Der Bundesrat sieht bei dem vom Bundeslandwirtschaftsministerium vorgelegten Entwurf für ein Agrarmarktstrukturgesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken erheblichen Nachbesserungsbedarf, der sich insbesondere auch auf die Preisbildung im Lebensmitteleinzelhandel und den Verarbeitungsunternehmen bezieht.
Für die NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU), eine von drei Wortmeldungen im Bundesrat zu diesem Tagesordnungspunkt, ist „Dreh- und Angelpunkt der zukünftigen Landwirtschaftspolitik eben auch der Preis“ und da stelle sich die Frage „wie eine fairere Preisbildung in der Lebensmittelkette rechtlich geregelt werden kann, um sich nicht auf freiwillige Bekenntnisse verlassen zu müssen.“ Denn „wir haben gerade alle gesehen, was es bedeutet, wenn ein großer Discounter erst sagt ‚Ja, wir zahlen mehr‘, und im nächsten Schritt dann sagt, och, konnten wir doch nicht im Markt durchsetzen, wir senken die Preise ganz schnell wieder“, so die Ministerin. Wenn es gelinge, „den Preiskampf und das Preisdumping bei Lebensmitteln zu unterbinden, wird dies insbesondere dem Fleischmarkt zugutekommen“. Deshalb habe man zwei Themen juristisch prüfen lassen: Ob ein weitergehendes Verkaufsverbot unter Einstandspreis oder ob ein Preiswerbeverbot ein geeigneter Weg sein kann. Das juristische Gutachten kommt laut Heinen-Esser zu dem Schluss, dass ein Verkaufsverbot unter Einstandspreis nicht die gewünschte positive Wirkung entlang der Kette zurück bis zu den Landwirten entfalten würde und „deshalb schlagen wir ein allgemeines Verbot des Verkaufs unter Produktionskosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette vor.“ Das sei auch gerade in Spanien umgesetzt worden. Mit diesem Instrument „hätten wir ein Verfahren für wahrhaftige Preise und eine bessere Verteilung der Wertschöpfung in der Lebensmittelkette“, denn der Preisdruck gehe ganz klar vom Lebensmitteleinzelhandel aus. Laut dem juristischen Gutachten stünden einem Verbot von auf Niedrigpreise und Lockangebote abstellende Werbung keine rechtlichen Bedenken entgegen. Die UTP-Richtlinie biete sich an, das umzusetzen.
Auch Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) hält weitergehende Regelungen im Gesetz für notwendig, damit „aus einem begrüßenswerten Ansatz, ein gutes, ein noch besseres Gesetz wird.“ Für ihn ist es „zu kurz gedacht, im Lebensmittel- und Agrarbereich allein auf Vertragsfreiheit und Marktwirtschaft zu pochen“. Bei Marktversagen müsse ordnungspolitisch gegengesteuert werden, „um die Bauern als schwächstes Glied in der Kette zu schützen“. Dabei hält er es für erforderlich, „den Geltungsbereich des Gesetzes zu erweitern und auch Verarbeitungsunternehmen als Hauptabnehmer von Primärprodukten stärker in die Pflicht zu nehmen“, denn der Preisdruck des Einzelhandels werde über die Verarbeiter wie Molkereien oder Großschlachtereien bis zu den Bauern weitergegeben. So sei beispielsweise die Praxis der nachträglichen Preisfestsetzung bei Molkereien zu verbieten und der Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung der EU in Kraft zu setzen.
Auch für den dritten Redner, den grünen Landwirtschaftsminister in Sachsen, Wolfram Günther, geht die UTP-Richtlinie an unfairen Handelspraktiken der Verarbeitungsindustrie bisher völlig vorbei. Die Preispolitik der Mühlen, Molkerei-, Schlacht-, Zucker-und Landhandelskonzerne müsse daher auch in den Blick genommen werden. Und wie schon Heinen-Esser verweist auch er auf das Gesetz in Spanien.
Bundesrat fordert Niedrigpreis-Werbeverbot für FleischIn dem
Beschluss fordert der Bundesrat die Bundesregierung unter anderem auf, alle „grauen Handelspraktiken“ im Gesetz zu verbindlichen Verboten zu erklären“ und „eine offene Generalklausel zur Erfassung weiterer Formen unlauterer Handelspraktiken in das Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz aufzunehmen“. Darüber hinaus hält der Bundesrat weitere Maßnahmen für erforderlich, „um die Preisfairness in der Wertschöpfungskette zu verbessern“. Die Bundesregierung wird aufgefordert, „die auf Niedrigpreise abgestellte Werbung für Fleisch und Fleischerzeugnisse zu verbieten“.
Die Umsetzung der UTP-Richtlinie soll nach Ansicht des Bundesrates auch dafür genutzt werden, die Verteilungsmechanismen der Gesamtwertschöpfung an die Teilnehmer in der Wertschöpfungskette fairer zu gestalten. „Dabei soll ein allgemeines Verbot des Einkaufs unter typisierten Produktionskosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette als Beispiel für eine entsprechende Rechtsetzung weiterverfolgt und auf seine praktische Umsetzung geprüft werden“, heißt es in dem Beschluss.
Ferner hält es der Bundesrat „für erforderlich, den Geltungsbereich im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu erweitern, um Verarbeitungsunternehmen als Hauptabnehmer von Primärprodukten für die Gestaltung fairer Lieferbeziehungen stärker in die Pflicht zu nehmen“.