AbL: Verursacherprinzip statt Rote Gebiete

Die EU- Kommission hat die von der Bundesregierung vorgelegte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV Gebietsausweisung – AVV GeA), den sogenannten roten Gebieten, zugestimmt und drängt auf eine zügige Verabschiedung. Die Neufassung war notwendig geworden, um die von der EU angedrohten Strafzahlungen von täglich 800.000 € im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Nitratrichtlinie abzuwenden. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hofft jetzt auf die Unterstützung der Länder und dass die AVV noch vor der Sommerpause im Bundesrat beschlossen wird. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) schlägt anlässlich einer Verbändeanhörung eine Abkehr vom System der roten Gebiete und eine Orientierung am Verursacherprinzip vor und macht konkrete Vorschläge. Das Verursacherprinzip betonen auch die zuständigen Ministerien in Niedersachsen.

Die EU-Kommission hat nach intensiven Gesprächsrunden einen entsprechenden Entwurf des Bundesministeriums für eine neugefasste AVV Gebietsausweisung bestätigt und zugleich eine sehr zügige Verabschiedung angemahnt, heißt es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium und Minister Özdemir erklärt: "Wir haben eine wichtige Etappe gemeistert, sind aber noch nicht ganz am Ziel angekommen. Es hat viele Gespräche gebraucht, um die EU-Kommission zu überzeugen – wir sollten den Geduldsfaden nun auf den letzten Metern nicht überstrapazieren und schnell zum Abschluss kommen. Ich hoffe sehr auf die Unterstützung meiner Länderkolleginnen und -kollegen, damit wir der Landwirtschaft endlich einen verlässlichen Rahmen geben können. Unsere Landwirtinnen und Landwirte waren viel zu lange Leidtragende einer unseligen Hinhaltetaktik gegenüber Brüssel. Jetzt braucht es Klarheit und Stabilität." 

Am 2. Juni hat das Bundeslandwirtschaftsministerium betroffene Verbände um Stellungnahme zur Neufassung der AVV bis zum 3. Juni gebeten. Mit Blick auf die von der AbL eingereichte Stellungnahme erklärt der AbL-Vorsitzende Martin Schulz: „Wir müssen wegkommen vom System der Roten Gebiete. Dieses nimmt auch Bäuerinnen und Bauern in Mithaft, die z.B. auf Grund ihrer sandigen Böden in Roten Gebieten liegen, die aber vernünftig düngen. Dass ist ungerecht und führt völlig zu Recht zu Unmut. Um das Problem der Nährstoffüberschüsse in den Griff zu bekommen braucht es stattdessen jetzt die konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips. Es braucht ein System, welches gezielt gesetzeswidrige Überschüsse adressiert und gleichzeitig alle anderen Betriebe von Restriktionen befreit. Dafür ist jetzt die einzelbetriebliche Stoffstrombilanz einzuführen. Der politische Prozess dazu ist erheblich zu beschleunigen. Zudem braucht es ein Anreizsystem, welches jene Betriebe entlohnt, die über den gesetzlichen Standard hinaus das Grundwasser schonen. Vorschläge zu beidem liegen auf dem Tisch, es ist an der Zeit sie umzusetzen.“

Nach einem Gespräch zwischen den zuständigen Ministerien im Bund (Landwirtschaft und Umwelt) sowie der Länder betonten auch in einer gemeinsamen Mitteilung die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) und er dortige Umweltminister Olaf Lies (SPD) das Verursacherprinzip.  „Es ist zunächst einmal gut, dass der Bund hier endlich Klarheit schafft und das nun sehr lange andauernde Verfahren zu einem absehbaren Ende kommt. Der Zeitplan bis Ende Juni ist straff, aber damit können wir gemeinsam mit dem Bund nun mit der Arbeit beginnen mit dem gemeinsamen Ziel, ein weiteres Verfahren durch die EU abzuwenden. Wir begrüßen, dass die Kulisse insgesamt nur geringfügig größer geworden ist.“

Aus Sicht des Umweltministers muss der Bund den Ländern nun perspektivisch über eine Änderung der Düngeverordnung eine entsprechende Länderermächtigung erteilen, um Maßnahmen zielgerichtet und verursachergerecht umsetzen zu können: „Wir müssen zu einem echten Verursacherprinzip kommen. Dann wird es uns auch gelingen, beide Ziele zusammen zu bringen: der Schutz unseres Grundwassers und den Erhalt der Landwirtschaft. Wer wenig düngt, darf nicht mit abgestraft werden. Pauschale, weitreichende Einschränkungen der Bewirtschaftung in den roten Gebieten sind nicht gerecht. Länder wie Niedersachsen, die bereits ein differenziertes System vorweisen können, müssen über die Bundesgesetzgebung Möglichkeiten eingeräumt werden, von den Bundesregelungen abzuweichen. Dafür werden wir im weiteren Verfahren gegenüber dem Bund kämpfen.“

Dazu äußerte sich Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast: „Mit ENNI steht in Niedersachsen ein bundesweit einmaliges Meldeprogramm zur Verfügung, das den Nährstoffverbrauch und den Düngebedarf völlig transparent macht. Eine Überführung dieses erfolgreichen Systems in das Bundesrecht wäre angemessen.“ Außerdem führte die Ministerin aus: „Auf die Landwirte kommt jetzt eine erneut veränderte Ausweisung der roten Gebiete zu, da die Europäische Kommission die Forderung weiterhin aufrechterhält, dass alle roten Messstellen in roten Gebieten liegen müssen. Betroffene Betriebe müssen sich darauf einstellen, dass auf diesen Flächen weiterhin Einschränkungen bei der Düngung kommen.“

Bis 2024 soll das Messstellennetz in Niedersachsen so ausgebaut werden, dass es die neuen Anforderungen erfüllt. Ziel sei eine höhere Messstellendichte, um ausreichend Messdaten für ein dann bundeseinheitliches Verfahren zur Verfügung stellen zu können.

Nach ersten Berechnungen der Länder wird sich die Gebietskulisse deutschlandweit bei Nitrat von derzeit rund 2,0 Millionen auf etwa 2,9 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche vergrößern. Dies entspricht einer Zunahme der Fläche der sogenannten Roten Gebiete von rund 45 Prozent. Nach der Binnendifferenzierung von 2020 hätten die Länder fast 3,5 Millionen Hektar als Rote Gebiete einstufen müssen. 

Neue Regeln für die Roten Gebiete vorgelegt.

Neue Regeln für die roten Gebiete vorgelegt.