Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat geurteilt, dass die Bayerische Ausführungsverordnung zur Düngeverordnung mit den „Roten Gebieten“ unwirksam ist. Die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die Bayerische Ausführungsverordnung, § 13a Abs. 1 DüV, genüge mangels hinreichender Regelungsdichte nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundrechts auf Eigentum und der Berufsfreiheit. Für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ist die Bundesregierung jetzt gefordert, das Düngegesetz zügig auf Basis einer einzelbetrieblichen Bilanzierung mit wirksamen Anreizen weiterzuentwickeln. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wertet die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als deutliches Signal, klare, rechtssichere Regelungen zum Schutz des Grundwassers vor übermäßiger Nitratbelastung zu schaffen, wozu auch eine transparente Stoffstrombilanz gehöre. Der BUND Naturschutz Bayern fordert eine konsequente Anwendung des Verursacherprinzips, wie sie mit der abgeschafften Stoffstrombilanz möglich gewesen sei.
AbL: Verursachergerechtigkeit schaffen
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts am 24. Oktober bringt nach Ansicht der AbL eine weitere wichtige Entwicklung in der deutschen Düngepolitik. Die Richter erklärten die bayerische Ausführungsverordnung (AVDüV) zur Ausweisung der „Roten und Gelben Gebiete“ für unwirksam. Damit könnte das bisherige System der gebietsbezogenen Düngeregeln bundesweit auf den Prüfstand gestellt werden.
Mit der Abschaffung der Stoffstrombilanzverordnung (StoffBilV) und der Unsicherheit in den „Roten Gebiete“ entsteht nach Ansicht der AbL nun eine Regelungslücke in einem Bereich, in dem Deutschland gegenüber der EU zu klaren Fortschritten verpflichtet ist. Es bestehe dringender Handlungsbedarf: Die Bundesregierung müsse jetzt ein wirksames Instrument einführen, um Nährstoffüberschüsse betriebsgenau zu erfassen und gezielt zu reduzieren. Deutschland brauche endlich eine effektive Düngepolitik, die Umweltziele mit der landwirtschaftlichen Praxis in Einklang bringt für eine Zukunftsfähige Landwirtschaft.
Martin Schulz, Landwirt aus Niedersachsen und AbL-Bundesvorsitzender, betont: „Das Urteil darf nicht zu weiterer Unklarheit und einer Abschwächung der Düngepolitik führen. Das wird uns sonst schnell auf die Füße fallen. Gleichzeitig ist es dringend erforderlich, den Bürokratieaufwand so gering wie möglich zu halten, indem Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten reduziert werden. Die Bundesregierung muss das Düngegesetz jetzt zügig weiterentwickeln auf Basis einer einzelbetrieblichen Bilanzierung mit wirksamen Anreizen. Nur so können wir Verursachergerechtigkeit schaffen und echte Fortschritte beim Klima- und Wasserschutz erreichen.“
Die Düngepolitik darf nach Ansicht der AbL nicht zu zusätzlichem bürokratischen Aufwand führen, sondern zu einer schlanken und gerechten Düngepolitik, wie es die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZkL) empfohlen hat. Eine solche Bilanzierung sollte mit einer Reduzierung der Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten verbunden sein und klare Anreize für effizientes Nährstoffmanagement schaffen, etwa durch ein faires Belohnungs- und Steuerungssystem mit langfristiger Perspektive. Zur Wirksamkeit des Instruments bedarf es ergänzend betrieblicher Unterstützung, fachlicher Beratung und regelmäßiger Bodenuntersuchungen, um eine praxisnahe und wirkungsvolle Umsetzung sicherzustellen.
Für Klima- und Wasserschutz muss die Überdüngung in Deutschland dringend angegangen werden, und die einzelbetriebliche Bilanzierung ist der Weg nach vorn, heißt es bei der AbL.
Auch für die Verursachergerechtigkeit ist dies entscheidend, da viele Landwirt:innen seit Jahren die pauschale Ausweisung der „Roten Gebiete“ als ungerecht kritisieren. Zudem gilt eine betriebsbezogene Stickstoffbilanz aus wissenschaftlicher Sicht als das wirksamste Instrument, um Nährstoffüberschüsse zu reduzieren und die Wasserqualität dauerhaft zu verbessern.
BN: Verursacherprinzip konsequent anwenden
Der BUND Naturschutz in Bayern (BN) warnt anlässlich des Gerichtsurteils vor einer zunehmenden Gefährdung des Trinkwassers durch zu hohe Nitratwerte in Bayerns Böden. „Wir haben eine unzureichende Düngegesetzgebung, die zu Frust bei den Landwirten führt und gleichzeitig das Trinkwasser gefährdet. Dass die Kläger jetzt recht bekommen haben, zeigt die Schwächen des Systems. Wir brauchen endlich klare und wirksame Regeln zum Schutz unseres Wassers!“, erklärt der BN-Vorsitzende Richard Mergner.
Laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt befinden sich im Freistaat aktuell 56 von 260 ausgewiesenen Grundwasserkörpern hinsichtlich der Nitratwerte in einem schlechten chemischen Zustand - dies entspricht fast einem Drittel der Landesfläche.
Besonders kritisch bewertet der BN die Abschaffung der Stoffstrombilanz durch Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer im Sommer. „Die Stoffstrombilanz war das zentrale Instrument, um Nährstoffflüsse in den Betrieben transparent zu machen und übermäßige Düngung frühzeitig zu erkennen. Sie einfach abzuschaffen, war der Sündenfall schlechthin!“, betont der BN-Landesbeauftragte Martin Geilhufe.
Der BN fordert, das Verursacherprinzip wieder konsequent anzuwenden: „Anstatt sich nur auf ein lückenhaftes Messstellensystem zu verlassen, sollte man wieder direkt bei den Betrieben ansetzen. Die allermeisten Betriebe arbeiten unproblematisch und brauchen keine weiteren Auflagen. Aber wir müssen gezielt die Nitratquellen identifizieren, die unser Trinkwasser gefährden“, so Geilhufe abschließend.
BDEW: konsequente Bilanzierung durch transparente Stoffstrombilanz
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht in der Entscheidung des Gerichts ein deutliches Signal für die Notwendigkeit klarer, rechtssicherer Regelungen zum Schutz des Grundwassers vor übermäßiger Nitratbelastung. Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser, erklärt dazu: „Das Urteil zeigt, wie wichtig es ist, dass die Vorgaben für die Ausweisung von sogenannten „roten Gebieten mit hoher Nitratbelastung rechtlich klar geregelt werden. Nur so können wir den Eintrag von Nitraten aus der Landwirtschaft wirksam reduzieren und die Belastung des Grundwassers unter dem EU-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter halten. Das Bundesverwaltungsrecht hat die Notwendigkeit zur Reduzierung von Nitrateinträgen nicht in Frage gestellt, sondern eine klare und nachvollziehbare Umsetzung eingefordert. Dazu gehört auch eine konsequente Bilanzierung von Nährstoffeinträgen und -austrägen in den Betrieben im Sinne einer transparenten Stoffstrombilanz. Mit rechtsklaren, nachhaltigen und überprüfbaren Maßnahmen lässt sich der Grundwasserschutz dauerhaft sichern – und teure technische Aufbereitungsverfahren können vermieden werden, wenn der Eintrag von Nitraten von vornherein reduziert wird.“
