Welternährungstag: Bäuerinnen und Bauern sind das zentrale Rückgrat der globalen Ernährungssicherung

Anlässlich des internationalen Tags der Welternährung am 16. Oktober fordert die AbL, das Recht auf Nahrung und die Bauernrechtserklärung der Vereinten Nationen jetzt umzusetzen. „Das Recht auf Nahrung muss bei der Transformation der Ernährungssysteme im Mittelpunkt stehen“, erklärt auch die Welthungerhilfe anlässlich der Vorstellung des Welthunger-Index 2022. „Wir müssen heute umdenken, um unsere Ernährung von morgen zu sichern“, verkündet die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Ophelia Nick. Und der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) fordert aus Anlass des Tags der Welternährung und mit Blick auf den Hunger in der Welt die Bundesregierung auf, die geplanten Kürzungen der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe im Bundeshaushaltsentwurf 2023 zurückzunehmen.

Bäuerinnen und Bauern sind nach Ansicht der AbL das zentrale Rückgrat der globalen Ernährungssicherung. Ihre Rolle für die Lösung der weltweiten Ernährungskrise müsse endlich anerkannt werden, wie es die Bauernrechtserklärung der Vereinten Nationen vorsieht. „Wir sind sehr besorgt über den seit sechs Jahren steigenden chronischen Hunger in der Welt. Verstärkt wird dieser durch die weltweit dramatischen Folgen der Klimakrise für die Landwirtschaft. Ein Drittel der Weltbevölkerung hat nicht genügend zu essen und das Recht auf Nahrung wird mit den Füßen getreten. 70 Prozent der Hungernden leben auf dem Land, häufig kommen sie aus der Landwirtschaft selbst“, erklärt Elisabeth Waizenegger aus dem AbL-Bundesvorstand.

Die Konzerne schlagen laut Waizenegger oft Gentechnik als Lösung zur Hungerproblematik vor. „Sie plädieren aktuell für eine komplette Deregulierung dieser Scheinlösungen. Sie wollen so einen Freifahrtschein, um überall schnell mit ihren Produkten auf den Markt zu kommen. Das müssen wir in Europa und weltweit verhindern. Gentechnik-Pflanzen sind Risikotechnologien und müssen streng reguliert werden. Stattdessen brauchen Bäuerinnen und Bauern weltweit Zugang zu Land, landwirtschaftlichem Know-How sowie regional angepasstem, gentechnikfreiem und unpatentiertem Saatgut. Nur so können wir weltweite Ernährungssouveränität vor Ort erreichen. Wir brauchen jetzt eine globale Antwort auf die sich verschärfende Welternährungskrise. Diese muss im Welternährungsrat stattfinden“, so Waizenegger.

Welthungerhilfe: Schwerer Rückschlag befürchtet

Die Welternährungskrise beschreibt sehr deutlich die Welthungerhilfe in ihrem diesjährigen Welthunger-Index. Demnach steht die Welt vor einem schweren Rückschlag bei den Bemühungen, den Hunger zu beenden. Der Krieg in der Ukraine hat die verschiedenen Krisen noch einmal massiv verschärft. Der aktuelle Welthunger-Index zeigt, dass sich bewaffnete Konflikte, der Klimawandel und die Corona-Pandemie gegenseitig verstärken und dazu geführt haben, dass 2021 bis zu 828 Millionen Menschen hungern mussten. Besonders dramatisch ist die Lage am Horn von Afrika, wo die schlimmste Dürre seit vier Jahrzehnten herrscht. In Somalia erleben Menschen in einigen Regionen bereits eine lebensbedrohliche Hungersnot. Der neue Bericht untersucht die Ernährungslage in 129 Ländern. 46 Länder werden bis 2030 voraussichtlich noch nicht einmal ein niedriges Hungerniveau erreichen. Afrika südlich der Sahara sowie Südasien sind erneut die Regionen mit den höchsten Hungerraten.

„Durch die toxische Mischung aus bewaffneten Konflikten, Klimakrise und Covid-19 Pandemie waren bereits vor dem Krieg in der Ukraine Millionen Menschen mit enormen Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln konfrontiert gewesen. Der Krieg in der Ukraine hat dies verschärft und so werden aus den weltweiten Hungerkrisen zunehmend Katastrophen. Wir müssen schnell auf die humanitären Notlagen reagieren und sowohl flexible und höhere Mittel zur Verfügung stellen und zugleich größere Investitionen für die Transformation der Ernährungssysteme bereitstellen“, fordert Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe.  

Der Welthunger-Index zeigt in diesem Jahr, wie wichtig es ist, die Ernährungssysteme gerecht, nachhaltig und krisenfest zu gestalten. Die Mitbestimmung lokaler Akteure bei der nationalen Ernährungspolitik spielt dabei eine Schlüsselrolle. „Das Recht auf Nahrung muss bei der Transformation der Ernährungssysteme im Mittelpunkt stehen. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass die Zivilgesellschaft vor Ort Möglichkeiten hat, die jeweiligen staatlichen Strukturen zu überprüfen und Verbesserungen einklagen zu können. Nur wenn die Gemeinschaften und Bäuerinnen und Bauern mit ihrem lokalen Wissen und ihren konkreten Bedürfnissen mitbestimmen, können nachhaltige Lösungen für die Beseitigung des Hungers gefunden werden“, betont Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe.

Nick: Wir müssen unsere Ernährungssysteme gerechter und nachhaltiger machen

Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Ophelia Nick, zeigt sich angesichts des Welthunger-Index schockiert. „Laut des Welthungerindex (WHI) der Welthungerhilfe litten 2021 ca. 828 Millionen Menschen weltweit an Hunger. Der Anteil der Menschen ohne ausreichendem Zugang zu Essen nimmt nicht ab, sondern zu! Das schockiert mich - denn jeder Mensch hat das Recht auf eine angemessene, ausreichende und gesunde Ernährung. Die letzte Woche stand ganz im Zeichen der globalen Ernährungssicherung: Die Welthungerhilfe hat in ihrem Index dramatische Erkenntnisse veröffentlicht, in Rom tagte der Welternährungsausschuss und eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC zeigt, dass wir mit unserem aktuellen Lebensmittelkonsum unsere Ernährung von morgen gefährden“, erklärt Nick.

Sorgen macht ihr, dass sich die Lage dramatisch verschlechtert und die gemachten Fortschritte rückläufig sind, wie der WHI zeige. „Grund dafür sind vor allem Kriege und Konflikte. Steigende Lebensmittelkosten und die Klimakrise befeuern die Ernährungskrise zusätzlich. Die PwC-Studie zeigt außerdem die Auswirkungen unserer Ernährungsmuster und Nahrungsmittelproduktion.
Zentral dabei ist der gestiegene Fleischkonsum. Denn Fleisch braucht sehr viel mehr Ressourcen als pflanzliche Lebensmittel, deckt aber viel weniger unseres Kalorienverbrauchs ab“, so Nick. Es braucht laut Nick dringend globale Zusammenarbeit und gemeinsame Lösungen. „Wir müssen unsere Ernährungssysteme umdenken, gerechter und nachhaltiger machen und lokale Akteur:innen einbeziehen.  Wichtig ist mir: Wir müssen bei uns selber ansetzen, weniger Fleisch konsumieren, auf nachhaltige Produkte setzen und weniger Lebensmittel wegschmeißen. Wir müssen heute umdenken und im Zweifel auf Gewohntes verzichten, um die Ernährung von morgen zu sichern“, erklärt die Staatssekretärin.

VENRO: Die Bundesregierung muss mehr investieren statt zu kürzen

Für den Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) steht auch die Bundesregierung in der Verantwortung und fordert diese auf, die geplanten Kürzungen der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe im Bundeshaushaltsentwurf 2023 zurückzunehmen. „Es ist keine Zeit für Kürzungen“, erklärt Martina Schaub, Vorstandsvorsitzende von VENRO. „Die dramatische Ernährungssituation spitzt sich durch die steigenden Nahrungsmittel- und Energiepreise infolge des Ukraine-Kriegs, durch die Klimakrise und die anhaltenden Folgen der Corona-Pandemie immer weiter zu. Besonders schlimm ist die Hungerkrise am Horn von Afrika, in Ländern südlich der Sahara und Südasien, darunter Afghanistan.“

Ungeachtet der zunehmenden Anzahl von Konflikten weltweit und der multiplen globalen Krisen plant die Bundesregierung laut VENRO die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit im kommenden Jahr um 18 Prozent zu kürzen. Die humanitäre Hilfe soll sogar um 26 Prozent sinken. VENRO hält eine deutliche Aufstockung der Mittel für dringend geboten. Der Verband fordert, die Krisenreserve, die im Bundeshaushalt vorgesehen ist, um die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges zu bewältigen, ausschließlich für die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zu nutzen. Die Krisenreserve beträgt fünf Milliarden Euro und sollte noch im laufenden Haushaltsverfahren auf die Etats für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe aufgeteilt werden.

„Um die akuten Hungerkrisen zu überwinden, ist eine Aufstockung der humanitären Hilfe dringend erforderlich. Zugleich muss die Bundesregierung mehr investieren, um Hungersnöten besser vorzubeugen und lokale Ernährungssysteme zu stärken“, fordert Schaub. „Von zentraler Bedeutung ist es dabei, das Wissen der lokalen Bevölkerung bei der Transformation hin zu einer nachhaltigen Landbewirtschaftung besser zu nutzen und auf internationaler Ebene für eine faire Wirtschafts- und Handelspolitik einzutreten.“

Bereits im April 2022 machte die AbL gemeinsam mit verschiedenen entwicklungspolitischen und kirchlichen Organisationen vor dem BMEL auf die eskalierende Welthungerkrise aufmerksam. Und erst kürzlich forderte die AbL gemeinsam mit Brot für die Welt und FIAN anlässlich der 50. Sitzung des Welternährungsauschusses (CFS) in Rom, die Bundesregierung müsse mehr gegen steigenden Hunger tun. Zentral sei die Schaffung einer für alle CFS-Akteure offene Arbeitsgruppe zur Ernährungskrise, damit Maßnahmen nicht an den Betroffenen vorbei zielten. Und mit der Petition „Kein Freifahrtschein für neue Gentechnik in unserem Essen!“ fordert die AbL aktuell Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir und Bundesumweltministerin Lemke auf, auch neue Gentechnik strikt zu regulieren.