„Ländle leben lassen“: Bauernverband, AbL und Naturschutzverbände gemeinsam gegen Flächenfraß

Ein breites Bündnis aus über 15 Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden hat am 27. April 2023 den Volksantrag „Ländle leben lassen“ gestartet, um gemeinsam gegen den verheerenden Flächenfraß in Baden-Württemberg vorzugehen. Man könne nicht länger zusehen, wie die Landschaft weiter zersiedelt werde. Gemeinsam wollen Naturschützer und Bauernverbände die Landesregierung auffordern, endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen.

„Der Flächenverbrauch ist neben dem Klimawandel und dem Artenrückgang das dritte große Umweltproblem in unserem Land“, stellt Gerhard Bronner, Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes (LNV), eindringlich fest. „Nach jahrzehntelangem Ausprobieren 'sanfter' Maßnahmen wissen wir: Sie reichen nicht aus! Wir brauchen verbindliche gesetzliche Obergrenzen, um die Ziele des Koalitionsvertrages zu erreichen“, so Bronner weiter. „Im dicht besiedelten Baden-Württemberg können wir es uns nicht mehr leisten, dass unsere Landschaft weiter zersiedelt wird und immer mehr Biotope und landwirtschaftliche Flächen unter Asphalt und Beton verschwinden.“

„Bei einem aktuellen Flächenverbrauch von über 5 ha - also mehr als 50.000 qm - pro Tag, verschwindet hier in Baden-Württemberg durchschnittlich jede Woche ein bäuerlicher Vollerwerbsbetrieb (Durchschnittsfläche 2021 = 42,9 ha) - ganz abgesehen von dem fruchtbaren Boden, der Biodiversität und dem damit einhergehenden Klimawandel“, erklärt Wolfgang Hees, Biobauer und AbL-Landesgeschäftsführer in Baden-Württemberg. „Im Mittel der letzten 20 Jahre mussten sogar 730 Betriebe pro Jahr aufgeben! Damit muss Schluss sein: wir brauchen den gesunden Boden und die bäuerlichen Betriebe für unsere Zukunft. Deshalb fordern wir eine gesetzlich verbindliche Obergrenze für den Neuverbrauch an Flächen, die die Reduzierung auf zunächst 2,5 Hektar pro Tag und bis 2035 die Netto-Null garantieren. Für unseren Volksantrag brauchen wir 40.000 Stimmen - macht mit und lasst unser Ländle leben“, macht Hees auf die Notwendigkeit der Unterzeichnung des Volksantrags aufmerksam.

Die Landesregierung habe ihre Ziele, den Flächenfraß einzudämmen, klar verfehlt, so Hans-Benno Wichert, Vizepräsident des Landesbauernverbandes (LBV), und das hätte gravierende Auswirkungen auf die Landwirtschaft. „Durch den massiven Flächenverbrauch gehen zu viele wertvolle Äcker und Wiesen verloren. Boden ist die Existenzgrundlage für unsere landwirtschaftlichen Familienbetriebe und sichert die regionale Lebensmittelproduktion für die Bevölkerung“, betont Wichert. „Mit unserem Volksantrag fordern wir die Politik auf, den Flächenverbrauch als eines der drängendsten Umweltprobleme endlich zu stoppen.“

Zudem trage der Flächenverbrauch massiv zur Klimakrise bei, erklärt Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz. „Die CO2-Emissionen aus Bau und Nutzung von Gebäuden sind für etwa 40 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich. Unversiegelte Böden, Wälder und Moore sind ein zentraler Faktor bei der Bindung und Speicherung von Kohlendioxid. Wir brauchen sie für den Klimaschutz“, so Pilarsky-Grosch. „Werden Lebensräume von Tieren und Pflanzen durch Straßen getrennt, wird ihre Existenz bedroht. In Baden-Württemberg gibt es nur noch 22 durch Zersiedlung unzerschnittene Areale mit einer Größe von über 100 Quadratkilometern. Das ist fatal für den Artenschutz!“

„Der Verlust wertvoller Ackerflächen und Wiesen hat Auswirkungen auf die heimische Lebensmittelerzeugung. Jeder Hektar, der uns durch Flächenfraß verloren geht, führt dazu, dass wir weniger Lebensmittel im eigenen Land produzieren können. Wenn wir nicht in der Lage sind, genug Nahrungsmittel vor Ort zu erzeugen, sind wir von Importen abhängig, deren Umwelt- und Sozialstandards fragwürdig sind“, erklärt Karl-Heinz Mayer, Vizepräsident des BLHV. Er betont auch: „Es ist wichtig, dass Gesellschaft und Politik die Bedeutung des Bodens für unsere landwirtschaftlichen Familienbetriebe und die regionale Lebensmittelproduktion anerkennen und schützen. Jeder kann dies durch eine Unterschrift für unseren Volksantrag tun!“

Für den Volksantrag werden knapp 40.000 Unterschriften wahlberechtigter Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs benötigt. Wird dieses Quorum erreicht, so muss der Landtag über den Volksantrag beraten und die Initiatoren anhören. Unterschriften für einen Volksantrag müssen handschriftlich auf einem Papierformular geleistet werden. Eine digitale Unterzeichnung ist leider nicht möglich. Unterstützer müssen neben der Angabe von Namen, Geburtsdatum und Adresse auch bestätigen, dass sie Gelegenheit zur Kenntnisnahme des vollständigen Wortlautes des Volksantrages hatten. Der entsprechende Text zum Volksantrag „Ländle leben lassen“ befindet sich auf der Rückseite des Unterschriftenblatts. Das unterschriebene Dokument kann dann an die darauf angegebene Sammeladresse versendet oder in einer der Sammelstellen abgegeben werden.

Dem Bündnis gehören an: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL), Arbeitsgemeinschaft der Naturfreunde Baden-Württemberg e.V. (NF), Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau Baden-Württemberg e.V. (AÖL), Badischer Landwirtschaftlicher Hauptverband e.V. (BLHV), Bundesverband Beruflicher Naturschutz Regionalgruppe Baden-Württemberg e.V. (BBN), Berufsverband der Landschaftsökologen Baden-Württemberg e.V. (BVDL), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Baden-Württemberg e.V. (BUND), Bundesbündnis Bodenschutz (BBB), Fridays For Future Baden-Württemberg (FFF), Landesbauernverband in Baden-Württemberg e. V. (LBV), Landesfischereiverband Baden-Württemberg e.V. (LFV), Landesjagdverband Baden-Württemberg e.V. (LJV), Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V. (LNV), Landesverband Baden-Württemberg des Deutschen Alpenvereins e.V. (DAV), Naturschutzbund Deutschland Landesverband Baden-Württemberg e. V. (NABU), Schwäbischer Albverein e.V. (SAV), Schwarzwaldverein e.V. (SWV).