69,6 Cent pro Kilogramm Rohmilch: Das müssten Bioland- und Naturland-Milcherzeuger aktuell bekommen, um nachhaltig wirtschaften zu können. Die beiden größten deutschen Öko-Anbauverbände hatten bereits im Sommer 2023 gemeinsam berechnet, welcher Erzeugerpreis die hohen Aufwände bei der Bio-Milcherzeugung nach Bioland- und Naturland-Richtlinien deckt. Nun haben sie den Preis auf Basis einer aktuellen Berechnung angepasst.
„Die Demonstrationen um den Agrardiesel haben es mal wieder gezeigt: Die Marktstellung der Landwirtinnen und Landwirte ist viel zu schwach. Denn wer auf Subventionen angewiesen ist, bekommt nicht genug Geld für seine Arbeit. Vor allem Bio-Erzeuger betreiben enorm großen Aufwand, um einen besonders hohen Nachhaltigkeits-Standard umzusetzen. Mit dem Orientierungspreis wollen wir deutsche Öko-Anbauverbände die Richtung weisen, in die es zu einer Vollkostendeckung gehen muss. Will man ernsthaft die Erzeugerbasis sichern, muss dieser Weg in den Fokus rücken“, sagt Bioland-Präsident Jan Plagge.
Naturland-Präsident Hubert Heigl ergänzt: „Wer besondere Leistungen für Tierwohl, Umwelt, Arten und Klima erbringt, der muss den Gegenwert nachher auch auf seinem Betriebskonto wiederfinden, um auf Dauer nachhaltig wirtschaften zu können. Von der Vollkostendeckung sind aber viele Bio-Milcherzeuger leider noch ein Stück weit entfernt. Wenn es künftig nicht weniger, sondern mehr von ihnen geben soll, muss diese Lücke sukzessive geschlossen werden.“
Leichte Erhöhung aufgrund gestiegener Kosten
Im Vergleich zur Berechnung im letzten Sommer ist der Orientierungspreis leicht angestiegen. Der aktualisierte Orientierungspreis wurde auf das geänderte Kostenniveau zum Stand Januar 2024 angepasst. Die Preise für Strom und Milchleistungsfutter sind etwas gesunken, gleichzeitig haben sich Lohnkosten sowie Kosten für Betriebsmittel, Reparaturen und Investitionen für Gebäude und Maschinen erhöht. Dadurch steigt der Orientierungspreis unter dem Strich um 2,6 Cent auf 69,6 Cent je Kilogramm Rohmilch.
Der Orientierungspreis ist ein für die Bioland- und Naturlandbetriebe in Deutschland ermittelter Preis. Grundsätzlich sind die Vollkosten je nach Betriebsstruktur unterschiedlich und können durch folgende Faktoren beeinflusst werden: Anzahl der Kühe, Rasse der Tiere, Betriebsgröße, Milchleistung, Flächenausstattung, klimatische Bedingungen, Struktur der Betriebe. Um die Nachhaltigkeitsleistungen bei der Bio-Milch-Produktion auch langfristig darstellen zu können, wird der Preis regelmäßig aktualisiert.
Zu einem möglichen weiteren Schritt hatten die zwei Verbände im Sommer 22023 mitgeteilt: „Eine Weiterentwicklung als verbindliche Nachhaltigkeitsvereinbarung unter Art. 210a GMO („Gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse“) ist im nächsten Schritt denkbar. Ziel dieser neuen EU-Ausnahme vom Kartellrecht ist es, den landwirtschaftlichen Erzeugern langfristige Partnerschaften mit ihren Abnehmern und kostendeckende Preise für freiwillige Nachhaltigkeitsleistungen in den Bereichen Tierwohl, Biodiversität, Kreislaufwirtschaft, Klima- und Umweltschutz zu ermöglichen.“
Der Ökomarkt als Testballon?
In einem „Gespräch über volatile Milchpreise und politische Dialoge in folgenlosen Endlosschleifen" im kürzlich vorgelegten Kritischen Agrarbericht 2024 erklären AbL-Milchbauer Ottmar Ilchmann und BDM-Milchbauer Elmar Hannen: „Angewandt wird der 210a bisher noch nirgends. Aktuell erarbeiten Bioland und Naturland dafür ein Konzept, auch auf Basis ihres neuen Kostenindex für Biomilch. Sie werden versuchen, woran wir gescheitert sind: dass nicht nur die Mehrwerte, sondern auch die Grundkosten einberechnet werden können.“ Und Elmar Hannen fährt fort: „Den 210a zu nutzen und die Preisuntergrenze einzubauen – das ist natürlich ein Drahtseilakt. Das haben wir beim Kartellamt schon gespürt. Die EU-Kommission aber wartet auf nationale Fallbeispiele, um daran ihre eigene Ausrichtung festmachen zu können. Das gibt ein bisschen Hoffnung, dass der Ökomarkt Testballon wird für andere Dinge, die man sich unter Vertragsgestaltung in Zukunft vorstellen könnte.“