Deutsche Forscher wollen Gentechnikrecht ändern

Die Politik darf sich nicht auf „interessengeleitete Stellungnahmen von Forschern“ stützen. Das erklärt der Geschäftsführer des Verbands Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) Alexander Hissting und bezieht sich dabei auf eine gemeinsame Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Darin fordern die Forscher, das EU-Gentechnikrecht zu ändern. Die Zulassung von Nutzpflanzen, die durch Neue Gentechnik hergestellt werden, soll dabei deutlich erleichtert und eine Kennzeichnung vermieden werden. Konkret schlagen die Wissenschaftsorganisationen vor, genom-editierte Organismen vom Gentechnikrecht auszunehmen „wenn keine artfremde genetische Information eingefügt ist und/oder eine Kombination von genetischem Material vorliegt, die sich ebenso auf natürliche Weise oder durch konventionelle Züchtungsverfahren ergeben könnte“. Ein „behördliches Vorprüfungsverfahren“ soll im Einzelfall klären, ob die Ausnahmeregel auf einen veränderten Organismus zutrifft. Trifft sie zu, dann würde auch die Kennzeichnungspflicht gestrichen. Langfristig wollen die Wissenschaftler das Gentechnikrecht komplett umgestalten. Die Regulierung soll nicht mehr primär an das Verfahren der genetischen Veränderung anknüpfen sondern an die daraus resultierende Merkmale. Das Recht soll also auf das Produkt bezogen werden, anstatt wie bisher auf das Verfahren. Ob und in welchem Umfang überhaupt eine Risikoprüfung notwendig wäre, sollten die Behörden im Einzelfall entscheiden. Die Forscher stellen auch die Registrierungspflicht für Freilandversuche in Frage. Die Wissenschaftsorganisationen begründen ihren Vorstoß damit, dass mit der Neuen Gentechnik „verbesserte Nutzpflanzen schneller und zielgerichteter gezüchtet werden“ könnten als bisher. Bereits jetzt seien weltweit „bereits mehr als 100 bekannte und (potenziell) marktfähige genom-editierte Nutzpflanzensorten, die Vorteile für Ernährung und Landwirtschaft aufweisen“ bekannt. In vielen Staaten außerhalb der Europäischen Union würden „genom-editierte Pflanzen, die keine artfremde genetische Information enthalten, von GVO-bezogenen Regelungen ausgenommen.“ Auf fruchtbaren Boden fallen solche Forderungen bei Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Sie schreibt in einem Artikel für die Frankfurter Allgemeine: „Ich setze auch auf mehr Offenheit und Fortschritte in der Pflanzenzucht für klima- und schädlingsresistente Pflanzen durch Gen-Scheren wie Crispr-Cas und eine differenziertere, liberalere Handhabung der Zulassung durch den europäischen Gesetzgeber und die europäischen Gerichte.“ Die Ministerin forderte „die ‚Berufsablehner’ auf, endlich ideologiefrei und verantwortungsvoll über eine differenzierte Zulassung von Crispr-Verfahren für die Pflanzenzucht zu diskutieren.“ Die gentechnikkritische Organisation Testbiotech hält die Zusammensetzung der Expertengruppe, die die Stellungnahme erarbeitete, für fragwürdig. „Ihr gehören mehrere EntwicklerInnen gentechnisch veränderter Organismen an, die Patente auf entsprechende Verfahren und Pflanzen angemeldet haben“, schrieb Testbiotech. Sie hätten damit auch ein offensichtliches Interesse an der Anwendung der Gentechnik und ihrer kommerziellen Verwertung. „Eine verantwortungsvolle Politik stützt sich nicht auf interessengeleitete Stellungnahmen von Forschern, sondern auf das Vorsorgeprinzip der EU-Gesetzgebung“, argumentiert VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting: „Die Produkte einer neuen Technik einfach zu deregulieren und sie ohne Risikoabschätzung, Zulassung und Rückholbarkeit auf den Markt zu bringen, wäre verantwortunglos.“ Sollten diese Produkte so sicher sein, wie ihre Befürworter behaupten, „dann lässt sich das in einem Zulassungverfahren wissenschaftlich belegen und es gibt keinen Grund, Angst vor einem solchen Verfahren zu haben.“