Biomilchviehhaltung: Führt weniger Kraftfutter zu mehr Erfolg?

Mit dieser Frage als Überschrift haben die Bioland-Berater Otto Volling und Sören Binder einen Beitrag im Newsletter „Ökolandbau NRW“ der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen vom 27.01.23 veröffentlicht. In der folgenden Stellungnahme gibt Onno Poppinga die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung wieder und nimmt eine kritische Würdigung vor.

Verfasser des Textes sind Otto Volling und Sören Binder, beides Autoren mit langjähriger Erfahrung in der Biolandberatung. Es ist zu begrüßen, dass sich jetzt auch die Biolandberatung mit der Frage beschäftigt, ob es nicht auch mit weniger Kraftfutter in der Milchviehfütterung geht.

Untersucht wurden mit den Daten des Wirtschaftsjahres 2019/20 93 Biomilchviehbetriebe in Deutschland. Angewendet wurde die Vollkostenrechnung. Es wurden zwei Gruppen gebildet: Fütterung mit weniger als 150 gr Kraftfutter je kg Milch ( 16 Betriebe ;Gruppe 1) und Betriebe mit mehr als 150 gr Kraftfutter je kg Milch (77 Betriebe; Gruppe 2). Die beiden Gruppen waren deutlich unterschiedlich in der Flächenausstattung: Gruppe mit wenig Kraftfutter 67 ha Grünland, 47 ha Ackerland und Gruppe mit mehr Kraftfutter 83 ha Grünland und 66 ha Ackerland. Auch die Zahl der Milchkühe ist sehr unterschiedlich: 69 Kühe erste Gruppe, 102 Kühe zweite Gruppe. In der Gruppe mit weniger Kraftfutter hielten 56 Prozent der Betriebe Milchviehrassen, in der zweiten Gruppe war ihr Anteil mit 71 Prozent größer. (Eine Schlussfolgerung der beiden Autoren: auch Milchviehrassen kommen mit einer deutlichen Verminderung des Kraftfutters zurecht). Der Kraftfuttereinsatz je Kuh lag bei der Gruppe kraftfutterreduziert bei 6,7 dz je Kuh; bei der mit höherem Kraftfuttereinsatz bei 19,1 dz. Die Milchleistung je Kuh betrug bei der ersten Gruppe 5.845 kg, bei der zweiten 7.349 kg. Zum wirtschaftlichen Ergebnis heißt es zusammenfassend: „Die energiefutterreduziert wirtschaftenden Betriebe benötigen einen um 10 % höheren vollkostendeckenden Milchpreis als die anderen Betriebe. Wird der Cashflow je kg Milch berechnet, sind die energiefutterreduziert wirtschaftenden Betriebe im Vorteil gegenüber den anderen Betrieben. Somit erscheint die Milchviehhaltung mit weniger Kraftfutter eher für Betriebe mit viel eigener Fläche, wenigen Fremdarbeitskräften und wenig Fremdkapital geeignet. In Bezug auf die Milchkuh oder die eigene Hauptfutterfläche gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Betriebsgruppen“.

Die Darstellung der Kostenunterschiede zwischen den beiden Gruppen hat es mit dem Problem zu tun, dass die Autoren nicht die Ergebnisse für alle Betriebe auswerten, sondern nur diejenigen der Betriebe mit 40 – 100 Milchkühen. Es wird aber nicht mitgeteilt, wie viele Betriebe nach dieser Umgruppierung noch in der Gruppe 1 bzw. in der Gruppe 2 sind. Angesichts der geringeren Durchschnittszahl der Kühe in der Gruppe 1 liegt es nahe zu vermuten, dass vor allem Betriebe der Gruppe 2 aussortiert worden sind. Das muss aber keineswegs sein: es gibt sowohl im Norden wie im Süden kraftfutterreduziert wirtschaftende Betriebe mit deutlich mehr als 100 Kühen. Bei geringen Betriebszahlen kann leicht ein „Ausreißer“ unter den Betrieben den Eindruck stark verändern.

Nun zu einigen Fragen zu dem Beitrag:

-Die Autoren haben eine Fallstudie ohne den Anspruch auf Repräsentativität gemacht. Das ist soweit auch in Ordnung. Trotzdem: wenn man eine sehr allgemein gestellte Frage beantworten will („Führt weniger Kraftfutter zu mehr Erfolg?“), dann sollte man schon versuchen, die Verteilung der untersuchten Betriebe nach Zahl, Flächenausstattung und Zahl der Milchkühe in der Grundgesamtheit und die in der Stichprobe anzunähern. Das ist bei der Studie aber überhaupt nicht der Fall: beispielsweise werden allein aus Niedersachsen mit 25 Betrieben genauso viel Betriebe untersucht wie aus Bayern und Baden-Württemberg zusammen. Die Zahl der Bio-Milchviehbetriebe ist aber in Bayern und Baden-Württemberg größer. Dadurch verschieben sich alle Durchschnittsangaben.

-Es ist seit geraumer Zeit zu beobachten, dass die Biolandberatung die wirtschaftlichen Daten der Milchviehbetriebe nicht mehr „herausrücken“ will. So auch hier: allein die nachträgliche Einschränkung der Auswertung auf die Betriebe mit 40 - 100 Kühe macht es unmöglich, die Aussagen im einleitenden Teil der Studie mit der Tabelle „Differenz der Kosten zwischen beiden Gruppen“ zu verknüpfen. Für dieses Verhalten mag es Gründe geben (welche?), sie führt aber dazu, dass in Veröffentlichungen wie der vorliegenden alles unbestimmt bleibt und nicht mehr nachvollziehbar ist. Welches Interesse führt beispielsweise dazu, nicht einfach die übliche Darstellung der wirtschaftlichen Kenndaten zu verwenden (beispielsweise wie bei den Testbetrieben) sondern nur die Differenzen zwischen verschiedenen Kenngrößen der beiden Gruppen zu nennen. Gut, absolute Werte zu Kosten und Einkommen kann man so zurückhalten, aber was ist die Absicht?

Ärgerlich ist es, wenn in der Interpretation klare Aussagen getroffen werden - beispielsweise: für die Wirtschaftlichkeit einer kraftfutterreduzierten Fütterung sei es von Vorteil, wenn die Betriebe mit „wenig Fremdkapital“ wirtschaften - die absoluten Werte aber nicht mitgeteilt werden. Das geht einfach nicht.

-Überraschend ist auch, dass keine Aussage zum Wirtschaftsjahr gemacht wird. Gerade wenn festgestellt wird, dass in den kraftfutterarm wirtschaftenden Betrieben das Grünland und der Weidegang eine besonders große Bedeutung haben, hätte man doch Aussagen treffen müssen zu den Folgen der Sommerstrockenheit im Wirtschaftsjahr 2019/2020.

-Seit längerem wird auch bei Bioland auf die vielen Vorteile von Grünland und Weidegang hingewiesen. Es ist bedauerlich, dass die beiden Berater diese Vorteile der kraftfutterreduziert wirtschaftenden Betriebe nicht ansprechen und hervorheben.