Derzeit sind lediglich drei Prozent der weltweiten Soja-Anbaufläche von 130 Millionen Hektar mit Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert – und selbst diese Standards weisen gravierende Defizite auf. Das zeigt eine jetzt vom WWF Deutschland in Zusammenarbeit mit Profundo und der Weltnaturschutzunion IUCN durchgeführte Untersuchung. Zum Vergleich: Die Anbaufläche von Palmöl liegt derzeit weltweit bei rund 20 Millionen Hektar.
Von insgesamt 20 untersuchten freiwilligen Standardsystemen und Richtlinien erfüllen nur wenige die grundlegenden Nachhaltigkeitskriterien. Die Analyse bewertete Kriterien wie etwa Entwaldung, Verlust von Biodiversität, soziale Belange und Menschenrechte oder die Rückverfolgbarkeit. Von den untersuchten Standards schneiden nur RTRS, Donau Soja, Europe Soya, ProTerra und ProTerra Europe sowie ISCC EU und ISCC Plus angemessen ab, das heißt, die erfüllen die einzelnen untersuchten Nachhaltigskeitskriterien vollständig oder zu großen Teilen. Die Analyse verdeutlicht laut WWF, dass die Soja-Industrie weiterhin eine erhebliche Bedrohung für die Natur darstellt. Billiges Soja für die konventionelle Massentierhaltung werde, so die WWF-Kritik, auf Kosten von Ökosystemen, den Arbeitern auf den Feldern und den Menschen vor Ort produziert.
„Soja kann nachhaltig produziert werden, derzeit steht der Sojaanbau jedoch größtenteils noch für Entwaldung und Naturzerstörung in vielen Regionen der Welt. Wir müssen sicherstellen, dass Nachhaltigkeitsversprechen nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sondern echten Schutz für die Menschen vor Ort und die Natur bringen“, so Maja-Catrin Riecher, Referentin für Nachhaltige Agrarrohstoffe beim WWF Deutschland. „Die gravierenden Probleme und negativen Folgen werden jedoch von den großen, deutschen Herstellern für Tierfutter, den Verarbeitern und dem Handel bisher größtenteils ignoriert.“
Besorgniserregend ist laut Riecher vor allem die mangelnde Rückverfolgbarkeit, ein Schlüsselaspekt für die Einhaltung der künftigen EU-Vorschriften sowie der Absicherung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten. Unternehmen, die Soja in ihrer Lieferkette haben, und Zertifizierungssysteme dürfen sich aber nicht nur auf die gesetzlichen Regelungen zur Entwaldung reduzieren, um Biodiversität zu schützen, den Klimawandel einzudämmen und die Rechte von indigenen und lokalen Bevölkerungsgruppen zu achten. Dafür braucht es echtes Engagement in der Lieferkette, ob mit Zertifizierungssystemen, Einbindung der Lieferanten oder Unterstützung von Landschaftsprogrammen.
Zum Hintergrund teilt der WWF mit: In Zusammenarbeit mit Profundo und dem IUCN National Committee der Niederlande hat der WWF Deutschland eine Aktualisierung und Erweiterung des "Soy Voluntary Sustainability Standards" (Soja-VSS) Benchmark-Berichts veröffentlicht. Dieser Bericht wurde im Rahmen des gemeinsamen Projekts "Tackling the main drivers of deforestation and conversion in Brazil" von WWF Brasilien und WWF Deutschland erstellt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert und von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH unterstützt.
Der Bericht untersucht 20 freiwillige Standardsysteme (VSS) sowie die Soja-Beschaffungsrichtlinien der European Feed Manufacturers' Federation (FEFAC SSG). Hierfür wurden die Standards anhand von 49 grundlegende Bestimmungen und 11 zusätzliche Anforderungen in den Bereichen Nachhaltigkeit, wie z.B. Entwaldung, Landschafts- und Artenverlust, soziale Fragen und Menschenrechte, Rückverfolgbarkeit sowie Governance und Kontrolle, bewertet. Die Kriterien beziehen sich auf die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), die Core Principles der Accountability Framework Initiative (AFi), die kommende EU-Richtlinie für unternehmerische Sorgfaltspflicht in Sachen Nachhaltigkeit (CSDDD) und FEFAC SSG.