In Mecklenburg-Vorpommern (MV) darf künftig auf 429.218 Hektar (32,03 % der Landwirtschaftsfläche) nur noch eingeschränkt gedüngt werden. Das sieht die neue Düngelandesverordnung 2022 vor, die jetzt offiziell verabschiedet. Bei der Vorstellung der neuen Verordnung sprach er sich auch gegen Überlegungen für einen am Verursacher ansetzenden und das Konzept der Roten Gebiete als ungerecht kritisierenden Ansatz aus, wie er beispielsweise von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) vorgeschlagen wird. Kritik an den Inhalten der Verordnung und dem vom Ministerium vollzogenen Beteiligungsverfahren kommt vom Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern, während der dortige BUND-Landesverband die Ergebnisse der neuen Verordnung begrüßt und eine weitere Verringerung der Stickstoffdüngung allgemein und besonders in Wasserschutzgebieten und auf Gewässerrandstreifen fordert.
Die Novellierung der Düngelandesverordnung sei unumgänglich gewesen, da die Europäische Kommission die Anforderungen an den Gewässerschutz (Oberflächen und Grundwasser) und damit den Druck auf die einzelnen Mitgliedsstaaten nochmals drastisch erhöht hatte, sagte Umwelt- und Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus in der Landespressekonferenz im Schweriner Schloss, wo er die Details der Verordnung vorstellte.
„Auch wenn ich mir bewusst bin, dass uns die Landwirte in MV heute keinen Beifall zollen werden, so kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass wir die Forderungen und Hinweise des Berufsstandes im Prozess umfassend berücksichtigt haben. Mitte Dezember hatten wir vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie kurzfristig die Meldung erhalten, dass die umfassend analysierten Nitratwerte für 2021 zur Verfügung stehen. Diese Werte stammen aus dem Landesmessnetz und sind derzeit die aktuellen Daten zur Nitratbelastung unseres Grundwassers, die in MV vom Landesdienst erhoben wurden. Diese Daten haben wir noch vor dem Jahreswechsel ausgewertet und in die Ausweisung der roten Gebiete eingespeist“, erklärte Minister Backhaus.
Gleichwohl wies er darauf hin, dass die Gesundung des Grundwassers nicht von heute auf morgen gelingen werde, denn Wasser habe ein langes Gedächtnis: „Umso wichtiger ist es, dass wir uns nicht an Begriffen wie Verursachergerechtigkeit festbeißen. Das ist aus meiner Sicht eine Scheindebatte, die zum einen darüber hinwegtäuscht, dass wir hier eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung tragen und die zum anderen suggeriert, als könnten die ‚wahren‘ Verursacher wirklich ausgemacht werden. Das ist mit Blick auf die flächenhaft diffusen Einträge schlichtweg unmöglich und dieses Prinzip wird bei der Gebietsfestlegung von der EU auch ganz klar abgelehnt. Hier zählt allein das Vorsorgeprinzip und alle sind gefordert, mitzuziehen“, führte er aus.
Ein am Verursacherprinzip ansetzenden Ansatz verfolgt beispielsweise die AbL. In einer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten heißt es im Juni 2022: „Es ist jetzt aus Sicht der AbL absolut dringend notwendig von dem System der Roten Gebiete wegzukommen und eine einzelbetriebliche, verursacherbezogene Betrachtung einzuführen. Durch die Roten Gebiete entstehen zwangsläufig immer Ungerechtigkeiten. Denn es werden auch jene Bäuerinnen und Bauern in „Mithaft“ genommen, die grundwasserschonend wirtschaften und vernünftig düngen, deren Betriebe, z.B. auf Grund der Bodenstruktur, aber innerhalb der Roten Gebiete liegen. Aus Sicht der AbL braucht es jetzt die konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips. Es braucht ein System, welches gezielt gesetzeswidrige Überschüsse adressiert und gleichzeitig alle anderen Betriebe von Restriktionen befreit. Zudem müssen Anreize für die Betriebe geschaffen werden, die Nährstoffüberschüsse über den gesetzlichen Mindeststandard hinaus zu reduzieren.“
Auch den Blick in andere Bundesländer lässt Minister Backhaus so nicht gelten: „Die Flächenumfänge sind nicht miteinander vergleichbar, weil zwei wesentliche Einflussfaktoren eben nur bei uns in MV zu Buche schlagen: Der hohe Anteil von Kulturen mit hohem Düngebedarf in enger Fruchtfolge, also Winterraps – Winterweizen – Mais, und die geringe Grundwasserneubildungsrate treiben bei uns die Nitratgehalte im Grundwasser hoch. Dass wir im Gegensatz zu bestimmten Regionen in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen nur eine geringe Viehdichte haben, hilft uns an dieser Stelle leider nicht.“
Backhaus weist darauf hin, dass in MV bei der Düngung künftig folgende Bestimmungen eingehalten werden müssen:
„In den nächsten Monaten wird die EU mit Argusaugen auf die neuen Regelungen und Maßnahmen der Länder schauen. Wir gehen davon aus, dass unsere Regelung Bestand haben wird, da wir die Vorgaben der EU sauber umgesetzt haben. Perspektivisch kommen wir aber nicht umhin, das Bundesdüngerecht grundsätzlich anzufassen. Aus meiner Sicht müssen wir weg von Nitratwerten im Grundwasser als ausschließliche Entscheidungsgrundlage. Es braucht ein neues System oder zumindest erst einmal eine Diskussion darüber, wie es noch gehen kann; diese Diskussion wurde auf Bundesebene noch nicht einmal begonnen“, kritisierte Backhaus.
Derzeit umfasse das in MV für die Gebietsausweisung verwendete Messstellennetz 824 Grundwassermessstellen und Rohwasserbrunnen, erklärte Backhaus. Davon seien 165 mit Nitrat belastet. Betroffen seien insgesamt 46 von 59 ganz oder teilweise in MV gelegenen Grundwasserkörpern. In 23 zu betrachtenden Grundwasserkörpern sind auch Wasserschutzgebiete von mit Nitrat belasteten Messstellen betroffen. Von den ca. 659 unbelasteten Messstellen könne unter Berücksichtigung des Nitratabbauvermögens auch nur bei 97 (das sind 14,8 %) einigermaßen gesichert davon ausgegangen werden, dass diese tatsächlich unbelastet sind.
„Die Nitratbelastung in unseren Gewässern ist demnach ein real existierendes Problem und keine Räuberpistole der Politik oder der Umweltverbände. Nitratbelastetes Wasser ist für Kinder und Erwachsene gleichermaßen gesundheitsschädlich und kann u.a. Auslöser für verschiedene Krebsarten sein. Der Nitratüberschuss kann ganze Ökosysteme nachhaltig beeinträchtigen. Hinzu kommt der Kostenfaktor: Um das Trinkwasser bei hohen Nitratwerten im Grundwasser sauber zu halten, müssen tiefere Brunnen gebohrt oder das Wasser aufwendig gefiltert werden. Die Kosten tragen die Abnehmer. Die Düngelandesverordnung ist eine wichtige Stellschraube, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Die Landwirte sind gefordert, die Maßnahmen konsequent umzusetzen“, sagte der Minister. „Es ist mir aber wichtig zu betonen, dass die Landwirtschaft hier nicht auf der Anklagebank sitzt. Für mich ist sie Teil der Lösung. Nur mit gemeinsamer Anstrengung wird es gelingen, die kostbare Ressource Grundwasser auch für nachfolgende Generationen in gutem Zustand zu erhalten“, so der Minister abschließend.
Bauernverband: Das System ist nicht mehr zu erklären
„Heute stellt Landwirtschaftsminister Backhaus der Presse die dritte Gebietsabgrenzung innerhalb von nur drei Jahren vor, die sich weiter auf eine fachlich nicht begründbare Methodik stützt und nach gutachterlicher Einschätzung Mängel ausweist“, stellt Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern mit Blick auf die Pressekonferenz von Minister Backhaus fest. Dabei entstehe der Eindruck willkürlicher Gebietsausweisungen, wenn landwirtschaftliche Flächen unter Berücksichtigung aller bisherigen Düngelandesverordnungen mal als nitratbelastet gelten und mal nicht.
„Wenn man eine verursachergerechte und möglichst genaue, dem Gewässerschutz zuträgliche Ausweisung vornehmen möchte, hilft ein derartiges zufälliges Ping-Pong-Spiel nicht“, so der Bauernpräsident. „Wir können unseren Landwirtinnen und Landwirten den Sinn dieses Systems schon lange nicht mehr erklären.“
Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern hat im November 2022 zum Entwurf der Neuausweisung der Roten Gebiete eine 18-seitige Stellungnahme abgegeben. Eine Reaktion seitens des Landwirtschaftsministeriums gebe es bis heute nicht. Kritisiert wird vom Bauerverband auch der Beteiligungsprozess. Eine in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung vorgesehene Mindestbeteiligungsfrist von sechs Wochen sei unterschritten worden.
BUND: Neue Verordnung geht nicht weit genug
Der Landesverband des BUND begrüßt die Ergebnisse der neuen Verordnung und fordert die weitere Verringerung der Stickstoffdüngung allgemein und besonders in Wasserschutzgebieten und auf Gewässerrandstreifen. „Wir begrüßen die Ergebnisse der neuen LDÜVO, denn das angewendete Ordnungsrecht ist ein wirksames Mittel zur Verringerung der Stickstoffeinträge in die Umwelt. Die Landwirte akzeptieren die Messergebnisse bzw. die Methodik nicht und der Landes-Bauernverband leugnet die Ergebnisse bzw. den berechneten Trend bei der Nitratbelastung des Grundwassers in den Regionen. Die Reduktion der Stickstoff-Düngung in den Roten Gebieten ist ein erster Schritt in die richtige Richtung“, erklärt Dr. B. Roloff, Agrarexperte des BUND.
Es sei keine Räuberpistole des Landwirtschaftsministers: „Wir haben zu viel Stickstoff im Grundwasser, den Seen und Flüssen und unseren Meeren. Im Mittel der Jahre 2012 bis 2016 wurden rund 466 000 Tonnen Stickstoff pro Jahr in die deutschen Oberflächengewässer eingetragen. Mehr als 74 % dieser Einträge stammte aus landwirtschaftlich genutzten Flächen. Überschüssiger Stickstoff aus der Landwirtschaft gelangt als Nitrat in Grund- und Oberflächengewässer und als Ammoniak und Lachgas in die Luft Die Folgen sind nitratverseuchtes Grund- und Trinkwasser, Nährstoffüberschüsse (Eutrophierung) in den Gewässern, und Todeszonen in der Ostsee ohne marines Leben“, so Roloff.
Aber die neue Verordnung geht dem BUND nicht weit genug. Erforderlich sei deutlich weniger Stickstoff auf den Äckern und dem Grünland und ein totales Verbot von chemisch-synthetischem Stickstoff in den Schutzgebieten, vor allem auch in den Wasserschutzgebieten. Gleichzeitig sollten auch die Gewässerrandstreifen nicht gedüngt und gespritzt werden.
Kurzfristig helfe weniger Stickstoff düngen, also die Flächen zu extensivieren, und langfristig sollten alle Schutz- und die Wasserschutzgebiete auf Ökolandbau umgestellt bzw. aufgeforstet werden. „Denn der Ökolandbau ist beim Gewässer- und Grundwasserschutz der konventionellen Landwirtschaft überlegen. Erfolgreichen Wasserversorgern, wie den Wasserwerken Leipzig oder München dient der Ökolandbau seit Jahren beim vorbeugenden Grund- bzw. Trinkwasserschutz. Die langjährigen Ergebnisse sind Nitrat-Werte deutlich unter 50mg Nitrat/l, geringere Kosten bei der Trinkwasser-Aufbereitung und Trinkwasser von sehr guter Qualität“, sagt Roloff abschließend.