UBA: Mehrwertsteuer ökologisch und sozial gestalten - Null Prozent auf pflanzliche Grundnahrungsmittel

Das Umweltbundesamt (UBA) schlägt vor, die Mehrwertsteuer stärker an ökologischen und sozialen Kriterien auszurichten. Kern des „Entlastungspaket Klima und Umwelt“ ist es, pflanzliche Grundnahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Getreideerzeugnisse und pflanzliche Öle und den öffentlichen Personenverkehr ganz von der Mehrwertsteuer zu befreien. Dies entlastet die privaten Haushalte um rund sechs Milliarden Euro jährlich. Außerdem sollen Solaranlagen von der Mehrwertsteuer befreit werden, Heizungsoptimierungen sowie Reparaturen mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 statt 19 Prozent begünstigt werden. Der WWF begrüßt die UBA-Vorschläge, hält zur Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung aber eine Tierwohlabgabe für zielgerichteter. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Prof. Marcel Fratzscher, bezeichnete die UBA-Forderung gegenüber dem Handelsblatt als „sozial klug und ökonomisch vertretbar“. Vor allem Menschen mit geringem Einkommen würden von einer Mehrwertsteuerbefreiung bei der Grundversorgung profitieren. Auch Hamburgs Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina (Grüne) fordert eine Mehrwertsteuerbefreiung bei bestimmten Nahrungsmitteln. Einen entsprechenden Vorstoß will sie auf der Verbraucherschutzministerkonferenz in dieser Woche in Weimar unternehmen.

Zum UBA-Vorschlag erklärt dessen Präsident Dirk Messner: „Was umweltfreundlich ist, sollte günstiger werden, was umweltschädlich ist, darf der der Staat nicht länger mit zu niedrigen Steuern subventionieren. Unser Entlastungspaket Klima und Umwelt hat die stark gestiegenen Lebensmittelpreise und Mobilitätskosten im Blick. Es sorgt sofort für eine Entlastung in den Haushaltskassen und schützt gleichzeitig die Umwelt.“

Die Mehrwertsteuer ist in Deutschland laut UBA durch einen Wildwuchs an Einzelregelungen gekennzeichnet. Ökologische Belange werden nicht berücksichtigt, soziale Belange nur zum Teil. Einige Regelungen fördern sogar umweltschädliche Konsumweisen. Zum Beispiel ist nach Ansicht des UBA die ermäßigte Mehrwertsteuer auf tierische Produkte eine umweltschädliche Subvention, weil damit umweltschädliche Produkte begünstigt werden.

Durch eine Mehrwertsteuerbefreiung für pflanzliche Grundnahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Getreideerzeugnisse und pflanzliche Öle würden die privaten Haushalte nach einer ersten Schätzung mit rund 4 Milliarden Euro jährlich entlastet. Haushalte mit niedrigen Einkommen profitieren davon relativ am stärksten. Zudem würde dies auch Menschen helfen, die von den beiden bisherigen Entlastungspaketen relativ wenig begünstigt wurden, etwa Rentnerinnen und Rentner mit niedrigen Einkommen. ⁠UBA⁠-Präsident Dirk Messner: „Die Mehrwertsteuerbefreiung für pflanzliche Grundnahrungsmittel wirkt dem hohen Preisanstieg bei Lebensmitteln entgegen. Sie sollte so schnell wie möglich umgesetzt werden, denn eine gesunde und gleichzeitig klimafreundliche Ernährung sollte sich in Deutschland jede und jeder leisten können.“

Sinnvoll sind nach Ansicht des UBA auch eine Mehrwertsteuerbefreiung für den öffentlichen Verkehr sowie steuerliche Vergünstigungen für Klimaschutzmaßnahmen.

Im Gegenzug für diese zahlreichen Vergünstigungen sollte zu einem späteren Zeitpunkt die Subventionierung umwelt- und klimaschädlicher Produkte schrittweise entfallen. Dies betrifft laut UBA insbesondere die ermäßigte Mehrwertsteuer von sieben Prozent für Fleisch und andere tierische Produkte, die künftig mit den regulären 19 Prozent besteuert würden. Pflanzliche Produkte haben laut UBA gegenüber tierischen Produkten nur einen Bruchteil des Klima-Fußabdrucks: So würden für ein Kilo Rindfleisch sieben bis 28 Kilogramm Treibhausgase ausgestoßen, für ein Kilo Gemüse weniger als ein Kilogramm. Dirk Messner: „In Deutschland gehen zwei Drittel der Treibhausgasemissionen unserer Ernährung auf den Konsum von Fleisch, Wurst und Milchprodukten zurück. Wenn wir weniger tierische Produkte verzehren, hilft das direkt dem Klima. Da die Preise für tierische Produkte derzeit aber stark steigen, wäre es aus sozialen Gründen geboten, diese Steueranpassung erst später nachzuziehen – und die Verbraucherinnen und Verbraucher zunächst durch günstigeres Brot, Obst und Gemüse schnell zu entlasten.“ Für tierische Produkte mit Ökozertifizierung wäre zu prüfen, ob die Privilegierung beibehalten werden kann.

Das Reformpaket des UBA berücksichtigt die Novellierung der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie aus dem April 2022. Sie gibt den EU-Mitgliedstaaten größere Handlungsspielräume, die Mehrwertsteuer unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten zu gestalten. Die Vorschläge zur nationalen Reform der Mehrwertsteuer bauen auf einer Studie des Öko-Instituts auf, die im Auftrag des UBA durchgeführt wurde, allerdings vor der Novellierung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie fertiggestellt wurde.