ankündigungen konkrete Finanzierungskonzepte.“
Entscheidend für die Nutztierschutzorganisation ProVieh ist, dass die Einnahmen aus der Verbrauchssteuer zielgerichtet in höhere Tierwohlstandards fließen. Dafür müssen einerseits die entsprechenden Standards festgelegt sein: viel Platz, Auslauf, Liegebereiche und Beschäftigungsmaterial sowie Kriterien für mehr Tiergesundheit. Andererseits müssen die Einnahmen zweckgebunden bei den Höfen und damit bei den Tieren ankommen. Hierfür müssen im Rahmen von langfristigen Verträgen landwirtschaftlichen Betrieben über eine Legislaturperiode hinaus Finanzierungen für höhere Tierwohlstandards zugesichert werden. Bei Einführung der Tierwohlsteuer muss daher politisch festgelegt werden, dass die Einnahmen zielgerichtet und dauerhaft in höhere Tierwohlstandards fließen und nicht für andere Vorhaben oder Finanzlöcher genutzt werden.
“Ein Umbau hin zu einer zukunftsfähigen Tierhaltung mit höheren Tierwohlstandards ist nicht nur dringend notwendig, sondern längst überfällig. Der Tierwohlcent wäre ein guter Anfang zur Honorierung von mehr Tierwohl auf den Höfen für unsere Landwirtinnen und Landwirte. Die finanzielle Belastung für die Verbraucherinnen und Verbraucher wäre minimal ― eine bessere Tierhaltung ist zudem ausdrücklich gesellschaftlich gewollt. Liebe Bundesregierung, nun heißt es: Runter von der Bremse und voran für mehr Tierwohl. Jetzt ist die Chance!”, ermutigt Anne Hamester, Geschäftsführerin bei ProVieh die Regierungsfraktionen.
Tierschutzbund: Fleischabgabe muss ausnahmslos in mehr Tierschutz fließen
„Endlich kommt was in Bewegung. Eine Fleischabgabe haben wir schon lange gefordert. Die Borchert-Kommission hat dazu ein Konzept erarbeitet, die Zukunftskommission Landwirtschaft hat dies gestützt. Özdemir sollte sich an diese Empfehlungen halten, dann kann von einem breiten, gesellschaftlichen Konsens für eine solche Abgabe ausgegangen werden. Nach dem Borchert-Konzept geht es um 40 Cent je Kilogramm. Wer Fleisch isst, dem muss das Tier vier Cent je 100 Gramm Fleisch zusätzlich wert sein. Wer sich dagegen ausspricht, dem sind die Tiere egal“, kommentiert der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder.
Christian Lindner und die FDP müsse jetzt Farbe bekennen. „Eine Rede auf der Bauerndemo bringt weder den Tieren noch den Landwirten etwas. Jetzt liegt ein Konzept auf dem Tisch, das den Landwirten Planungssicherheit und finanzielle Mittel bereitstellt und gleichzeitig den dringend notwendigen Umbau der Tierhaltung in Deutschland voranbringen kann. Sperrt sich Herr Lindner, riskiert er die Zukunftsfähigkeit der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Deutschland“, so Schröder. Ganz entscheidend für die Umsetzung einer Abgabe sei, dass die Zusatzeinnahme nicht für das Stopfen von Haushaltslöchern oder zur Kompensation anderer Kürzungen missbraucht wird. „Das zusätzliche Geld muss ausnahmslos zweckgebunden für Tierschutzfortschritte eingesetzt werden, um nachweislich mehr Tierschutz umzusetzen. Um es konkret zu machen: Nimmt man die geplante staatliche Tierhaltungskennzeichnung als Benchmark, dann beginnt ein Mehr an Tierschutz erst bei der Stufe „Frischluft“. Und das Geld muss für alle Tiere in der Landwirtschaft einsetzbar sein, nicht nur für Schweine“, erklärt der Tierschutzbund-Präsident.
Wer neben Tierschutz auch den Klimaschutz stärken will, der wäre nach Ansicht des Tierschutzbundes klug beraten, zugleich zu der Abgabe auch die Mehrwertsteuer auf Fleisch von sieben auf 19 Prozent anzuheben, aber dafür die Mehrwertsteuer für pflanzliche Ernährung zu senken. „Das käme zudem vielen besorgten Sozialpolitikern entgegen, die wegen der Preissteigerung Verwerfungen ahnen: Es gibt eben kein Menschenrecht auf Fleisch, aber sehr wohl eines auf Ernährung.“