Düngeverordnung: Wasserschutz oder Gängelei?

Aktuell sind die Gesetze zur Umsetzung der 2017 novellierten Düngeverordnung (DüV) noch nicht abschließend verabschiedet, da wird auch auf Druck aus Brüssel bereits über eine weitere Verschärfung der Düngeverordnung diskutiert. Brüssel droht mit Strafzahlungen von 858.000 Euro täglich, wenn Deutschland nicht nachbessert. Gleichzeitig riskiert das Bundeslandwirtschaftsministerium im Falle der Untätigkeit, dass Brüssel eigene Verordnungen erlässt, die dann umgesetzt werden müssten. Genannt wird hier beispielsweise eine weitere Reduktion des Grenzwerts für organische Düngemittel von 170 kg N/ha auf 130 kg N/ha. Das wäre dann ganzflächig eine noch größere Reduktion, als sie derzeit mit den 20 Prozent „Unterdüngung“ für die roten Gebiete angedacht ist. Rot ist ein Gebiet im Sinne der DüV, wenn der Schwellenwert für Nitrat in mehr als 50 Prozent des Grundwasserkörpers, der mehrere hundert Quadratkilometer betragen kann, überschritten wird.

Verschiedene Zuständigkeiten

Die aktuelle Unsicherheit vieler Betriebe aufgrund der trotz Novellierung rechtlich immer noch ungeklärten Situation entsteht auch durch unterschiedlichste Zuständigkeiten. Neben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die von der EU-Kommission überwacht wird, und dem Bundeslandwirtschaftsministerium, das für die nationale Düngegesetzgebung zuständig ist, ist auch das Bundesumweltministerium als federführender Ansprechpartner im Vertragsverletzungsverfahren direkt beteiligt. Dass die Ministerinnen unterschiedlichen Fraktionen, Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner der CDU und Bundesumweltministerin Schulze der SPD, angehören, dürfte die Kommunikation nicht unbedingt vereinfachen.

Lobbyarbeit

Seit vielen Jahren wird, auch von Trinkwasserversorgern, vor steigenden Nitratwerten gewarnt. Klare Regelungen hatten diese Hinweise meist nicht zur Folge. Höhere Kosten für die Trinkwasseraufbereitung wurden nicht den schwer festzumachenden Verursachern auferlegt, sondern werden von den Verbrauchern mit steigenden Wasserrechnungen bezahlt. Dabei scheint die Problematik, wenn man sie von der Seite eines sauber zu haltenden Grundwassers her betrachtet, klar zu sein. Die Nitrateinträge müssen reduziert werden. Im Fokus vieler Betriebe hingegen dürfte viel weniger der gute Erhaltungszustand des Grundwasserkörpers als vielmehr die Existenzsicherung des eigenen Betriebes liegen. Alle Ställe und auch der Zuwachs der vergangenen Jahre sind dabei von öffentlichen Stellen genehmigt worden, meist mit einem direkten Bezug zur Fläche oder aber über die Verpflichtung zur Vorlage von Gülle-Abnahmeverträgen. Vor allem aus diesem Grund bewegen sich die Pachtpreise in den Intensivregionen in aus rein ackerbaulicher Sicht absolut unrentablen Höhen. Das immer weitere Wachstum ließ die Betriebe in manchen Regionen bis an die Grenze der rechtlich zulässigen Düngemengen und damit Tierzahlen wachsen. Die jetzt anstehenden Kürzungen verschieben die Grenze des Zulässigen nach unten, ohne dass die Betriebe Ausweichmöglichkeiten haben. Dass dies auch im Bundeslandwirtschaftsministerium so gesehen wird, zeigt die Ankündigung von Staatssekretär Aeikens, dieses Jahr ein „Bundesgülleprogramm“ mit fünf Millionen Euro aufzulegen, das Lagerkapazitäten in den Ackerbauregionen schaffen soll, um die Veredlungsregionen zu entlasten.

Unterernährung

Der Standortvorteil, der zur Entstehung der Intensivregionen geführt hat, ist durch die neuen Auflagen zum Nachteil geworden, ohne dass die Betriebe, die viele Jahre Planungsvorlauf brauchen, darauf hätten reagieren können, weil auch die Vorgaben aus der Politik diese Verschärfung nicht erwarten ließen. Hätte man es wissen müssen, wissen können, oder war es bewusst und man hat trotzdem nicht reagiert? Zumindest der Bauernverband scheint auch jetzt die Dramatik der Situation noch nicht verstanden zu haben. Da wird von Raubbau am Boden, verhungernden Pflanzen und dem Zusammenbruch des Qualitätsweizenanbaus gesprochen, wird der Nahrungsnotstand aufgrund verminderter Ernten angedroht, wenn zukünftig weniger gedüngt werden darf. Am besten weiter wie bisher, scheint die zentrale Botschaft. Zu einer Demo in Münster Anfang April werden tausende Bauern erwartet. Auch die Bundeslandwirtschaftsministerin will kommen und ihr Vorgehen verteidigen. Die aktuellen Signale der EU-Kommission geben eher Hinweise auf noch weitgehendere Verschärfungen, längere Sperrzeiten und Einschränkungen in Hanglagen. Damit wären auch viele Betriebe betroffen, deren Höfe nicht in den roten Nitratüberschussregionen liegen. Der Agrarsprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag möchte mit diesen Verschärfungen für alle die Betriebe in den Intensivgebieten entlasten. Auf Verschleierungsmanöver setzen offenbar auch einzelne Landwirtschaftskammern, die darauf drängen, dass die Landesministerien die von Nitratüberschüssen betroffenen Gebiete möglichst klein machen, damit sich „nicht so viel ändern muss“.

Weniger Tiere

Dabei ist es nicht der Status quo, den es zu erhalten gilt, sondern die wirtschaftliche Grundlage der Betriebe. Der schon seit längerem diskutierte Umbau der Tierhaltung, bei dem neben der Nährstoffproblematik ja auch noch die Haltungsbedingungen mit geringeren Belegdichten, Kastration und Kupierverbot anstehen, könnte einen Rahmen geben. Was spräche gegen einen Abbau der Bestände, wenn er nicht zu Lasten einzelner Betriebe, sondern in der Fläche erfolgen würde? Warum will das Landwirtschaftsministerium den Transport von Gülle über viele hundert Kilometer fördern, anstatt die Betriebe dabei zu unterstützen, weniger Tiere mit mehr Tierwohl bei gleichem Einkommen zu halten und so auch die Gülleproblematik zu entschärfen?