Getreidemarkt spekulativ - Rindfleischpreise im Absturz

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde

Preisspitzen bei Getreide gebrochen? Spekulation hält an

In der letzten Woche gerieten die Preise für Getreide von Weizen über Gerste bis Mais auf allen Märkten ins Schwanken. Ausgelöst wurden die neuerlichen Spekulationen und Neubewertungen allein durch die Ankündigung Russlands, dass Getreidetransporte aus Häfen der Ukraine über „humanitäre Korridore“ auslaufen könnten. Schon die mögliche Wiederaufnahme der Hafenverladungen haben die Märkte in Bewegung gebracht. Dabei sind die Bedingungen von Putin unklar, um tatsächliche Warenbewegung anzuzeigen. Auch ob die geforderte Reduktion westlicher Sanktionen realistisch ist bzw. ernsthafte Bedingung ist, bleibt im Dunkeln der Politik.

Weizen ist Ende der Woche erstmals wieder unter 38 €/dt gefallen, fast 6 Euro unter dem Höchstpreis von Mitte Mai. Auch Mais sank um 4,50 €/dt in dieser Zeit auf 33 Euro, Gerste um 3 €/dt auf 35,50 Euro.
Mais kommt inzwischen in größeren Importmengen aus Nord- und Südamerika. Mittlerweile exportiert die Ukraine wohl doch erhebliche Mengen auf dem Landweg bzw. die Donau nach Europa, wie Analysten berichten. Die EU meldet insgesamt mehr Maisimporte als letztes Jahr zur gleichen Zeit.

Wie es weitergeht, bleibt natürlich völlig ungewiss. Jede Woche gehen neue Einschätzungen durch die Welt von wahrscheinlich rekordhohen Ernten in Australien, hohen Ausfuhren aus Russland, Exportverboten in Indien, Dürren in Frankreich und Nordamerika, Zöllen in Südamerika, mal gute und mal schlechte Exportnachrichten aus der Ukraine usw.

Der Markt ist volatil, heißt es, und die Marktteilnehmer höchst nervös. Aber dass allein eine Ankündigung von Putin genügt, um einen Preissturz zu veranlassen, zeigt, wieviel Spekulation unterwegs ist. Ein Getreidegroßhändler schätzt mindestens 6 €/dt durch Börsenspekulation von Finanztransakteuren und Exportkonzernen. Inwieweit ist es eine Blase, die sich schnell in Luft auflösen kann?

Zeitenwende oder vorübergehende Krise?

US- Ökonomen sprechen in ihrer aktuellen Analyse deshalb auch davon, dass die Preise im Wirtschaftsjahr 2022/23 überdurchschnittlich hoch würden, danach aber auf niedrige langjährige Durchschnittspreise sinken. Sie gehen davon aus, dass der „derzeit robuste Markt, der aus der sehr hohen chinesischen Nachfrage und dem Ukraine-Russland-Konflikt resultiert, nur vorübergehend ist und zu einem Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion führen wird, was dann zu niedrigen Preisen führt.“ Aber die Dauer des Krieges, die großen Verunsicherungen durch den Klimawandel, die Unterbrechungen der globalen Lieferketten und die Entwicklung der Kaufkraft in vielen Ländern können auch sie nur vermuten. Ganz allgemein schätzen sie, „dass historische Änderungen der langfristigen Preise nur selten auftreten und normalerweise mit einer anhaltenden Änderung der Nachfrage verbunden sein müssen.“ Was heißt das in dieser „Zeitenwende“?

Landwirte halten sich gern an ihre Erfahrung: In der Ruhe liegt die Kraft. Dafür spricht manches in unruhigen Zeiten. Aber auch das muss nicht immer stimmen. Außerdem hängt zurzeit viel davon ab, ob man auf Verkäufer- oder Käuferseite steht.

 

Wie gewonnen, so zerronnen? Rindermarkt im freien Fall

Im ersten Quartal 2022 konnten die Rinderhalter ihren Augen kaum trauen. Die Preise stiegen auf Rekordhöhe. Auch im zweiten Quartal kommen sie aus dem Staunen nicht heraus – nur fallen die Preise jetzt in atemberaubendem Tempo. Was ist geschehen?
Von Neujahr bis Ostern stieg der Rindfleischpreis ununterbrochen an. Ein Jungbulle mittlerer Qualität (Hkl. R3) wurde Ende März mit fast 6,00 €/kg gehandelt. Weihnachten lag er noch bei 4,75 und ein Jahr zuvor bei 3,90 Euro. Ein guter Bulle brachte fast 1.000 Euro mehr aufs Konto als im Vorjahreszeitraum. Auch die Schlachtkühe der Durchschnittsklasse O3 stiegen auf nie gekannte 5 Euro gegenüber 2,90 €/kg ein Jahr zuvor.

Seit Ostern hat sich das Bild komplett gedreht. Der Jungbulle ist auf 4,60 €/kg gesunken, die Kuh hält sich noch bei ebenfalls 4,60 €/kg – mit weiterhin fallender Tendenz.

Auf jeden Fall ist das Preis-Kostenverhältnis auf den Kopf gestellt. Nach Berechnungen der KTBL liegen die Kosten für die Erzeugung eines Jungbullen bei deutlich über 5 €/kg. Die gestiegenen Futterkosten und Fresserpreise werden nicht mehr ausgeglichen (Energie-, Lager- und Transportkosten nicht einmal berechnet). Der Kuhpreis ist noch einigermaßen nachvollziehbar, abgesehen davon, dass eine Wertgleichheit von Bullen und Kuhfleisch völlig marktfremd ist, so dass mit einem weiteren Rückgang zu rechnen ist. Bisher hält ihn nur die deutlich verringerte Schlachtkuhanlieferung auf.

Wer zahlt den Boom?

Aber die Erklärungen der Experten sind arg dünn. Begründeten sie noch im März die Rekordpreise mit den geringen Rinderangeboten und den kräftig reduzierten Rinderschlachtungen, entfällt diese Argumentation nun. Denn die Schlachtzahlen sind immer noch deutlich unter Vorjahr. In ihrer Prognose gingen vor Ostern die Experten der Landwirtschaftskammern NRW und Niedersachsen davon aus, dass die Schlachtrinderpreise auf „unverändert hohem Niveau“ bleiben dürften, weil die EU-Bestände rückläufig seien und Lieferengpässe aus Südamerika keinen Ausgleich schafften. Diese optimistische Annahme hat sich selbst zerlegt.

Schon damals zweifelten kritische Marktbeobachter sie an. Sie hielten die nachträglichen Erklärungsversuche des Anstiegs für „eher bemüht“ (s. z.B. Bauernstimme Nachrichten v. 8.3.22) und Kaffeesatzlesen. So sehr sich landwirtschaftsnahe Kommentatoren über die guten Erlöse der Rinderhalter freuten, fragten sie skeptisch und eindringlich: Wer zahlt den Boom?  

Schon im März/April zeigte sich, dass der LEH die Steigerung nicht bzw. wenig eingepreist hatte. Der Absatz stagnierte, brach aber (noch) nicht ein. Damit blieben vor allem die Schlachthöfe auf den Kosten sitzen (Ob sie billigere Importware zum Ausgleich nutzten, ist nicht belegt). Da die Fleischindustrie selbst durch Corona u.a. Kosten gebeutelt ist, konnte das nicht lange gut gehen. Ein mittelgroßer Vermarkter beantwortete die Frage nach einer Erklärung lapidar: „Warten Sie ab, der Markt wird das schon wieder richten.“

Der Markt richtet es?

Vielleicht hat er Recht. Der LEH nahm zeitversetzt im Mai Preiserhöhungen für Rindfleisch vor. Man spricht von ca. 20% gegenüber Vorjahr. Der Absatz bricht aktuell ein, auch bedingt durch die Kaufzurückhaltung infolge der allgemeinen Inflationskrise. Vor allem beim teuren Bio-Rindfleisch seien die Einbußen wohl dramatisch, heißt es in Süddeutschland.

Sogar die geringen Schlachtzahlen reichen völlig aus. Der Preis bewegt sich im freien Fall, mehrere Wochen hintereinander um jeweils 10 bis 20 Cent/kg. Und niemand weiß, ob der Boden bereits erreicht ist. Vielleicht ist das Rindfleisch- Sommerloch - wie früher - zurück, sinniert ein norddeutscher Händler und fordert verstärkte (Billig-)Aktionen vom LEH. Einzelne Discounter haben bereits angekündigt, den wichtigen Hackfleischpreis wieder deutlich zu senken, um den Absatz anzukurbeln.

Ob das eine gute Nachricht für die Rinderhalter ist?