Demokratie stärken und Nachhaltigkeit voranbringen

In Reaktion auf die EU-Wahl sieht nicht nur der Anbauverband Demeter mit Sorge, dass Europa „stark nach rechts rückt“, fordert nicht nur der Deutsche Naturschutzring (DNR), den Green Deal konsequent weiterzuverfolgen, ist für den BUND ein echter Neustart in der EU-Agrar- und -Ernährungspolitik das Gebot der Stunde und fordert Germanwatch die EU auf, für die Landwirtschaftspolitik eine klare neue Vision und einen entsprechenden Handlungsrahmen zur Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise sowie von Umwelt- und Gesundheitsrisiken zu schaffen.

Demeter: Demokratie stärken und Nachhaltigkeit voranbringen

„Mit Sorge sehen wir, dass Europa mit der Wahl stark nach rechts rückt“, erklärt Alexander Gerber, Vorstand des Demeter e.V. „Die neuen Europaparlamentarier:innen fordern wir auf, sich für starke demokratische Grundwerte in Europa einzusetzen. Das bedeutet für uns auch, die Nachhaltigkeitsziele in der Agrarpolitik konsequent weiterzuverfolgen und umzusetzen, Verbraucherwillen bei der Wahlfreiheit für gentechnikfreie Lebensmittel zu respektieren und das Vorsorgeprinzip in Bezug auf neue Agrartechnologien weiterhin sorgfältig anzuwenden. Zusammengefasst gilt für die neuen Parlamentarier:innen jetzt noch mehr denn je: Demokratie stärken und Nachhaltigkeit voranbringen“, so Gerber.

„Wir freuen uns, dass mit Martin Häusling wieder ein Bio-Landwirt in das Europaparlament gewählt wurde, der sich fachkundig für Belange des Ökolandbaus einsetzt. Wenn wir das Ziel 25% Ökolandbauanteil in Europa erreichen wollen, brauchen wir dafür starke Stimmen im Parlament. Wir selbst werden uns weiterhin intensiv in die Debatten einbringen“, erklärt Gerber.

DNR: Brandmauer gegen Rechtsaußen muss stehen

„Trotz deutlicher Zugewinne der rechtsextremen Parteien haben in Europa – anders als teils vorausgesagt – die demokratischen Parteien gesiegt. Jetzt muss die Brandmauer gegen Rechtsaußen stehen: EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen als Wahlsiegerin darf sich keinesfalls von rechtsextremen Parteien wählen lassen“, kommentiert DNR-Präsident Kai Niebert das Europawahlergebnis. Es liege nun an von der Leyen, einen Pakt für die Zukunft Europas zu schließen, hinter dem sich die demokratischen Parteien versammeln können. „Wir rufen alle EU-freundlichen und demokratischen Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf, sich zusammenzuschließen und gemeinsam für die EU und ihre Errungenschaften wie den Green Deal zu kämpfen“,erklärt Niebert.

Denn für die Bürger*innen sei klar: „Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit – Klimaschutz ist eine Frage der Sicherheit. Die katastrophale Überschwemmung in Süddeutschland mit enormen volkswirtschaftlichen Schäden hat einmal mehr gezeigt, dass die gewählten Politiker*innen nun ihrer Pflicht nachkommen müssen, alle Menschen in Europa vor Bedrohungen zu schützen. Ursula von der Leyen hat es als konservative Politikerin vor Jahren richtig erkannt: Europa kann seinen Wohlstand nur erhalten, wenn es die Folgen der Klimakrise eindämmt und ihre Ursachen bekämpft. Umso wichtiger wird es nun, dass sie den Green Deal konsequent fortsetzt – zum Wohl der Menschen und zum Wohl der Natur“, so Niebert.

BUND: Ohne ambitionierten Klimaschutz keine Sicherheit für unsere Gesellschaft

"Bei der Europawahl standen Themen wie Sicherheit und Inflation im Fokus der Wahlentscheidung vieler Wähler*innen. Über den Wahltag und die Ergebnisse hinaus muss allen klar sein: Ohne einen ambitionierten Klimaschutz und ohne die Renaturierung von Ökosystemen kann es keine Sicherheit für unsere Gesellschaft und die Wirtschaft geben“, sagt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Dazu nennt der BUND-Vorsitzende ein Beispiel aus jüngster Zeit: „Die Hochwasser sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass intakte Moore, Wälder und Flussauen unverzichtbare Wasserspeicher sind. Ohne ihren Schutz und ihre Förderung geht es nicht. Naturschutz ist überlebenswichtig. Wird die Klimakrise nicht eingedämmt, werden diese Katastrophen weiter zunehmen. Klimaschutz ist kein Selbstzweck, er ist die Bedingung für Wohlstand und Freiheit in Zukunft.“

Die neuen EU-Abgeordneten sollten nach Ansicht von Bandt nicht der Versuchung erliegen, das Wahlergebnis als Auftrag zur Abschwächung der europäischen Klima- und Naturschutzpolitik zu lesen. „Sie müssen den Green Deal fortschreiben, die nötigen Investitionen sicherstellen, um die EU zukunfts- und wettbewerbsfähig zu machen. Dazu gehört auch eine wirtschaftlich sinnvolle Agrarpolitik. Sie ist eng mit einem stabilen Klima und gesunden Ökosystemen verbunden. Ohne sie werden die Unsicherheiten für die Bäuer*innen weiter zunehmen. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft hängt maßgeblich von der Qualität der Produkte und den Standards ab. Ein echter Neustart in der EU-Agrar- und -Ernährungspolitik ist daher das Gebot der Stunde. Ein weiterer Abbau von Umweltstandards führt nur tiefer in die Krise", erklärt der BUND-Vorsitzende.

Germanwatch fordert nach der Europawahl eine EU-Kommission aus der proeuropäischen politischen Mitte und politische Leitlinien für die Stärkung eines sozial gerechten Green Deals

Mit großer Sorge blickt die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch auf den Ausgang der Europawahlen. Zwar zeigten die Ergebnisse immerhin, dass weiterhin eine klare Mehrheit der Menschen will, dass die EU demokratisch und gemeinsam Antworten auf die zentralen Krisen unserer Zeit findet. Dies werde nun aber angesichts der starken regionalen Unterschiede der Stimmenverteilung und des insgesamt starken Zuwachses bei rechtsradikalen und –extremen Parteien schwieriger. „Parteien, die die EU, demokratische Werte, Menschenwürde und ökologische Lebensgrundlagen zerstören wollen und zugleich mit Autokraten weltweit sympathisieren, sollten die Politik der EU nicht mitbestimmen. Alle Parteien, die nicht im populistischen oder gar extremistischen Spektrum zu verorten sind, müssen im neuen Europaparlament zusammenstehen. Wir brauchen ihre Entschlossenheit zu einer konstruktiven Zusammenarbeit für eine zukunftsfähige EU, die sich nicht lähmen lässt von destruktiven Kräften“, betont Silvie Kreibiehl, Vorstandsvorsitzende von Germanwatch.

Kreibiehl weiter: „Populistische Narrative entzaubert man am besten durch positive Zukunftsbilder und konstruktive politische Arbeit. Es ist jetzt Aufgabe der politischen Mitte, Mut zur nachhaltigen Erneuerung zu machen und zu zeigen, dass sie sozial gerecht machbar ist. Sie ist zudem bitter nötig, um den Wohlstand in Europa zu sichern und weltweit zu unterstützen. Nun kommt es vor allem auf die Zusammensetzung der neuen Kommission und ihre politischen Leitlinien an. Diese müssen eine zukunftsfähige Politik der EU sicherstellen, die einer in Teilen der Bevölkerungen herrschenden Sorge vor sozialen Verwerfungen durch den Wandel zur Klimaneutralität aktiv begegnet. Es geht um einen sozial gerecht und solidarisch gestalteten Wandel mit guten Perspektiven für alle. Dafür nötig ist auch konstruktives Streiten der demokratischen Parteien um die besten Lösungen statt einem Infragestellen der grundlegenden Ziele.“

Der Green Deal muss nach Ansicht von Germanwatch ambitioniert weiterentwickelt werden und dabei Zukunftschancen wie Energiesicherheit sowie den Umbau zu einer innovativen klimafreundlichen Industrie nutzen. Zentral werde sein, dass Mitgliedsstaaten und Parlament mit Blick auf die Kommission nur Kandidat:innen mit klarem Bekenntnis zur EU, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zum Zug kommen lassen.

Auf die Bundesregierung und die neuen Abgeordneten der proeuropäischen Parteien aus Deutschland komme es besonders an. Silvie Kreibiehl: „Jüngste Umfragen zeigen, dass die gesellschaftliche Unterstützung für mehr Klimaschutzmaßnahmen in der gesamten politischen Mitte weiterhin groß ist. Die Bundesregierung sollte im Europäischen Rat Motor für eine innovative und sozial gerechte Umsetzung des Green Deal sein und andere Mitgliedsstaaten dabei mitnehmen.“

Für den Bereich Landwirtschaft und Ernährung müsse die Gemeinsame Agrarpolitik neu ausgerichtet werden. Dazu Germanwatch: „In der Landwirtschaftspolitik muss die EU eine klare neue Vision und einen entsprechenden Handlungsrahmen zur Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise sowie von Umwelt- und Gesundheitsrisiken schaffen. Zur langfristigen Sicherung unserer Ernährung muss sie zudem rasch für eine Anpassung der Nahrungsmittelproduktion an den fortschreitenden Klimawandel sorgen. Auch auf die besondere Förderung strukturell schwächerer Betriebe sollte die neue gemeinsame Agrarpolitik, die ab 2027 in Kraft treten wird, frühzeitig ausgerichtet werden. Gefördert werden sollten insbesondere der Umbau zu einer nachhaltigen und artgerechten Tierhaltung, die Wiedervernässung von Mooren und die Reduktion der regionalen Stickstoffüberdüngung mit mineralischen und organischen Düngern. Zudem sind Anreize zur Stärkung der Artenvielfalt und der Kohlenstoffsenken nötig. Parallel sollten dazu im Rahmen der Gesundheitspolitik neue Initiativen für eine gesunde, pflanzlichere und vielfältige Ernährung der Verbraucher:innen aufgelegt werden, insbesondere aus regionalem Anbau.“

Wahlgewinner ist die Mitte-Rechts-Fraktion EVP: Diese kommt auf 186 Sitze (+10 Sitze). Die rechtspopulistischen bis hin zu rechtsextremen Fraktionen EKR und ID kommen auf 73 Sitze (+4 Sitze) und 58 Sitze (+9 Sitze). Verlierer sind die Grünen mit 53 Sitzen (-18 Sitze) sowie die liberale RENEW-Fraktion mit 79 Sitzen (-23 Sitze). Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung - bpb