Ende der Anbindehaltung: Politik ist gefordert, Weg für Bäuerinnen und Bauern aufzuzeigen

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt vor dem Hintergrund eines jetzt von ihr vorgelegten Gutachtens die Abschaffung des dauerhaften Anbindens der Kühe im Stall. In einem Dringlichkeitsantrag von CSU und Freien Wählern im bayerischen Landtag wird die Bundesregierung zur Klärung offener Fragen im Zusammenhang mit der Anbindehaltung aufgefordert. Und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fordert die Politik auf, einen konkreten Umbauweg für die Betriebe aufzuzeigen.

Über das Ende einer dauerhaften Anbindehaltung besteht weitestgehend Einigkeit. Das Wie und ein konkreter Zeitpunkt existiert jedoch noch nicht. So heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus dem Jahr 2021, die „Anbindehaltung spätestens in zehn Jahren beenden“. Da wären wir im Jahr 2031. Im letzten Jahr, also 2022, hat Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ebenfalls erklärt, die Anbindehaltung in zehn Jahren zu beenden, womit wir im Jahr 2032 wären. Und in dem Dringlichkeitsantrag von CSU und Freien Wählern steht: „Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die Tierhaltung in Deutschland „umzubauen“ und u. a. die Anbindehaltung bis 2030 in Deutschland abzuschaffen.“

EFSA empfiehlt Abschaffung der dauerhaften Anbindehaltung

Ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen hat die EFSA die Abschaffung der dauerhaften Anbindehaltung empfohlen und stützt sich dabei auf ein jetzt vorgelegtes Gutachten. Ein wichtiger Faktor für das Wohlergehen von Milchkühen ist laut EFSA ausreichend Platz zum Bewegen und Ausruhen. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass das Wohlergehen von Kühen, die dauerhaft in Ställen angebunden sind, beeinträchtigt ist. Diese Praxis sollte nach Ansicht der EFSA vermieden werden. Jede Kuh sollte Zugang zu einem Innenbereich haben, der insgesamt mindestens 9 m² umfasst – einschließlich eines Bereichs zum Hinlegen.

Weitere Empfehlungen lauten laut EFSA wie folgt: Zugang zu Weideflächen mit trockenen und schattigen Bereichen; regelmäßige Überwachung auf Lahmheit, Mastitis und Stoffwechselstörungen sowie Verwendung von Bürsten in allen Systemen zur losen Unterbringung (d.h. in Systemen, in denen die Kühe nicht angebunden sind), um Kühen die Möglichkeit zu geben, natürlichen Verhaltensweisen wie Kratzen nachzugehen und ihren Körper zu pflegen. Bei Haltung in Boxenställen sollten die Kühe über einen eigenen Platz und ausreichend dickes Einstreumaterial verfügen.

CSU/Freie Wähler: Vorteile der Kombinationshaltung sind vielfältig

Die Anbindehaltung ist auch Thema in einem Dringlichkeitsantrag, den CSU und Freie Wähler im bayerischen Landtag eingebracht haben. In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt und da wird in dem Antrag die Bundesregierung neben mehreren anderen Themen eben auch bezüglich ihres Verhaltens zur Anbindehaltung kritisiert. In dem Antrag heißt es dazu: „Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die Tierhaltung in Deutschland „umzubauen“ und u. a. die Anbindehaltung bis 2030 in Deutschland abzuschaffen. Jedoch hat sie bis jetzt nicht weiter definiert, ob es sich dabei lediglich um die ganzjährige Anbindehaltung handeln soll oder um jegliche Formen der kombinierten Haltung. Etwa die Hälfte der bayerischen Milchviehbetriebe betreibt noch unterschiedliche Formen der Anbindehaltung, das betrifft ca. ein Viertel aller bayerischen Kühe. Die Vorteile einer Kombinationshaltung sind vielfältig, angefangen von der Bedeutung des Weidegangs für das Tierwohl der Rinder, über die Artenvielfalt von Pflanzen und Insekten, CO2-Speichernutzen von Weiden und Mähweiden bis hin zur engen Beziehung zwischen dem Landwirt zu seinen Tieren.“
Die agrarpolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag, Gisela Sengl, sprach sich gegen die ganzjährige und für den Erhalt der saisonalen Anbindehaltung aus. Aus ihrer Sicht wird sich die Almbewirtschaftung in Bayern „nur so erhalten lassen“.
Minister Özdemir hatte sich im letzten Jahr beim Besuch eines Betriebs mit Kombihaltung „angetan“ von dieser Haltungsweise gezeigt und eine Lösung zur Anbindehaltung noch für diese Legislaturperiode angekündigt.

AbL: Umbauweg aufzeigen

Vor diesem Hintergrund erklärt Elisabeth Wainzenegger, Milchbäuerin in Bayern und Mitglied im Bundesvorstand: „Die Bäuerinnen und Bauern werden verunsichert, wenn im Zusammenhang mit der Anbindehaltung mit nicht offiziell bestätigten Terminen und ungenauen Begrifflichkeiten hantiert wird. Es ist an dieser Stelle notwendig, genau die Begriffe zu differenzieren. Haltungssysteme, in denen die Tiere über längere Zeit keinen Auslauf haben, müssen aus Sicht der AbL umgebaut werden. Es muss jetzt auch geklärt werden, wie dieser Umbauweg aussieht, um möglichst vielen Höfe zu erhalten. Es braucht einen Zeitrahmen, der praxisgerecht ist, wirtschaftliche Perspektiven, langfristige Verlässlichkeit für die Höfe und ein Beratungsangebot. Die Bäuerinnen und Bauern der AbL haben zu diesen Fragen ein Papier entwickelt. Statt Wahlkampfparolen fordert die AbL alle Beteiligten auf, diesen Prozess für die Bäuerinnen und Bauern zu gestalten.“

„Ein Umbau der Anbindehaltung ist unausweichlich“, heißt es auch in dem AbL-Papier „Bäuerinnen und Bauern gestalten Umbau der Milchkuhhaltung“. Der Umbau der Anbindehaltung kann dabei nach Ansicht der AbL nicht von heute auf morgen geschehen. Er muss in einem Übergangszeitraum sozialverträglich gestaltet und entsprechend politisch flankiert werden, damit viele bäuerliche Betriebe erhalten bleiben, die für eine flächengebundene und regionale Tierhaltung notwendig sind. Für Tierwohl, für eine regionale Landwirtschaft, für kurze Tiertransportwege, für flächengebundene Tierhaltung, für den Verbleib der Brudertiere in der Region, für die Ausrichtung auf andere Formen der Rindermast, wie z.B. Fresseraufzucht, Jungvieh- oder Pensionsviehhaltung oder auch Weidemast, braucht es viele breit gestreute Höfe im Bundesgebiet. Erst wenn die Rahmenbedingungen auf dem Markt Perspektiven bieten, tragfähige Einkommen zu erwirtschaften, werden sich gerade junge Betriebsleiter:innen auf den Weg machen.