Repräsentative Umfrage: Deutliche Mehrheit befürwortet Kennzeichnung und Risikoprüfung von „neuer“ Gentechnik

Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen spricht sich dafür aus, dass mithilfe „neuer“ Gentechnik hergestellte Lebensmittel geprüft und gekennzeichnet werden müssen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag der Verbraucherorganisation foodwatch. Demnach sprachen sich 96 Prozent der Befragten für eine Sicherheitsüberprüfung von Pflanzen aus, die mit neuen Verfahren gentechnisch verändert wurden. 92 Prozent sind der Meinung, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden müssen - unabhängig davon, ob neue Verfahren oder klassische Gentechnik angewendet wurde. foodwatch bezeichnete die Ergebnisse als deutliches Signal an Bundesernährungsminister Cem Özdemir, sich in Brüssel für eine lückenlose Gentechnik-Kennzeichnung einzusetzen. Für den Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), Alexander Hissting, kann es jetzt keinen Zweifel mehr geben: Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir muss die aktuellen Pläne der EU-Kommission stoppen.

„Die Bürger:innen wollen wissen, was sie essen: Eine überwältigende Mehrheit sagt klar Nein zu Gentechnik ohne Kennzeichnung und Sicherheitsprüfung. Cem Özdemir darf sich nicht den Interessen der Agrarlobby beugen, sondern muss sich in Brüssel für Umwelt- und Verbraucherschutz starkmachen!“, erklärte Manuel Wiemann von foodwatch.

Auch FDP-Anhänger:innen für Risikoprüfung

Die EU-Kommission plant eine Deregulierung des Gentechnikrechts. Sie will die so genannten Neuen Genomischen Techniken (NGT) ohne Kennzeichnung und Sicherheitsüberprüfung erlauben. Bisher hat sich die Bundesregierung noch nicht eindeutig zum Gesetzesvorschlag der EU-Kommission positioniert. Während sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke für die Kennzeichnung und Prüfung von “neuer” Gentechnik ausgesprochen hat, stimmt die FDP den Plänen der Kommission zu. Dabei zeigt die Umfrage: Auch 94 Prozent der befragten FDP-Anhänger:innen wünschen sich eine Risikoprüfung und 85 Prozent eine Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln.

Die Kommission erhofft sich durch die neuen Gentechnikverfahren unter anderem, dass sich der Einsatz von Pestiziden auf den Feldern reduzieren lässt. foodwatch hält dieses Versprechen für illusorisch. Es drohe das genaue Gegenteil: In Ländern mit hohem Anteil an gentechnisch veränderten Pflanzen ist in den 25 Jahren seit deren Einführung keinerlei Pestizidreduktion erzielt worden. In Brasilien beispielsweise hat sich der Pestizidabsatz in den letzten 20 Jahren mehr als vervierfacht. 

“Von der Lockerung des Gentechnikrechts profitieren große Agrarkonzerne wie Bayer & Co., Verlierer sind die biologische Vielfalt, Verbraucher:innen und Bäuer:innen“, so Manuel Wiemann. Großkonzerne könnten die neue Gentechnik nutzen, um Saatgut über Patente zu kontrollieren und die landwirtschaftlichen Betriebe von ihnen abhängig zu machen. Dies führe zu einer höheren genetischen Uniformität – was wiederum einen höheren Pestizideinsatz zur Folge habe, warnte foodwatch.

foodwatch gab zu bedenken, dass aktuell zwar eine Aufweichung des Verbraucherschutzes diskutiert werde, der Großteil der Verbraucher:innen sich jedoch sogar eine Verschärfung im Gentechnik-Recht wünsche: 87 Prozent der Befragten befürworten eine Kennzeichnung von Tierprodukten, bei denen die Tiere mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert wurden. Aktuell erfahren Verbraucher:innen beim Einkauf nicht, ob Fleisch, Milch oder Eier von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden.

Mehr als 60.000 Menschen haben eine foodwatch-Petition für ein klares "Nein" zu Gentechnik ohne Kennzeichnung an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke unterstützt.

VLOG: Özdemir muss Gentechnik-Pläne der EU-Kommission stoppen

„Eindeutiger kann es nicht sein. Fast alle Menschen in Deutschland wollen Kennzeichnung und Risikoprüfung für ‚neue‘ Gentechnik genauso wie für ‚alte‘. Jetzt kann es keinen Zweifel mehr geben: Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir muss die aktuellen Pläne der EU-Kommission stoppen, die Kennzeichnung und Risikoprüfung für den größten Teil neuer Gentechnik-Verfahren wie CRISPR abschaffen will“, so VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting.

„Cem Özdemir will nach eigenem Bekunden zur Gentechnik-Frage eine gemeinsame Position entwickeln, in der sich Anhänger aller Ampelparteien wiederfinden können. Die Umfrageergebnisse zeigen klar: Verpflichtende Kennzeichnung und Risikoprüfung fordern die Deutschen über alle Parteigrenzen hinweg. Ohne fundamentale ,Nachbesserungen‘ am Entwurf der EU-Kommission kann die Antwort der Bundesregierung nur ‚Nein‘ zu den Deregulierungsplänen lauten“, erklärt Hissting.

Mehrheit will Gentechnik-Gesetze verschärfen statt aufweichen

Auch die hohe Zustimmung zu einer Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel von Tieren, die mit gentechnisch verändertem Futter ernährt wurden, ist nach Ansicht von Hissting bemerkenswert. Eine solche Kennzeichnung gibt es bisher nicht. Eine deutliche Mehrheit wünsche sich also sogar eine Verschärfung statt Aufweichung der Gentechnik-Gesetze. Immerhin schließt das „Ohne GenTechnik“-Siegel des VLOG bereits jetzt diese „Kennzeichnungslücke“: Bei damit gesiegelten Produkten kommt kein Gentechnik-Tierfutter zum Einsatz.

26.09.2023
Von: FebL/PM

Fast alle wollen Kennzeichnung und Risikoprüfung für neue Gentechnik. Grafik: VLOG, Quelle: forsa-Umfrage