Preisführerschaft bei Schweinen ade

Lange Zeit glaubten Agrarökonomen, dass die deutsche Schweinehaltung sich vor allem am weltweiten Wettbewerb zu orientieren hat. Auch bei Verbandsvertretern und Beratern war die Kostenführerschaft auf dem globalen Markt das Ziel. Jetzt rudern viele zurück. Für die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) ist die Kostenführerschaft nicht mal in Europa anzustreben. „Gegen die Spanier und Holländer können wir nicht gewinnen.“ Das zeigen auch die aktuellen Importe von Schweineteilen, gegen die selbst mit Billigangeboten nicht zu bestehen ist. Obwohl Deutschland aktuell zu den Ländern mit dem niedrigsten Preis in der EU gehört, ist die Angst vor den westlichen Nachbarn groß, dass sie uns trotzdem weitere Märkte wegnehmen – nicht nur in China und Fernost. Spanien hat längst Deutschland als EU-Spitzenexporteur abgelöst. Zugleich bleibt Brasilien auf Expansionskurs und steigert die Ausfuhr in 2021 um 10%. Auch die USA hat ihre Schweineproduktion in den letzten vier Jahren um 20% erhöht – für den Export. Natürlich hängt alles vom China-Markt ab, um den sich alle streiten. Immerhin produziert und konsumiert das Reich der Mitte 40-45% des weltweiten Schweinefleisches. Und auch ca. 40% der Handelsmengen gehen dorthin. Aber nach Abklingen der Schweineseuche hat China seine eigene Produktion wieder aufgebaut und zahlt inzwischen viel schlechtere Preise als im Vorjahr. Es ist wieder wie vor ein paar Jahren. Auf dem Weltmarkt zählt vor allem der Preis. Die internationale Arbeitsgruppe InterPIG hat für 2019 die Produktionskosten in Schweinebetrieben berechnet. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass in den USA, Brasilien und Kanada der Kostpreis für Schweine bei 1,00 bis 1,06 €/kg liegt. Spanien und Dänemark produzieren für ca. 1,40 €/kg. In Deutschland, Niederlande und Großbritannien liegen die Kosten bei ca. 1,55 €/kg. Die Kostenvorteile liegen in den Spitzenstaaten in allen Bereichen – vom Futter über die Arbeits- und Finanzierungskosten bis zu den allgemeinen (bürokratischen) Produktionsnebenkosten. Unabhängig davon, dass aktuell überall die Herstellungspreise durch Futter- und Energiepreise mehr oder weniger stark gestiegen sind, lässt sich leicht ersehen, dass die deutsche Schweinehaltung auf dem internationalen Markt nicht wettbewerbsfähig ist. Wie sagt der ehemalige DBV-Veredelungspräsident Möllers (Verfechter der „Veredelungsoffensive“ in den 2000er Jahren) heute: „Wir sind nicht die, die Preisführer sein werden. Wir müssen andere Ziele nach vorn stellen. Das fällt mir persönlich zuzugeben auch etwas schwer. In meiner aktiven Zeit dachte ich, wir seien Weltmeister in der Produktion und wenn die Vermarktungsstrukturen stimmen, seien wir unschlagbar. Das sehe ich heute etwas anders.“ Recht hat er (diesmal) – meint der Marktbeobachter.
01.11.2021
Von: hg

Die Hoffnung auf "goldene Zeiten" durch weltweite Kostenführerschaft in der Schweinehaltung verblasst und erweist sich als Illusion. Foto: Archiv/pixabay