Biogas - wofür wir es brauchen und woher es kommen soll

Die Diskussion, wie man in Zukunft die Welt mit Lebensmittel und mit (erneuerbarer) Energie versorgen kann, nimmt Fahrt auf. Die begrenzte landwirtschaftliche Fläche muss möglichst effizient genutzt werden. Darüber sind sich alle einig. Die Konkurrenz zwischen Teller, Trog und Energie ist unübersehbar. Manche - wie auch das Thünen-Institut - halten den Anbau von Energiepflanzen auf dem Acker in der Zukunft für nicht sinnvoll. Ihr Anteil für die Energieziele der Bundesregierung sei unbedeutend. Dem widerspricht Dr. Thomas Griese vehement in seinem nachfolgenden Beitrag. Er fordert flexibilisierte Anlagen und mehr Winterbiogas.
Th. Griese ist langjähriges AbL-Mitglied, war viele Jahre Agrar-Staatssekretär in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz und ist heute stellvertretender Vorsitzender im Landesverband Erneuerbare Energie NRW.

1. Der Bedarf

Die Bioenergie hat bereits jetzt in der Stromerzeugung eine hohe Systemrelevanz. Jährlich liefert sie (incl. Biogas aus Klärgas und Bioabfällen) rd. 50 Milliarden kWh Strom. Das entspricht ungefähr der Jahresproduktion von 4 - 5 Atomkraftwerken. Wer fordert, die Biogasproduktion müsse heruntergefahren werden, sollte beantworten können, wie diese Strommenge substituiert werden soll.

Entscheidend ist, dass die Bioenergie für die Energiewende unverzichtbar ist. Denn die Bioenergie ist die einzige erneuerbare Energie, die durch Substratspeicherung und flexiblen Substrateinsatz oder Speicherung von Biogas oder Biomethan eine langfristige Speicherung ermöglicht und damit saisonale Flexibilitätsenergie liefern kann. Kurzfristige Schwankungen bei Wind und Sonne lassen sich durch Batteriespeicher ausgleichen, längerfristige Schwankungen über Wochen und Monate aber nicht.

Beispielhaft war im Januar 2023 zu sehen, wozu saisonale Flexibilitätsenergie gebraucht wird: In der ersten Januar- Hälfte wurde insbesondere dank starker Winde der größte Teil des Strombedarfs durch erneuerbare Energie gedeckt und die Börsenstrompreise waren sehr niedrig, zum Teil unter 2 Cent/kWh.
Im zweiten Teil des Monats war wenig Wind und wenig Sonne, da war Flexibilitätsenergie notwendig und hohe Börsenstrompreise von z.T. 25 Cent/kWh die Folge. Diese Flexibilitätsenergie können Atom und Kohle wegen ihrer schwerfälligen Fahrweise nicht liefern, aber eben bisher Erdgas. Deshalb hat natürlich die Gasindustrie dieses Geschäft gemacht.
Kurz gesagt: Es geht um die zukünftige Lösung für die Dunkelflaute. Dafür gibt es nur zwei klimafreundliche Möglichkeiten, nämlich erstens die Umwandlung von Wind- und Sonnenstrom in Wasserstoff mit späterer Rückverwandlung in Strom und zweitens die Bioenergie. Beide Möglichkeiten sind dringend notwendig. Dabei ist die Variante Wasserstoff deutlich ineffizienter, weil durch die zweifache Umwandlung deutlich mehr als die Hälfte der Energie verloren geht.

2. Das Potenzial

Nach Aussage des Fachverbands Biogas e.V. kann die Biogasproduktion in Deutschland bis 2030 ohne eine Ausdehnung der Anbauflächen für Energiepflanzen - nur auf Basis von Bioabfällen, Reststoffen, Zwischenfrüchten, Gülle, Mist, Gras von Dauergrünlandflächen und landwirtschaftlichen Nebenprodukten - von jetzt 95 auf rund 130 Milliarden kWh ausgeweitet werden. Diese Biogasmenge wiederum kann zur Hälfte zu Biomethan aufbereitet werden und damit 40 Prozent der bisherigen Gasimporte aus Russland ersetzen.

Das ungenutzte Potenzial an den genannten Substraten, die ohne zusätzlichen Flächenbedarf auskommen, ist groß. Laut dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig landet nur ein Drittel von dem, was sich technisch nutzen ließe, tatsächlich in Biogasanlagen – mit anderen Worten eine Ressourcenverschwendung de luxe.

Das gilt auch für die Bioabfälle der Haushalte. Ausweislich einer Studie des Umweltbundesamtes sind 40 Prozent des Restmülls eigentlich Bioabfall, der sinnlos in Müllverbrennungsanlagen unter hohem fossilen Energieaufwand verbrannt wird. Die Biogaserzeugung durch Bioabfälle ließe sich schon dadurch auf ca.10 Milliarden Kilowattstunden jährlich verdoppeln.

Deswegen kritisieren der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) NRW und der Landesverband Erneuerbare Energie (LEE) Rheinland-Pfalz/Saarland die von der Bundesregierung bislang vorgelegten Eckpunkte für die Nationale Biomassestrategie (NABIS) als völlig unzureichend, weil die ungenutzten Biomasse-Potenziale nicht berücksichtigt werden.

3. Mehr Biogas führt nicht zu größerem Flächenbedarf

Wenn immer wieder, zuletzt bei der Tagung „Energie vom Acker“ des Agrarbündnisses am 1.3.2023, von manchen der große Flächenbedarf von Biogasanlagen und die daraus folgende mangelnde Flächeneffizienz beklagt wird, ignoriert dies einen wesentlichen Fakt: Der gesetzliche Mais- und Getreidedeckel des § 39i EEG begrenzt den Anteil von Mais und Getreide zur Zeit auf 40%, ab 2026 auf 30%. Das heißt, 70% des Substrateinsatzes müssen Bioabfall- und Reststoffe (mit Flächenbedarf null) sein. Der Anbauflächenbedarf einer Biogasanlage beträgt also nur rund ein Drittel dessen, was ihr üblicherweise unterstellt wird.

4. Die Lösung ist die flexible Fahrweise – Abkehr von der 24-Stunden-Dauerverstromung

Es geht also nicht darum, den Einsatz nachwachsender Rohstoffe massiv auszubauen, sondern darum, die Biogasstromproduktion systemdienlicher einzusetzen, und zwar zu den Zeiten, in denen Wind und Sonne nicht genug liefern, also vor allem in den Wintermonaten. Deshalb lautet die Konsequenz: Mehr Winterbiogas.

Dazu müssen alle Anlagen flexibilisiert werden (bisher ist erst ungefähr ein Drittel flexibilisiert) und der Einsatz muss auf die Tage und Stunden fokussiert werden, in denen es wirklich nötig ist. Das heißt auch, dass die Biogasverstromung in den Frühjahrs- und Sommermonaten, in denen überreichlich PV-Strom vorhanden ist, auf den geringen Ergänzungsbedarf zurückgefahren wird. Dazu muss – ohne den Rohstoffeinsatz zu erhöhen -  die maximal mögliche Leistung der Biogasanlagen aufgestockt (d.h. größere Motoren), aber eben nur flexibel in dem Umfang abgerufen wird, in dem wirklich Ergänzungsbedarf zu Wind und Sonne besteht.

Das große Flexibilisierungspotenzial ist vor allem in den Wintermonaten wichtig, denn der Strombedarf ist in den Wintermonaten tendenziell höher, die Photovoltaik liefert in den Wintermonaten aufgrund geringerer Sonnenscheindauer weniger Strom und der Wärmebedarf aus Biogas-KWK-Anlagen besteht ebenfalls vor allem in den Wintermonaten.

Deshalb muss es Anreize für die Flexibilisierung und eine Ausrichtung der Erzeugung auf die Wintermonate geben. Ein wichtiges Instrument ist dafür ein Zuschlag für Winterbiogas im EEG.