Im April 2024 erteilte das Europäische Patentamt (EPA) zum ersten Mal ein Patent auf Schweine, die mit CRISPR/Cas in ihrem Erbgut verändert und für die Erzeugung von Lebensmitteln gedacht sind (EP3331355). Diese Schweine sollen resistent gegen ein Virus sein, das in der Schweinemast erhebliche Probleme verursacht. Patentinhaber ist die US-Universität von Missouri. Die Forschung wurde von der Firma Genus finanziert, die einer der größten internationalen Konzerne im Bereich der Zucht von landwirtschaftlichen Nutztieren ist. Genus hat bereits weitere Patente auf die CRISPR-Schweine beantragt und steht nach eigenen Angaben kurz vor deren Markteinführung in den USA.
Um die Verfahren der Neuen Gentechnik (NGT) bei Schweinen anzuwenden, war laut einer Mitteilung des Instituts Testbiotech zunächst eine Lizenz der USA-Firma Caribou Biosciences notwendig. Zu den Gründer:nnen von Caribou Biosciences gehört Jennifer Doudna, die als eine der Erfinder:nnen der Gen-Schere CRISPR/Cas gilt und mehrere Patente auf deren Anwendung angemeldet hat. Jetzt wurden auch die NGT-Schweine samt ihren Nachkommen zur technischen Erfindung erklärt.
Rechtlich gesehen dürfen Schweinehalter und Landwirte die patentierten Schweine zwar mästen, aber sie nicht vermehren oder weiter züchten. Andere Schweinezüchter haben zu den NGT-Schweinen nur dann Zugang, falls sie eine Lizenz von Genus erhalten. Damit könnte Genus seine marktdominante Position weiter ausbauen. Vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht von Testbiotech zu erwarten, dass die Kosten für den Erwerb der Ferkel steigen.
Die NGT-Schweine sollen gegen ein RNA-Virus (PRRSV) resistent sein, welches das ‚Reproduktions- und Atemwegssyndrom‘ auslöst und insbesondere für große Ferkelmastbetriebe ein Problem ist. Das Virus nutzt einen bestimmten Rezeptor (CD163) an Immunzellen als Eintrittspforte. Die CRISPR-Schweine sind gentechnisch so verändert, dass die Immunzellen die dafür notwendigen Eiweißstoffe nicht mehr produzieren.
Ob das Problem damit gelöst ist, scheint laut Testbiotech unsicher: Es wird auch über Infektionswege berichtet, an denen der Rezeptor CD163 nicht beteiligt ist. Zudem gelten diese RNA-Viren als extrem wandlungsfähig. Bisherige Versuche, die PRRSV-Infektionen per Impfung zu stoppen, führten zur Entstehung neuer Virusvarianten, die sogar Teile der Impfstoffe in ihr Erbgut übernommen hatten und noch virulenter wurden. Ob das Virus durch die gentechnisch veränderten Schweine tatsächlich ausgetrickst werden kann, bleibt also abzuwarten. Abzuwarten bleibt auch, wie die Schweine auf andere Krankheitserreger reagieren und ob ungewollte Nebenwirkungen auftreten, die durch die gentechnischen Verfahren bedingt sind.
Nachdem in den letzten Monaten bereits heftig über die Deregulierung von NGT-Pflanzen gestritten wurde, wird erwartet, dass das (im Juni neugewählte) EU-Parlament damit beginnen wird, auch über die künftige Regulierung von NGT-Tieren zu debattieren.
Das EU-Parlament hatte sich dafür ausgesprochen, entsprechende Patente zu verbieten. Allerdings dürfte dies keine Wirkung auf die Praxis des EPA haben. Dieses ist keine Institution der EU und erteilt Patente auch für Länder, die nicht Mitglied der EU sind. Es ist deswegen zu erwarten, dass mit einer möglichen Einführung von NGT-Pflanzen und -Tieren in der Landwirtschaft auch die Abhängigkeiten von Patentinhaber:nnen zunehmen werden.