Klimaziele sind unverrückbar

Zur Demo in Lützerath, rund um den Hof von Bauern Eckhard Heukamp, kommen Ende April viele tausend Menschen. Die Forderungen sind klar: Stopp dem Klimawandel, Kohle im Boden lassen und alle Dörfer bleiben!. Was hier gerade, aber eigentlich ja schon seit Jahrzehnten immer wieder, zerstört wird, ist zu einem ganz wesentlichen Teil die Heimat von Menschen. Auf dem Weg zu dem kleinen Weiler Lützerath, in dem RWE schon ein Drittel der Häuser abgerissen hat, ganz offensichtlich, um den kämpferischen Eckard Heukamp zu zermürben und zum Verkauf zu zwingen, kommt man durch Dörfer, die ebenfalls den Baggern weichen sollen. Straßenzüge, in denen viele Häuser leer stehen, Briefkästen zugeklebt und Klingelschilder abmontiert sind, Eingangstüren notdürftig mit Lochband zugenagelt. Die Scheiben der ehemaligen Metzgerei sind grau angelaufen. Eine trostlose Szenerie, in der aber noch immer Menschen leben, die ihr Zuhause nicht verlassen wollen.

Ihnen wird es am Ende vermutlich ergehen wie Bauer Heukamp. Trotz moralischer Unterstützung, einem ganzen Protestcamp, das rund um seinen Hof entstanden ist, hat er sich nach vielen Jahren des Kampfes und Gerichtsverfahren nun doch dazu entschieden, sein Elternhaus, sein Haus, seinen Hof mit den Feldern zu verkaufen. Für die Demonstranten geht es um noch viel weitreichendere Fragen. Wird RWE gestoppt? Schafft Deutschland die 1,5-Grad-Grenze und lässt deshalb die Kohle unter Lützerath im Boden? Es sind gesellschaftliche Fragen um die Zukunft der Energieversorgung und der Lebensgrundlagen, Aufgaben, die die Politik, die Politiker wie der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, ehemals Laschet und jetzt Wüst (beide CDU), zu lösen haben.

Heukamp hat für diese Ziele und natürlich auch seinen Hof gekämpft und tut es noch immer. Aber es ist auch verständlich, dass er sich jetzt nach langer Zeit aus der vordersten Front, die auch immer persönliches, finanzielles Engagement und Risiko bedeutete, zurückgezogen hat. Er ist auch an diesem Tag gekommen. Mit seinem Schlepper und einem Fasnachtswagen. Laschet und die RWE sind darauf zu sehen. „Ich bin froh und stolz, euch alle hier zu sehen!“, so Heukamp zu den Demonstrierenden, „wir lassen uns nicht so einfach vertreiben!“ Und dann gibt er doch seiner Enttäuschung über Gerichte und Politik Raum. Diese hätten sich gegenseitig die Verantwortung zugeschoben. Erst hatte die Politik den Abriss von Lützerath von einer Entscheidung des OLG in Münster abhängig gemacht. Das OLG allerdings hatte dann mit einem Verweis auf von der Politik zu setzende Rahmenbedingungen den Abriss genehmigt. Schuld ist am Ende keiner, obwohl es in Deutschland ein Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts gibt, das Handeln anmahnt.

Das große Loch

Es ist staubig an diesem ansonsten sonnigen Tag. Der Staub kommt mit dem Wind aus dem riesigen Tagebau. Die Wachleute des Werkschutzes sind irgendwie anderswo beschäftigt und so kann man ganz entspannt bis an die Abbruchkante gehen. Erst hier werden die gigantischen Ausmaße wirklich sichtbar. Einer der Riesenbagger, je nach Modell an die 100 Meter, schaut mit seiner Spitze gerade über den Rand der Abbruchkante heraus. Er baggert die obere Schicht, auch die sechs, sieben und noch mehr Meter feinsten Lössboden, ab. Die Braunkohle allerdings kommt erst viel tiefer. Kaum zu erahnen ist der Bagger, der hinter der zweiten Abbruchkante in der Tiefe des Tagebaus steht.

Und oben wächst Spinat

Damit das Loch nicht mit Grundwasser vollläuft, sind rund um den Tagebau unzählige Pumpstationen, die, immer mit einer kleinen Umzäunung versehen, versprengt in den Feldern liegen. Hier ist der Mais gesät, da wächst Spinat, dort Kartoffeln und Getreide. Bis zur Kante.

Eine halbe Stunde mit dem Fahrrad, am Bahnhof in Hochneukirch, 30 Minuten von Köln entfernt, ist die Mondlandschaft im Loch schon wieder weit weg. Zu unwirklich, zu groß, eigentlich unfassbar. So wie der grauenvolle Angriffskrieg in der Ukraine, der, obwohl so weit weg, doch auch die heimische Kohle für manchen Politiker wieder zu einem begehrenswerten Gut macht, um sich von den Importen aus Russland lösen zu können. Die Forderung an diesem Tag war eindeutig: sowohl als auch. Keine weitere Finanzierung der russischen Aggression durch den Kauf von russischer Kohle, Gas und Öl, aber auch keine weitere heimische Braunkohle mehr. Für Heukamp ist klar: „Die Kohle muss im Boden bleiben, Böden müssen erhalten werden, Dörfer müssen bleiben!“