Biomilchpreis weiter zu niedrig, Anstieg beim konventionellen Preis – ein Paradigmenwechsel?

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Man mag es kaum glauben. Gute Nachrichten vom konventionellen Milchmarkt reißen aktuell nicht ab. Milch ist knapp und gesucht – auf dem heimischen, auf dem europäischen und auf dem Weltmarkt. Meldungen mit hohen, ja teilweise sogar Rekordwerten reihen sich aneinander. Und so langsam kommt auch etwas bei den Milchviehhaltern an. Im Oktober steigen die Auszahlungspreise in allen Regionen – mit deutlichen Vorteilen für die Nordmolkereien. Nachdem im ersten Halbjahr wie üblich die Milchwerke in Bayern und Baden-Württemberg vorn lagen, haben nun die Molkereien in Schleswig-Holstein und Niedersachsen wie in den „goldenen Zeiten 2022“ die Führung übernommen.

Milchpreis rauscht nach oben

Begründet wird die allgemeine Zuversicht mit der großen Nachfrage vor allem nach Milchfett. Butter ist bereits seit einigen Monaten weltweit und inzwischen auch in Deutschland im Rekordmodus angekommen. Beim Discounter sind die Preise in Jahresfrist um über 70% auf 2,39 €/250 g Päckchen gesprungen und der LEH zog nach. Die Butter bekannter Marken liegt noch deutlich darüber (Meggle, Weihenstephan 3,39 € und mehr). Man muss aber beachten, dass der Butterpreis in Deutschland deutlich über den Nachbarländern liegt. Außerdem wird ein sehr großer Verkaufsanteil in Aktionen „verscherbelt“. Sollten diese Rabatte, wie einige Molkereien mit Lieferproblemen verlangen, zurückgefahren werden, ist ein Absatzeinbruch nicht auszuschließen. Marktkenner argumentieren, dass hierzulande der Rückstand zur Vorjahresproduktion besonders ausgeprägt ist. Schließlich ist Deutschland der mit Abstand größte Butterproduzent der EU. Auch Sahne wird zurzeit mit einem Höchstwert von 10 €/kg im Großhandel bewertet und bei Käse steht der Anstieg noch bevor.

Gute Aussichten

Marktexperten gehen davon aus, dass diese Hausse noch einige Monate anhalten könnte, auch wenn nach Weihnachten der Verbrauch zurückgehen sollte. Der Rohstoffwert der Milch, ein vom Kieler Institut regelmäßig errechneter Wert aus den zukünftig erwarteten Verkaufspreisen von Butter und Magermilchpulver – den wertgebenden Stoffen der Milch - steigt im Dezember auf 55 ct/kg und flacht auch im ersten Halbjahr 2025 nur auf 52 Cent ab. Der Spotmilchpreis, zu dem sich Molkereien untereinander Milch verkaufen, ist inzwischen auf über 60 Cent gestiegen. Das ist immer ein Zeichen, dass die Milch am Markt knapp ist. Gegenüber dem Vorjahr sinkt die Anlieferung um ca. 1,5 bis 2% - auch in wichtigen europäischen Märkten wie Irland. Niederlande verfehlt die Vorjahresmenge noch stärker. Wieweit die Blauzungenkrankheit dazu beigetragen hat und wie sie sich in Zukunft auswirkt, ist kaum zu beziffern. Jedenfalls trifft es die norddeutschen Regionen stärker als den Süden.

Auszahlungspreise folgen zeitverzögert

Diese Entwicklung kommt zeitverzögert bei den Auszahlungspreisen der Landwirte an. Im ersten Halbjahr befand sich der Durchschnittswert bei 44,7 ct/kg, im Oktober ist er bei ca. 49,5 ct/kg angelangt. In der Rangliste sind laut Milchpreisbarometer von top agrar wieder wie 2022 die norddeutschen Molkereien vorn - mit Ammerland (Niedersachsen) an der Spitze mit 54 ct/kg im Oktober. Viele Molkereien zahlen über 50 Cent, während der größte Konzern, das Deutsche Milchkontor (DMK) noch bei 48 ct/kg zurückbleibt. Im Westen stieg er auch um 1-2 Cent an, bleibt aber unter dem Norden. Die DMK will eigentlich mit einer guten Preispolitik Bauern zurückgewinnen, die zum Ende des Jahres gekündigt haben. Das dürfte so aber schwierig werden.

Die Molkereien in Bayern und Baden-Württemberg, sonst im vorderen Bereich, sind ins Mittelfeld zurückgefallen. Hintergrund ist wie 2022, dass Standardware wie Molkenpulver, Butter oder Käse für den lukrativen Export von internationalen Mengenanbietern präferiert werden. Markt- und Markenmolkereien (vor allem im Süden) kämpfen dagegen verstärkt mit dem Einzelhandel.

5-Jahres-Auswertung: Süd vor Nord und West

Interessant ist auch eine Auswertung von top agrar für einen 5-Jahres-Milchpreisvergleich von 36 ausgewählten Molkereien. Im Schnitt wurden 40,4 ct/kg bei 4% Fett und 3,4% Eiweiß ausgezahlt, deutlich unter den Produktionskosten. Spitzenreiter ist demnach die Hohenloher Molkerei vor Goldsteig, Ehrmann und Berchtesgadener – alle aus dem Süden. Die nord- und westdeutschen Milchwerke liegen durchgängig in der zweiten Tabellenhälfte (außer FrieslandCampina auf Platz 12). Die DMK hat 38,5 ct/kg gezahlt und liegt auf Platz 32.

Biomilchpreis steigt zu langsam – kaum Umsteller

Der Biomilchpreis ist von diesem Auf und Ab des Marktes wenig betroffen. Nach durchschnittlichen 58,3 ct/kg im Rekordjahr 2022 fiel der Preis in 2023 nur um 0,4 Cent auf 57,9 ct/kg, während der konventionelle Preis um 10 Cent absackte. Aktuell profitiert Biomilch kaum von der guten konventionellen Marktlage. Der Septemberpreis liegt auf Vorjahresniveau und damit nur noch 8 ct/kg über konventionell - nach 13 Cent in 2023. Wichtiger ist aber, dass die Erzeugungskosten für Biomilch etwa 20 ct/kg über dem Wert der „normalen“ Milch liegen, was die Umstellungsbereitschaft lahmlegt. Kurzfristig lohnt es sich nicht, in die Biomilchwirtschaft einzusteigen. Dabei sind die Marktbedingungen für Biomilchbäuerinnen und -bauern eigentlich gar nicht schlecht. Die Anlieferung, aber auch der Absatz steigen wieder. Die AMI berichtet von einem starken Absatzwachstum von 9,4% bei Trinkmilch, besonders bei Bio-H-Milch. Da die Verkaufspreise gefallen oder nur mäßig erhöht wurden, konnten auch Quark, Käse oder Joghurt die Nachfrage halten. Nach Aussagen von Marktkennern ist der Anteil des Einzelhandels an Bio-Molkereiprodukten bei ca. 80%, wovon die Handelsmarken etwa drei Viertel ausmachen. Die Einzelhandelsketten nehmen zwar die Milchmengen ab, aber nicht für einen fairen, d.h. einigermaßen kostendeckenden Preis. Der größte Biomilch- Markenhersteller, die Andechser Molkerei mit 230 Mio. € Umsatz und 155 Mio. kg Kuhmilch erwartet weiteres Wachstum. Molkerei-Chefin Barbara Scheitz nennt in der Lebensmittelzeitung für das Wachstum drei Gründe: die zusätzlichen Lieferungen an den Handel, die wachsende Vielfalt des Sortiments und – hört, hört  – den verringerten Preisabstand zu konventionellen Produkten. Letzteres ist keine gute Nachricht für Biomelker.

Der Marktbeobachter sieht unter diesen Umständen keine fruchtbare Zukunft für die Bioerzeuger, wenn der geringere Preisabstand Grundlage für ein Wachstum wird. Gestiegener Absatz bei relativ schwächerem Preis ist nicht gerade, was Bioland und Naturland mit ihrem „fairen“ Orientierungspreis („68 Cent“) anstreben. Davon ist man selbst in der jetzigen guten Situation weit entfernt. Konventionelle Milcherzeuger scheinen – man mag es kaum glauben - laut einer Prognose Kieler Wissenschaftler einer besseren Zukunft entgegenzugehen. 40% mehr Milchnachfrage bis 2050 auf Grund der wachsenden Weltbevölkerung prognostizieren sie. Der Wettbewerb um den Rohstoff Milch bedeute einen Paradigmenwechsel – trotz aller Forderungen nach mehr Klimaschutz und weniger Tieren.

Es ist doch schön zu prophezeien: so soll es sein, so könnt es sein.