Brief an Timmermans: Gentechnik-Pflanzen auch in Zukunft strikt regulieren

162 Verbände und Organisationen aus der gesamten Europäischen Union fordern in einem gemeinsamen Brief den Vize-Präsidenten der Europäischen Kommission auf, Pflanzen und Tiere, die mit neuen Gentechnik-Verfahren wie CRISPR/Cas hergestellt wurden, auch in Zukunft strikt zu regulieren. In dem gemeinsamen Brief an Frans Timmermans heißt es: Entgegen den Behauptungen der Gentechnik-Industrie zeigen wissenschaftliche Veröffentlichungen, dass die neuen Gentechniken es den Anwender*innen erlauben würde, bedeutende Veränderungen am Genom vorzunehmen, und dass diese Veränderungen sich von denen, die in der Natur vorkommen, sehr unterscheiden können. Zudem könnten neue Gentechniken eine Reihe von unerwünschten Veränderungen verursachen, die zur Produktion neuartiger Toxine oder Allergene oder zur Übertragung von Antibiotikaresistenzgenen führen. Aber auch die beabsichtigte Veränderungen könnten zu Merkmalen führen, die Bedenken hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit, der Umwelt oder des Tierschutzes hervorrufen können. Hinzu kommt, dass die Anwendung neuer Gentechniken für die Zucht von Nutztieren ernsthafte tierschutzrechtliche und ethische Bedenken aufwerfe. Dies liegt unter anderem an der hohen Anzahl von Tieren, die in der Testphase benötigt werden, um lebensfähige Nachkommen zu erzeugen, und an der mangelnden Vorhersagbarkeit oder Beständigkeit der gentechnischen Veränderungen an den Tieren. Daher könnten die gentechnische Veränderung von Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen mit neuen Gentechniken eine Gefahr für die Verbraucher, den Tierschutz und die Umwelt darstellen. Folglich fordern die Organisationen Timmermanns auf, sich gegen eine von der Gentechnik-Industrie erhoffte Aufweichung der EU-Gentechnik-Vorschriften auszusprechen. Stattdessen solle die EU-Kommission die vollständige Anwendung des EuGH-Urteils vom 25. Juli 2018 im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip sicherstellen. Um dies zu erreichen, sollte die Kommission die Bemühungen der Mitgliedstaaten unterstützen, die illegale Kontamination von EU-Importen mit nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen, die mit neuen Gentechniken erzeugt wurden, zu verhindern. Die bestehenden EU-Gentechnik-Standards sicherten die Umsetzung des Vorsorgeprinzips und schützten Umwelt und Verbraucher. Aktueller Anlass für den offenen Brief der Organisationen aus Umwelt- und Verbraucherschutz, Land- und Lebensmittelwirtschaft ist eine für Ende April geplante Studie der EU-Kommission über den derzeitigen Status und die zukünftige Regulierung gentechnisch veränderter Organismen in der EU. Bezüglich Gene Drives wird die EU-Kommission aufgefordert, ein weltweites Moratorium für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt aus Vorsorgegründen auf internationaler Ebene zu unterstützen, wie es unter anderem das Europäische Parlament fordert. Gene Drives sind eine spezielle Anwendung der neuen Gentechniken. Mit dieser Technologie können ganze Populationen wild lebender Organismen, darunter vor allem Insekten, gentechnisch verändert, dezimiert oder ausgerottet werden. Gerade in Zeiten eine Biodiversitätskrise könnten wir einfach nicht mit einer Technologie experimentieren, die treffend als „Aussterben auf Bestellung" bezeichnet wurde, so die Autor*innen. Nach Willen der EU-Kommission soll die EU eine führende Rolle beim Schutz der Natur einnehmen. Entsprechend müsse die Kommission die Moratoriums-Forderung bei den anstehenden Verhandlungen im Rahmen der UN-Konvention über biologische Vielfalt und des Cartagena-Protokolls vertreten. Zu den Unterzeichnern aus Deutschland gehören unter anderem die Ökoanbauverbände Bioland, Demeter und Naturland sowie der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
06.04.2021
Von: av

162 Verbände und Organisationen aus der EU fordern von EU-Vizepräsident Frans Timmermans auch zuküftig eine strikte Gentechnik-Regulierung. Foto: EU Kommission