Mehr Artenvielfalt auf Grünlandflächen durch kraftfutterreduzierte Milchviehhaltung

Die Artenvielfalt auf Grünlandflächen lässt sich durch kraftfutterreduzierte, grünlandbetonte Milchviehhaltung verbessern. Das zeigt ein vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) gefördertes Forschungsprojekt des Kasseler Instituts für ländliche Entwicklung e. V. und der Georg-August-Universität Göttingen. Von dem Produktionssystem profitiert nicht nur die Biodiversität, für die Betriebe ergeben sich auch ökonomische Vorteile.

Milchviehbetriebe bewirtschaften hierzulande einen Großteil der Dauergrünlandflächen, auf denen rund 40 Prozent der in Deutschland gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen schwerpunktmäßig vorkommen. Wie diese Flächen genutzt werden, hat daher entscheidenden Einfluss auf die Erhaltung der Artenvielfalt. Die zunehmende Intensivierung der Milcherzeugung hat dazu geführt, dass sich die Biodiversität im Grünland seit Jahren verschlechtert hat.

BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm: „Ein Forschungsprojekt zeigt jetzt: Die Biodiversität im Grünland lässt sich verbessern, wenn die Milchviehwirtschaft auf Produktionssysteme setzt, die mit weniger Kraftfutter auskommen und auf eine stärker grünlandbasierte Fütterungsstrategie setzen. Diese Strategie ist nicht nur wirtschaftlich und zukunftsfähig. Sie kann zudem einen wichtigen Anstoß zur ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Transformation der Milcherzeugung geben. Genau diesen grundlegenden Wandel gilt es konsequent zu fördern.“

Die Kasseler und Göttinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten in einem Dreijahres-Forschungsprojekt, ob die kraftfutterreduzierte Milcherzeugung ein möglicher Ansatz ist, die Grünlandbiodiversität zu erhalten und zu verbessern und der gleichzeitig für Milchviehbetriebe wirtschaftlich tragfähig ist: Statt ganzjähriger Stallhaltung der Milchkühe und erhöhtem Einsatz von Kraftfutter setzen Betriebe bei der kraftfutterreduzierten Produktionsweise auf eine vielfältige Grünlandnutzung und Beweidung als hauptsächliche Futtergrundlage für die Tiere. Im Projekt wurde die Pflanzenartenvielfalt auf Dauergrünlandflächen von Milchviehbetrieben mit sehr geringem Kraftfuttereinsatz mit der Artenvielfalt auf Grünlandflächen von Betrieben verglichen, die herkömmliche Kraftfuttermengen einsetzen. Zudem erfolgte eine sozioökonomische Analyse der Wirtschaftlichkeit kraftfutterreduzierter Milchviehhaltung sowohl von konventionell als auch von ökologisch wirtschaftenden Betrieben im Vergleich zur heute vorherrschenden herkömmlichen Art der Milchviehhaltung.

Die Ergebnisse sind eindeutig: Auf den Grünlandflächen der kraftfutterreduziert wirtschaftenden Milchviehbetriebe war die quantitative und qualitative Pflanzenartenvielfalt signifikant höher als bei den Vergleichsbetrieben in Nachbarschaft mit herkömmlicher Fütterungsstrategie. Da das Grünland die verschiedenen Futteransprüche aller an der Milcherzeugung beteiligten Rinder erfüllen muss, erfolgt die Grünlandnutzung sehr vielseitig. So werden Wiesen, Weiden und Mähweiden unterschiedlich intensiv bewirtschaftet – mit positiven Folgen für die Artenvielfalt. Außerdem stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass die kraftfutterreduzierte Milcherzeugung eine bessere Wirtschaftlichkeit aufweist: Die Betriebe arbeiten ressourceneffizienter und haben geringere Produktionskosten pro Kuh und pro Kilogramm Milch. Da die Nutzung des Dauergrünlands als Hauptfutterquelle zu längeren Weide- und kürzeren Stallzeiten führt, wird deutlich weniger Futter zugekauft und weniger Ackerfutter wie z. B. Mais angebaut. Es werden weniger externe Ressourcen verbraucht und durch die geringeren Ausgaben für mineralischen Dünger, Pflanzenschutzmittel, Energie und Zukauffuttermittel sind die Milcherzeugungskosten deutlich reduziert und der Gewinn pro Kilogramm Milch steigt.

Weniger zugekauftes Kraftfutter, das eine der wichtigsten Quellen für Stickstoff- und Phosphatüberschüsse ist, weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel bedeuten auch weniger schädliche Umweltauswirkungen. Damit entspricht die kraftfutterreduzierte Milcherzeugung auch den Forderungen der Europäischen Union (EU) im Rahmen ihrer „Farm-to-fork“-Strategie, die im Frühjahr 2020 im Europäischen Green Deal verankert wurde: Landwirtschaftliche Betriebe sollen schneller eine umweltgerechte und die Erhaltung der Biodiversität sichernde Landbewirtschaftung und Tierhaltung umsetzen.

Die von Karin Jürgens, Katharina Bettin, Johannes Isselstein, Frieder Thomas und Onno Poppinga verfassten Forschungsergebnisse sind in der Schriftenreihe des BfN erschienen und können hier runtergeladen werden.