Versuche mit der Gen-Schere CRISPR/Cas9 an menschlichen Embryonen führen zum Verlust von ganzem Chromosom und zu ungewollten Mutationen am Ziel-Gen. Auf dieses Ergebnis einer neuen
Publikation weist das Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie Testbiotech hin. Ein weiterer Beleg dafür, dass die Gen-Schere nicht so sicher und präzise sei, wie immer behauptet.
Ziel der Versuche in den USA war demnach die Korrektur einer Mutation, die eine Erbkrankheit verursacht. Diese kann zum Erblinden führen (Retinitis pigmentosa). Die Gen-Schere sollte dazu die fehlerhafte Gensequenz durchtrennen. Es wurde erwartet, dass der Fehler im Erbgut dann durch zelleigene Reparaturprozesse korrigiert würde. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Bei mehreren Embryonen gingen große Teile oder auch das ganze Chromosom 6 verloren, auf dem sich das Ziel-Gen befindet. Zudem entstanden am Ziel-Gen weitere ungewollte Mutationen.
Die Gen-Schere durchtrennte zwar, wie erwartet, beide DNA-Stränge im Bereich des Ziel-Gens. Jedoch waren einige Zellen anschließend nicht in der Lage, den so entstandenen ‚Doppelstrangbruch‘ der DNA ordnungsgemäß zu reparieren und wieder zu verschließen. Bei weiteren Zellteilungen ging in einigen Embryonen deswegen das betroffene Chromosom ganz oder zu großen Teilen verloren.
Zusätzlich traten ungewollte Veränderungen auch an einem anderen Gen auf, das dem Ziel-Gen ähnlich ist, aber auf einem anderen Chromosom zu finden ist. Diese unbeabsichtigte Aktivität der Gen-Schere CRISPR/Cas9 bewirkte bei manchen Embryonen den Verlust auch dieses Chromosoms.
Der Verlust von chromosomalen Abschnitten kann laut Testbiotech erhebliche negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Embryos haben: Es können Krebszellen entstehen, Geburtsfehler auftreten oder der Embryo kann vor der Geburt absterben.
Nach Ansicht von Testbiotech gibt es derzeit eine Tendenz zu ethisch fragwürdigen Versuchen mit der Gen-Schere, bei denen menschliche Embryonen ‚verbraucht‘ werden. Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass die Anwendung der Gen-Schere CRISPR/Cas9 keineswegs so sicher und präzise ist, wie oft behauptet wird. Eine Vielzahl von Publikationen zeigt, dass die Gen-Schere bei Pflanzen, Tieren und menschlichen Zellen sehr oft fehlerhaft arbeitet: Die Herbeiführung von Doppelstrangbrüchen begünstigt das Auftreten von unbeabsichtigten Veränderungen, wie z.B. dem ungewollten Einbau zusätzlicher DNA-Fragmente oder Umstrukturierungen im Bereich des Zielgens. Auch eine Verwechslung der Zielgene tritt häufig auf. Sogar der teilweise Verlust von Chromosomen wurde bereits mehrfach beobachtet.
2020 wurde die Entwicklung der Gen-Schere CRISPR/Cas mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet, obwohl sich aus ihrer Anwendung laut Testbiotech viele Risiken und ethische Probleme ergeben. Die Hinweise mehren sich, dass die bisher am häufigsten eingesetzten Gen-Scheren für wirklich präzise und sichere Eingriffe ins Erbgut nicht geeignet sind.