Düngeverordnung: Anhaltende Zielverfehlung droht

Mitte Juni 2019 haben sich Umwelt- und Landwirtschaftsministerien der Bundesregierung auf "ergänzende Vorschläge" zum Düngerecht geeinigt, um drohenden Strafzahlungen von über 850.000 Euro am Tag wegen Nichteinhaltung der Nitratrichtlinie zu entgehen. Dies war unausweichlich geworden, da Deutschland seit 28 Jahren die Umsetzung dieser Richtlinie versäumt und folgerichtig 2018 vom Europäischen Gerichtshof verurteilt wurde, eine wesentliche Verringerung der Düngemengen vorzunehmen. Ende Januar 2019 hatte die Bundesregierung Vorschläge zur Einhaltung nach Brüssel geschickt, die jedoch nach Ansicht der Kommission nicht ausreichten, am Mittwoch wird sich die EU-Kommission zu den neuen Vorschlägen äußern. Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bewerten die Vorschläge der Bundesregierung als absolut unzureichend und fordern die EU-Kommission auf, dies im Sinne von Gewässer- und Trinkwasserschutz so nicht hinzunehmen. Deutschland muss die Forderungen aus der EU- Nitratrichtlinie erfüllen. "Das Vorgehen der Bundesregierung ist ein Skandal und zeigt, dass im Klöckner-Ministerium immer noch nicht verstanden wurde, wie schlecht es um unser Wasser steht", erklärt Sebastian Schönauer, Sprecher des BUND-Arbeitskreises Wasser und DNR-Präsidiumsmitglied. "Die nun bekannt gewordenen Vorschläge aus dem Hause der Landwirtschaftsministerin lösen das Problem der strukturellen Überdüngung der Ackerböden nicht und gefährden unsere Grundwasservorräte nicht nur in den mit Nitrat schwerbelasteten Gebieten." Scharf kritisieren die Verbände die von Klöckner befürwortete Regelung, wonach die bisher zugelassenen Düngemengen zwar in den zu hoch belasteten Gebieten um 20 Prozent verringert werden sollen, diese Reduzierung aber nicht mehr für die betroffenen landwirtschaftlichen Flächen, sogenannte Schläge, gilt, sondern sich auf den Durchschnittswert pro landwirtschaftlichen Betrieb bezieht. Dabei soll es möglich sein, auch Flächen, die sich außerhalb der roten Gebiete befinden mit einzuberechnen. Eine solche Regelung lädt geradezu zum Missbrauch ein. Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): "Eine solche Durchschnittsbetrachtung löst die Probleme der vielerorts zu hohen Nitratbelastungen nicht. Der aktuelle Vorschlag der Bundesregierung bedeutet, dass das Düngen von düngeintensiven Sonderkulturen und Mais mit Flächen, die weniger gedüngt werden, schöngerechnet wird. Für bestimmte Sonderkulturen wie zum Beispiel Mais darf es deshalb keine Durchschnittsbetrachtung geben." Bei einer schlagebezogenen Berechnung müsse zusätzlich sichergestellt werden, dass extensiv genutzte Flächen nicht intensiviert und zur Entsorgung von Gülle genutzt werden, da dies die Biodiversität beschränken und den Artenverlust weiter beschleunigen würde. Damit die von der EU-Kommission geforderte flächen- bzw. schlagbezogene Reduzierung der Stickstoffeinträge von 20 Prozent eingehalten wird, und diese nicht am "grünen Tisch" verrechnet werden können, sei die Einführung einer Nachweispflicht für die Betriebsinhaber dringend erforderlich. Die Verbände fordern deshalb eine Umkehr der Beweislast, so dass nicht die Behörden die Einhaltung der neuen Regelungen nachweisen müssen. Mit dieser Beweislastumkehr könne wirklich etwas für den Wasserschutz getan werden. Mit den vorhandenen Betriebsdaten könnten landwirtschaftliche Betriebe den Nachweis leicht erbringen. Einen herben Rückschritt für den Gewässerschutz würde darüber hinaus auch die nun geforderte Lockerung des noch im Januar großartig angekündigten Verbotes der Herbstdüngung dar. Dieses Verbot sollte insbesondere für Winterraps und Zwischenfrüchte bestehen bleiben. Darüber hinaus seien sich alle Expert*innen darin einig, dass die Einhaltung und Kontrolle der Düngeregeln nur dann möglich und transparent ist, wenn eine Bilanzierung der Nährstoffeingänge und Ausgänge in einem Betrieb flächenscharf erkennbar werden. Deshalb muss nach Ansicht der Verbände die so genannte Stoffstrombilanzverordnung den neuen Gegebenheiten angepasst werden und eine vollständige Bestandsaufnahme ermöglichen. Dies ist zurzeit nicht gegeben. Betriebe mit einem hohen Düngebedarf sollten künftig keine Ausnahmeregelungen in Anspruch nehmen, es ist immer nachzuweisen, dass die Düngung auch reduziert wurde, z.B. durch eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft und/oder Fruchtwechsel. "Im Widerspruch zur EU-Nitratrichtlinie steht auch, dass die Bundesregierung Wiesen und Weiden in den roten Gebieten von den Verschärfungen ausklammern will. Diese Flächen drohen damit zur Gülle-Entsorgungsstelle zu verkommen – und zu einer Graswüste ohne Insekten. Dabei ist artenreiches Grünland in Deutschland schon jetzt stark gefährdet. Eine Beschwerde in Brüssel hierzu läuft bereits. Wenn sich die Lage des Grünlands nun noch weiter verschlechtert, riskiert die Bundesregierung nicht nur eine erneute Klage zum Düngerecht, sondern auch ein Verfahren zum Naturschutz", so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Außerdem sind die seit Jahrzehnten geforderten und nun auch vom Europäischen Gerichtshof gerügten Abstandsregelungen bei stark geneigten Hangflächen an Gewässern mit zwei Metern viel zu gering angesetzt. Alle Gewässerexpert*innen sind sich einig, dass ein Gewässerrandstreifen von mindestens zehn Metern gesetzlich verpflichtend gemacht werden muss, um die insbesondere nach Starkregenfällen deutschlandweit zu beobachtenden direkten Einschwemmungen in unsere Bäche und Flüsse zu verhindern. Geht nicht? Doch! Nach dem erfolgreichen Volksbegehren "Rettet die Bienen" sollen nun in Bayern im neuen Naturschutzgesetz u.a. solche Abstandsregelungen verbindlich eingeführt werden. Insgesamt sehen die Verbände die Vorschläge der Bundesregierung als ein Versagen an und fordern die EU-Kommission auf, dies im Sinne von Boden-, Gewässer-, Natur- und Trinkwasserschutz so nicht hinzunehmen, damit endlich die Forderungen aus der EU- Nitratrichtlinie erfüllt werden.
12.07.2019

Mehrere Verbände befürchten eine Zielverfehlung bei der Gülleverordnung. Foto: Archiv