GAP-Kompromisse geben keine Antwort auf Herausforderungen für Bauern, Umwelt- und Tierschutz

Mit deutlichen Worten kritisieren Landwirtschaftsverbände, mit Ausnahme des Bauernverbands, und die Ökobranche die Beschlüsse des EU-Parlaments und des EU-Agrarrats zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Urteile: Das ist keine Antwort auf die Herausforderungen für Bauern, Umwelt- und Tierschutz (AbL), ist ein „Schlag ins Gesicht für alle, die es besser machen wollen“ (BÖLW), ist ein „Rückschritt statt Systemwechsel“ (Bioland), „ist Verrat an Umwelt- und Klimaschutz“ (Naturland). Für Elisabeth Fresen, Bundesvorsitzende der AbL und Rinderhalterin in Niedersachsen, werden die beschlossenen Kompromisse in Rat und Parlament dem enormen Veränderungsdruck auf den Höfen nicht konsequent genug gerecht. „Auch aufgrund der aktuell sehr angespannten wirtschaftlichen Lage in der Tierhaltung und der vergangenen Dürresommer ist der notwendige Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Klima- und Tierschutz für uns Bäuerinnen und Bauern eine Herkulesaufgabe. Pauschale Flächenprämien werden diesem Bedarf nicht gerecht. Entsprechend unverständlich ist, dass Parlament und Rat diesem Instrument auch weiterhin eine so umfangreiche Bedeutung beimessen wollen. Zielführender wäre ein über die ganze Förderperiode hinweg ansteigendes Budget für Öko-Regelungen, das Bäuerinnen und Bauern schrittweise vermehrt für Umwelt- und Tierschutzleistungen entlohnt und so die notwendige Transformation der GAP einleitet“, so Fresen. Von der deutschen Landwirtschafsministern Julia Klöckner fordert die AbL-Vorsitzende: „Julia Klöckner muss nun das tun, was sie uns Bäuerinnen und Bauern aktuell empfiehlt und was überdies die Rolle einer Ministerin sein sollte – sich an die Spitze von notwendigen Veränderungsprozessen stellen. Dies bedeutet konkret: Frau Klöckner muss die anstehende und sehr bedeutsame nationale Ausgestaltung der GAP progressiv anpacken und die auf EU-Ebene beschlossenen Öko-Regelungen sowohl einkommenswirksam als auch wirksam im Sinne des Umwelt- und Tierschutzes in Deutschland umsetzen. Bei den anstehenden Verhandlungen im Trilog muss sie sich nach dem schwachen Ergebnis im Rat, dass sogar noch hinter dem des Parlamentes zurückbleibt, für ein jährlich ansteigendes Budget der Öko-Regelungen einsetzen.“ BÖLW: Von Systemwechsel keine Spur
Einen „Schlag ins Gesicht für alle, die Landwirtschaft klima- und umweltfreundlich machen und machen wollen“, nennt Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Spitzenverbandes der Bio-Bauern, -Hersteller und –Händler Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und sieht von einem“ Systemwechsel keine Spur“. Was jetzt EU-Rat und -Parlament in den Trilog mit der -Kommission einbringen wollen, führt seiner Ansicht nach dazu, dass die GAP vor allem weiter Flächenbesitz belohnt. „Und zwar fast egal, wie darauf gewirtschaftet wird. Julia Klöckner und ihre Kollegen und große Teile des EU-Parlaments missachten damit so ziemlich alles, was die Wissenschaft für eine klima- und umweltfreundliche Landwirtschaft empfiehlt. Und wofür unsere Bio-Betriebe seit Jahrzehnten arbeiten, nämlich gesunden Boden, Artenvielfalt und Klimaschutz. Wären die 20 % Eco-Schemes der Beginn eines vorgezeichneten Ausbaupfads über die kommenden Jahre, dann hätte man, mit entsprechender hoher Qualität der Öko-Regelungen, von einem Paradigmenwechsel sprechen können. Weil die schwachen 20 % nach Ratswillen aber erst ab 2025 beginnen und bis 2027 auf dem viel zu schwachen Niveau zementiert sind, kann man nur eines konstatieren: Stillstand auf der ganzen Linie“, erklärt der BÖLW-Vorsitzende. EU-Staaten und -Parlament sieht er auf einen Anti-Green-Deal der Land- und Ernährungswirtschaft zusteuern und hat abschließend einen Rat für die EU-Kommission: „Man kann aus unserer Sicht der Bio-Bauern, -Lebensmittelherstellenden und Händlerinnen der EU-Kommission nur raten: Ziehen Sie ihren Vorschlag zurück! Nehmen Sie einen neuen Anlauf, der den Green Deal ernsthaft umsetzt!“ Bioland: Europa zementiert den umweltpolitischen Stillstand in grünem Geschenkpapier
Für Jan Plagge, Präsident Bioland e.V., sind die beschlüsse zur GAP ein Rückschritt für den Umwelt- und Klimaschutz. „Klöckner spricht von einem Systemwechsel und einem fundamentalen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit. Genau das Gegenteil ist der Fall. Mit dieser Ausrichtung der GAP zementiert Europa den umweltpolitischen Stillstand in grünem Geschenkpapier und ignoriert die Vorschläge der EU-Kommission konsequent. Die Ziele der Farm-to-Fork und der Biodiversitätsstrategie bis 2030 den Ökolandbau der EU-Mitgliedsstaaten auf 25 Prozent auszuweiten, den Pestizid- und Antibiotikaeinsatz zu halbieren, den Düngeeinsatz stark zu regulieren und die Biodiversität zu steigern, sind mit nur 20 Prozent Eco-Schemes nicht zu erreichen“, kommentiert Plagge. Die Beschlüsse sind für ihn ein Angriff auf den Green Deal der EU-Kommission. „Rat und Parlament wollen weiterhin die Gießkanne mit pauschalen Flächenzahlungen ausschütten. So sollen die Mitgliedsstaaten auf ein Mindestbudget von 60 Prozent der 1. Säule-Mittel für pauschale Flächenzahlungen verpflichtet werden. Fortschrittliche Länder haben dann keine Chance, die Eco-Schemes in der Förderperiode schrittweise deutlich aufzustocken. Mitgliedsstaaten, die die Finanzmittel in mehr Umwelt- und Klimaschutz investieren wollen, werden absolut ausgebremst“, so Plagge. Erneut gehe ein Jahrzehnt, „das wohl entscheidende für den Erhalt unseres Planeten“, verloren. „Nach vielen Jahren intensiver Verhandlungen, zahllosen wissenschaftlichen Gutachten zur Wirksamkeit der GAP sowie einer gesellschaftlichen Wende zu mehr Umwelt- und Klimaschutz hätten Agrarrat und Europaparlament es besser wissen müssen. Nun ist abzuwarten, ob die EU-Kommission sich in den Trilogverhandlungen diese Verweigerungshaltung gegenüber dem Green Deal gefallen lässt“, erklärt der Bioland-Vorsitzende abschließend. Demeter: Entsetzt über nicht einmal halbherzige Beschlüsse
Der Hoffnung, dass mit den klaren Leitplanken der Farm-to-Fork Strategie nun die EU-Agrarpolitik endlich zukunftsfähig reformiert wird, haben EU-Agrarministerrat und EU-Parlament nach Ansicht von Demeter den Wind aus den Segeln genommen. Demeter-Vorstand Alexander Gerber zeigt sich entsetzt über die Beschlüsse des EU-Agrarministerrat diese Woche: „Die EU-Agrarminister haben über den Agrarhaushalt entschieden, als gäbe es weder eine uns existenziell gefährdende Klimakrise noch eine Umweltkrise mit schwindender Artenvielfalt, ausgelaugten Böden und verschmutztem Wasser! Das Europaparlament hat es mit seinen Kompromissen zu strategischen Punkten nicht viel besser gemacht, hier stehen einige Abstimmungen aber noch aus. Statt mit den Steuergeldern verantwortungsvoll umzugehen, wird das EU-Budget weiterhin nach der Maßgabe verteilt: ‚Wer viel Land hat, bekommt auch viel Geld‘. Das bedeutet: Die EU-Agrarpolitik verfolgt weder eine Strategie gegen das Höfe- und Artensterben, noch legt sie ambitionierte Programme auf, die den Bäuerinnen und Bauern den Umbau hin zu einer klimafreundlicheren Landwirtschaft finanzieren“, erklärt Gerber. Nicht überzeugend ist für ihn auch die Erklärung von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die es als Erfolg bezeichnet, dass 20 Prozent der ersten Säule für Ecoschemes festgelegt werden. „Doch dies greift erst ab 2025. Zudem fallen darunter kaum ambitionierte Maßnahmen. Wir sehen zur jetzigen Politik keinen Fortschritt, dabei ist ein Wandel nicht nur nötig, sondern auch gesellschaftlich gewollt!“, beurteilt der Demeter-Vorstand das Steckenbleiben in alten Mustern. „Dass im Parlament nun festgelegt wurde, dass 60 Prozent der Gelder der ersten Säule weiter als Direktzahlung nach Flächengröße vergeben werden sollen, mutet fast wie eine Satire an, nachdem spätestens seit 1992 klar ist, dass in Nachhaltigkeit investiert werden muss.“ „Die Farm-to-Fork- und die Biodiversitätsstrategien haben wichtige Ziele wie die Reduzierung des Pestizideinsatzes um 50 Prozent und die Erhöhung des Ökolandbaus auf 25 Prozent der EU-Anbaufläche vorgegeben. Immerhin ein positives Detail ist, dass das Parlament sich dafür ausspricht, dass die Mitgliedsstaaten den Ökolandbau im Rahmen ihrer Strategiepläne berücksichtigen sollen. Dieser absolut notwendige Umbau ist jedoch nicht zum Nulltarif zu haben; die Agrargelder werden dafür dringend gebraucht. Die nicht einmal halbherzigen Beschlüsse von Rat und Parlament lassen aber befürchten, dass Bürgerinnen und Bürger bald die Nase voll davon haben, dass ihr Steuergeld in eine rückwärtsgewandte Politik fließt,“ kritisiert die politische Sprecherin des Verbandes, Antje Kölling. „Zurecht fordern Menschen europaweit ‚Public money for public goods‘. Wenigstens 70 Prozent der Agrargelder müssten an den Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet werden, damit die Agrarförderung dem Bürgerwillen nach einer guten Lebensqualität entspricht. Wenn jetzt mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP Steuergelder weiterhin für eine veraltete Politik ausgegeben werden, statt sie an klare nachhaltige Ziele und Kriterien zu binden, gefährdet dies das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU.“ Naturland: Frontalangriff auf den Green Deal
Als Verrat an Umwelt- und Klimaschutz kritisiert der Öko-Verband Naturland die Beschlüsse. „Mit diesem Anti-Reform-Deal wird nicht die Zukunft der europäischen Landwirtschaft gestaltet, sondern ihre Vergangenheit auf Jahre hinaus festgeschrieben“, sagte Naturland Präsident Hubert Heigl am Mittwoch in Gräfelfing. Wie Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Beschlüsse der Mitgliedsländer dabei auch noch als „Meilenstein für einen Systemwechsel“ verkaufen könne, sei ihm völlig schleierhaft, fügte Heigl hinzu. „Tatsächlich erleben wir hier einen Frontalangriff auf den Green Deal der EU-Kommission. Die Ziele der Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie sind unmöglich zu erreichen, wenn gerade einmal 20 Prozent der Direktzahlungen in die Eco-Schemes fließen sollen“, kritisierte der Naturland Präsident: „Und selbst das können sich unwillige Mitgliedsstaaten erst einmal sparen und die Mittel für Umweltleistungen bis 2025 komplett mit der Gießkanne über der Fläche verteilen. Damit fällt die Position des Agrarrats zur künftigen GAP sogar hinter den Status quo zurück.“ Für Naturland schlimmer noch: 60 Prozent der Mittel in der ersten Säule werden verpflichtend für die pauschalen Flächenzahlungen festgeschrieben. “Damit blockiert der Rat zusätzlich die fortschrittlichen Mitgliedsstaaten, die eigentlich mehr für die Umwelt tun wollen“, sagte der Naturland Präsident. Eine Ausweitung des Öko-Landbaus auf 25 Prozent bis 2030, wie in der „Farm to Fork“-Strategie der EU-Kommission angelegt, werde so schon im Keim erstickt. Auch die Position des EU-Parlaments, das zumindest 30 Prozent für die Eco-Schemes reservieren will, ist aus Sicht des Naturland Präsidenten völlig ungenügend. DBV: Tragbarer europäischer Kompromiss
„Das Ergebnis des Agrarrates zur Gemeinsamen Agrarpolitik ist ein notwendiger und letztendlich auch tragbarer europäischer Kompromiss“, erklärt mit Blick auf den Beschluss des EU-Agrarrates der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, und bewertet den Beschluss des Europa-Parlamentes über die GAP-Reform wie folgt: "Das EU-Parlament setzt mit seiner Positionierung deutlich höhere Anforderungen bei den Umweltstandards für Direktzahlungen. Der Deutsche Bauernverband unterstützt eine grünere GAP und spricht sich grundsätzlich für die Einführung der Eco-Schemes aus. Dazu haben wir bereits eine eigenes Konzept vorgelegt. Einige Punkte, beispielsweise die Anforderungen für nichtproduktive Flächen und den Fruchtwechsel sind fachlich nicht fundiert und müssen im Trilog korrigiert werden. Auch der vom Parlament vorgegebene Mindestanteil von 30 Prozent für Eco-Schemes ist höher als vom Agrarrat gefordert. Fundamentalkritik und Alarmismus bezüglich mangelnder Umweltorientierung ist unberechtigt und überzogen.“
26.10.2020
Von: FebL/PM

Richtungswechsel im vorhandenen System? Foto: FebL