Neue Gentechnik: Anhörung mit unausgewogener Zusammensetzung

Eine „völlig unausgewogene Zusammensetzung“ einer Anhörung der EU-Kommission zu Fragen der neuen Gentechnik kritisiert der Geschäftsführer des Verbands Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), Alexander Hissting. Dass die EU-Kommission vor einer Entscheidung die Vertreter unterschiedlicher Interessen anhört, ist gut. Weniger gut ist es, dass die Kommission diese Vertreter immer wieder einseitig auswählt und wichtige Interessen wie Umwelt- oder Verbraucherschutz dabei gerne unter den Tisch fallen, teilt der VLOG mit. Ein aktuelles Beispiel habe gerade EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides abgeliefert, wie eine Analyse der Lobby-Kontrolleure von Corporate Europe Observatory (CEO) zeige. Kyriakides soll bis April 2021 eine Untersuchung über neue gentechnische Verfahren und deren Regulierung vorlegen. In einem ersten Schritt hat sie für den 10. Februar Interessenvertreter eingeladen, mit ihr über das Design dieser Studie zu reden. Sie will dabei einen Fragebogen besprechen, mit dessen Hilfe dann bis Ende April die Positionen der einzelnen Organisationen erfasst werden sollen. Da Inhalt und Art der Fragestellung das Ergebnis stark beeinflussen können, kommt diesem Vorbereitungstermin wesentliche Bedeutung bei. Die Lobby-Kontrolleure von CEO haben die von der Generaldirektion veröffentlichte Liste der geladenen Organisationen analysiert: „Von 94 geladenen Verbänden vertreten über 70 Prozent die Interessen der industriellen Land- und Lebensmittelwirtschaft“, schreibt CEO-Expertin Nina Holland auf Euractiv. Dagegen seien nur 11 Organisationen eingeladen worden, die Interessen der Zivilgesellschaft wie Umwelt- und Verbraucherschutz vertreten. Das sind weniger als 12 Prozent. Detailliert listet Holland in ihrem Artikel auf, dass die Interessen der großen Gentechnikkonzerne von sechs Industrievereinigungen vertreten würden, in denen sie Mitglied seien. Einzelne Konzerne wären zudem in weiteren Lobbyverbänden aktiv. Eingeladen habe die Generaldirektion auch zahlreiche Organisationen, die einzelne Sparten der Land- und Lebensmittelwirtschaft vertreten, von den Fischverarbeitern bis zu den Landmaschinenherstellern. Dagegen seien biologische Landwirtschaft und Kleinbauern nur mit drei Organisationen vertreten. „Und das, obwohl die neue Kommission öffentlich erklärt hat, dass sie die ökologische Landwirtschaft fördern würde“, merkt Holland an. „Eine derart voreingenommene Konstellation gibt Anlass zu der Sorge, dass die Studie so angelegt wird, dass sie zu einem vorher festgelegten Ergebnis führt“, lautet das Fazit der Lobby-Expertin. Der VLOG war zu dieser Anhörung nicht eingeladen. „Anscheinend hatte die Kommissarin die gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft als EU-weit stark wachsenden Wirtschaftszweig überhaupt nicht auf dem Schirm“, vermutet VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting. Durch eine kurzfristige Intervention bei der Generaldirektion Gesundheit gelang es dem VLOG, zusammen mit der österreichischen ARGE Gentechnikfrei doch noch eingeladen zu werden. An der völlig unausgewogenen Zusammensetzung der Anhörung ändere das wenig, sagt Hissting. „Aber wir werden die Gelegenheit nutzen und die mit der geplanten Deregulierung des Gentechnikrechts verbundenen Nachteile und Gefahren deutlich zur Sprache zu bringen.“