In einem gemeinsamen
Aufruf setzen sich Organisationen aus den Bereichen Wissenschaft, Landwirtschaft, Imkerei und Umweltschutz kritisch mit einem umstrittenen Bericht der EU-Kommission zum Einsatz Neuer Gentechnik bei Pflanzen und Tieren auseinander. Sie bemängeln, dass der Bericht der Kommission die Risiken für Mensch und Umwelt nicht ausreichend berücksichtigt und damit zu politischen Entscheidungen führen könne, die das Vorsorgeprinzip beschädigen.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die Aurelia Stiftung, das Gen-ethische Netzwerk (GeN), die Gesellschaft für ökologische Forschung (GöF), die Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut), Save our Seeds! (SOS) und Testbiotech fordern eine strikte Regulierung der Neuen Gentechnik. Ihr Aufruf „Die Gen-Schere regulieren!“ adressiert Anwendungen der Neuen Gentechnik wie der Gen-Schere CRISPR/Cas, mit denen die biologischen Eigenschaften von Pflanzen und Tieren tiefgreifend verändert werden können, ohne dass dafür artfremde Gene eingeführt werden müssen. Die Organisationen fordern, dass alle aus diesen Anwendungen resultierenden Organismen auch in Zukunft dem Gentechnikgesetz unterliegen müssen.
„Wird bei Pflanzen mit Hilfe der Neuen Gentechnik beispielsweise der Ölgehalt und die Ölqualität verändert, kann das auch Folgen für die Bestäuber und Nahrungsnetze haben. Die möglichen Auswirkungen auf Insekten wie Bienen müssen daher eingehend untersucht werden“, erklärt Bernd Rodekohr von der Aurelia Stiftung, die sich insbesondere um den Schutz von Honigbienen kümmert.
Die Organisationen weisen darauf hin, dass es nach wissenschaftlichen Kriterien nicht möglich ist, bestimmte Anwendungen der Neuen Gentechnik pauschal für sicher zu erklären. Wie groß die Risiken bestimmter Organismen für Mensch und Umwelt tatsächlich sind, kann erst nach einer eingehenden Prüfung entschieden werden – nicht aber vorab oder nur aufgrund von beabsichtigten Eigenschaften der Gentechnik-Organismen, wie der Bericht der EU-Kommission nahelegt.
„Die Neue Gentechnik hat ein hohes technisches Eingriffspotential, die Risiken sind oft komplex und mögliche Schäden können erst nach langer Zeit offensichtlich werden. Deswegen muss aus der Sicht der Landwirtschaft jetzt das Vorsorgeprinzip gestärkt werden“, sagt Annemarie Volling von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Neben den beabsichtigten Veränderungen und den gewollten Eigenschaften müssen auch die ungewollten Effekte aus den mehrstufigen Verfahren der Neuen Gentechnik berücksichtigt werden.“
Trotz vieler Fakten und Befunde, die die Notwendigkeit für eine eingehende Risikoprüfung zeigen, scheint die EU-Kommission zu erwägen, für viele Pflanzen und Tiere die Auflagen für eine verpflichtende Zulassungsprüfung und Kennzeichnung abzuschwächen oder ganz aufzuheben. Entsprechende Pflanzen und Tiere könnten sogar der konventionellen Züchtung völlig gleichgestellt werden. Ungewollte Auswirkungen, die durch die Verfahren der gentechnischen Veränderungen ausgelöst werden, würden dann gar nicht erst untersucht. Dies entspräche den extremen Forderungen von AkteurInnen aus Industrie und industrienaher Forschung. Die Organisationen warnen gemeinsam davor, dass eine Umsetzung dieser Pläne unvermeidlich zu einer erheblichen Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt führen würde.
„Es kommt nicht nur darauf an, offensichtlich gefährliche Anwendungen der Neuen Gentechnik wie Gene Drives aus der Umwelt zu verbannen. Vielmehr müssen wir auch verhindern, dass jetzt scheinbar weniger gefährliche Formen der Gentechnik zu einer allgegenwärtigen Bedrohung auf den Äckern werden“, warnt Benny Haerlin von der Organisation Save our Seeds!.