Faire Erzeugerpreise sind möglich

Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) hatte zum Branchengipfel (Krisengipfel) wegen der Bauernproteste vor Warenlagern geladen und zog anschließend ein ernüchterndes Fazit: „Es war eine Vorwärtsbewegung und ein klarer Wille zum Dialog zu erkennen. Unsere Landwirtschaft erfüllt höhere Standards. Das spiegelt sich aber nicht an der Ladenkasse wider. Wenn wie bei uns verantwortungsvoll Landwirtschaft betrieben wird, brauchen wir faire Preise. Jetzt ist eine gemeinsame Kraftanstrengung von Politik, Landwirten, Molkereien und Handel gefragt, keine Schuldzuweisungen. Ich fordere alle Verantwortlichen in der Kette auf, konkrete Konzepte zu entwickeln, wie unsere hochwertigen Markenprodukte deutlich sichtbar Wertschätzung erhalten. Wir brauchen Zukunftslösungen für die verschiedenen Sektoren!“ Ergebnislos nennen Beobachter dieses Ergebnis auch. In etwa vier Wochen will die Ministerin erneut einladen. Dann soll es um konkrete Lösungskonzepte gehen. Nach dem Krisengipfels betont die die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dass sich aufgrund der ruinösen Erzeugerpreise und den vielfältigen Protesten von Bäuerinnen und Bauern im ganzen Bundesgebiet niemand mehr aus der Verantwortung stehlen kann. Die AbL wertet das gemeinsame Vorgehen von verschiedenen landwirtschaftlicher Organisationen und Verbänden (u.a. BDM, LSV, AbL) in den letzten Wochen als ein starkes politisches Signal. Jetzt komme es darauf an, die Preissituation kurzfristig zu verbessern und das System der Billig-Landwirtschaft zeitnah zu überwinden. In der gesamten Erzeugungs- und Vermarktungskette gelte es Veränderungen einzuleiten, damit sich Bäuerinnen und Bauern ökonomisch, ökologisch und sozial zukunftsfest aufstellen können. Mit den Konzepten von gestern fahre man gegen die Wand.

Ottmar Ilchmann, Milchbauer aus Ostfriesland, AbL-Landesvorsitzender aus Niedersachsen und Teilnehmer am Gipfel, macht einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen: „Faire Preise für gute bäuerliche Arbeit sind notwendig und sie sind möglich. Als ersten Schritt schlagen wir vor, dass der Lebensmitteleinzelhandel Erzeugerfairpreisaufschläge für alle Milch- und Fleischprodukte vornimmt und sich verpflichtet, die erzielten Mehrerlöse an die Verarbeitungsunternehmen, die Molkereien und Schlachtunternehmen, weiter zu geben. Die Molkereien und Schlachthöfe reichen diese Beträge über die Auszahlungspreise direkt an die landwirtschaftlichen Lieferanten weiter. Auch für die Konsumenten muss ersichtlich sein, welcher Beitrag direkt an die Erzeuger weitergegeben wird. So ist eine kurzfristige Entlastung auf den Höfen und Transparenz durchsetzbar. Zeitnah müssen in einem zweiten Schritt die Bauernorganisationen zusammen mit dem LEH, den Molkereien sowie Schlachthofunternehmen Verhandlungen um Qualitätskriterien für Milch- und Fleischerzeugung festlegen, bei deren Einhaltung auf mittlere Sicht mit fairen Preisen gewinnbringend gearbeitet werden kann und eine angemessene Bezahlung von höheren Qualitätsstandards gewährleistet ist. Wir wollen nicht mehr Geld für ein schlichtes „weiter so“, wir wollen faire Preise für die Erzeugung qualitativ hochwertiger Lebensmittel und für unsere Arbeit.“ Georg Janßen, AbL-Bundesgeschäftsführer, ergänzt, dass die Politik in dieser Auseinandersetzung nicht nur die Moderationsrolle einzunehmen hat. „Bundes- und Landesregierungen sind verantwortlich für die politischen Rahmenbedingungen. Wir fordern die Bundesministerin Julia Klöckner und die Landesministerin Barbara Otte-Kinast auf, die Billigpreiswerbung für Milch und Fleisch zu verbieten, wie es schon lange angekündigt wurde. Unlautere Handelspraktiken müssen schnellstmöglich untersagt werden. Bei den aktuellen Verhandlungen um die Reform der EU-Agrarpolitik müssen die politisch Verantwortlichen bei der Markt- und Außenhandelspolitik die Billigstrategie durchbrechen. Mit einem qualifizierten Außenschutz und einem Lieferkettengesetz kann ein Preisdumping im In- und Export beendet werden, das nur für noch mehr Preisdruck sorgt. Zudem müssen die notwendigen Leistungen für mehr Klima- und Wasserschutz sowie für den Erhalt der Artenvielfalt entlohnt werden. Die von der so genannten „Borchert-Kommission“ vorgeschlagene Tierwohlprämie muss 2021 kommen, damit der kostenaufwendige Umbau zur artgerechten Tierhaltung in den Ställen von den Betrieben finanziell geschultert werden kann. Und wir brauchen verpflichtende Kriseninstrumente für eine wirksame Mengendisziplin, damit Überschüsse erst gar nicht produziert und Preisabstürze zukünftig vermieden werden. Erste Ansätze hat das Europäische Parlament dazu beschlossen. Die EU-Mitgliedsländer können das umsetzen.“
14.12.2020

Ministerin Otte-Kinast, Georg Janßen und Ottmar Ilchmann. Fotos: ML/Jaworr; Bauernstimme