EU-Gentechnik-Befragung muss wiederholt werden

40 europäische Organisationen kritisieren in einem Offenen Brief das Konsultationsverfahren der EU-Kommission zu neuer Gentechnik scharf und fordern, es in Teilen zu wiederholen. Neben der öffentlichen und allgemein zugänglichen Konsultation von Mai bis Juli hat die EU-Kommission im Sommer 2022 eine weitere, „gezielte Befragung“ zum Thema durchführen lassen, die sich europaweit nur an rund 400 ausgewählte Organisationen richtete. Welche das waren und wie sie ausgewählt wurden, ist bisher nicht öffentlich bekannt. 

Undurchsichtige Exklusiv-Umfrage

Die Fragen waren auch in dieser undurchsichtigen Exklusiv-Umfrage ähnlich einseitig und voreingenommen formuliert wie schon zuvor bei der öffentlichen Konsultation. Die eindeutigen Deregulierungsabsichten der EU-Kommission wurden hier nochmals deutlicher in konkreten politischen „Szenarien“. Das Schema der Befragung machte eine Beantwortung außerhalb der vorgegebenen Deregulierungslogik nahezu unmöglich.

Teilnahme an voreingenommener Befragung abgelehnt

Deshalb haben jetzt 40 Verbände und Organisationen unter anderem aus konventioneller und ökologischer Land- und Lebensmittelwirtschaft, Umweltschutz und Wissenschaft (neben der AbL: ENGA, ARGE Gentechnik-frei, IFOAM, BÖLW, Verbraucherzentrale, Greenpeace und Friends of the Earth) an EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides geschrieben und fordern eine zumindest teilweise Wiederholung des Konsultationsverfahrens. Die meisten von ihnen haben eine Teilnahme an der „gezielten Befragung“ in dieser Form von vornherein abgelehnt oder sie wieder zurückgezogen.

Nachhaltigkeit und Risiko miteinander vermengt

Die 40 Organisationen werfen der EU-Kommission außerdem vor, die Konsultation basiere auf Meinungen und Spekulationen. Nachhaltigkeitsbewertung und Risikobewertung würden unsachgemäß miteinander vermengt. Bei vielen wissenschaftlichen Berater:innen bestünden zudem Interessenkonflikte – wie vor Kurzem die Grünen-Fraktion im Europaparlament untersucht und berichtet hatte.

Intransparente Deregulierung würde EU-Kommission selbst schaden

„Diesen einhelligen und eindringlichen, breit getragenen Einspruch aus Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt- und Verbraucherschutz, muss die EU-Kommission ernst nehmen. Es braucht eine wirklich ergebnisoffene Konsultation für dieses wichtige Thema. Ein intransparentes Deregulierungsverfahren schadet am Ende allen, nicht zuletzt dem Ansehen der Kommission selbst“, kommentiert VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting.

„Wir fordern, dass die EU-Kommission ihre Szenarien veröffentlicht – nur dann können Betroffene mögliche Folgen abschätzen. Entsprechend muss die Konsultation wiederholt werden. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke fordern wir auf, sich klar für eine Regulierung aller neuen und alten Gentechnik-Verfahren einsetzen. Nur so können wir die gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung und die Wahlfreiheit sicherstellen,“ so Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL, die die Deregulierungspläne der EU-Kommission in einem Papier ausführlich analysiert hat. Kommt die EU-Kommission mit ihren Deregulierungsplänen durch, würden verpflichtende Risikoprüfung und Zulassungsverfahren, Kennzeichnungspflicht, Rückverfolgbarkeit, Lieferung eines Nachweisverfahrens, Standortregister, Koexistenz- und Haftungsregelungen, Monitoring und das EU-Vorsorgeprinzip abgeschafft.
Um das zu verhindern, hat die AbL in einem breiten Bündnis aus über 50 Organisationen eine EU-weite Petition verfasst. Darin wird von den zuständigen Bundesminister:innen Cem Özdemir und Steffi Lemke und der Kommission gefordert: Auch neue Gentechnik-Pflanzen müssen nach dem EU-Gentechnikrecht streng reguliert bleiben.

Die Petition kann hier unterschrieben werden.