Strenge Regulierung der Spekulation mit Agrar-Rohstoffen gefordert

Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund einer mit Blick auf den Krieg in der Ukraine erfolgten aktuellen Warnung der UN vor Finanzwetten an den Rohstoffbörsen hat foodwatch die exzessive Spekulation mit Agrar-Rohstoffen scharf kritisiert. Die Finanzwetten an den Rohstoffbörsen würden die aktuellen Preisanstiege etwa für Getreide zusätzlich befeuern. Spekulationsexzesse müssten daher endlich verhindert werden, forderte die Verbraucherorganisation. Dafür müsse die EU wirksame Handelsschranken, sogenannte Positionslimits, festlegen. Das sei jedoch bisher am Einfluss der Finanzlobby gescheitert.

„Angesichts drohender Hungerkrisen ist die Zockerei auf Agrar-Rohstoffpreise unerträglich. Die Preise steigen, weil Unternehmen und Regierungen befürchten, nicht mehr ausreichend Weizen, Sonnenblumenöl oder andere Grundnahrungsmittel kaufen zu können. Finanzspekulanten befeuern die stark steigenden Agrar-Rohstoffpreise zusätzlich: Sie wetten auf steigende Preise und hoffen auf rasche Gewinne. Es braucht Transparenz darüber, wer über welche Getreidereserven verfügt – nur so kann der Angst vor Knappheit begegnet werden. Und die EU muss dringend Spekulationslimits festlegen und so die Wetten auf steigende Preise beenden“ fordert Matthias Wolfschmidt, Strategiedirektor von foodwatch International. „Aus der Krise 2008 wurde offenbar nichts gelernt, was fatale Folgen für Millionen armer Menschen weltweit hat, die von Hunger bedroht sind. Die Finanzindustrie ist schon jetzt ein Gewinner des russischen Angriffskrieges.“

Die Lebensmittelpreise sind in den letzten Wochen weltweit massiv gestiegen. Laut den Vereinten Nationen liegen die Preise um 34 Prozent höher als vor einem Jahr und haben den höchsten Stand seit 1990 erreicht. Die Preise steigen aus zwei Gründen: Zum einen fürchten Unternehmen und Händler aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands ein verknapptes Angebot von Weizen, Pflanzenölen und Phosphat-Dünger aus der Schwarzmeer-Region sowie von Erdöl und Erdgas aus Russland. Zum anderen befeuerten Finanzwetten auf steigende Rohstoffpreise die Preise zusätzlich, kritisiert foodwatch.

Die Preissteigerungen an den Rohstoffbörsen in Paris und Chicago seien laut foodwatch nicht zuletzt erheblichen Versäumnissen der EU-Kommission und der US-Regierung geschuldet. EU und USA hätten die ihnen unterstellten Finanzmarkt-Aufsichtsbehörden seit Jahren nicht zur Durchsetzung wirksamer Spekulations-Begrenzungsinstrumente gedrängt und im Jahr 2020 sogar Deregulierungen durchgeführt.

Der Rechercheverbund Lighthouse Reports veröffentlichte am Freitag den ausführlichen Bericht „The Hunger Profiteers“ zur Spekulation an den Rohstoffbörsen. Demnach veröffentlichte am 7. März, als der Weizenpreis seinen bisherigen Höchststand erreichte, das Vermögensverwaltungsteam von JP Morgan einen Artikel, in dem es seine Kunden ermutigte, in Agrarfonds zu investieren. In der ersten Märzwoche flossen 4,5 Milliarden Dollar in rohstoffgebundene börsengehandelte Fonds (oder ETFs, die der Öffentlichkeit zum Handel offen stehen). Im April hatten zwei der wichtigsten börsengehandelten Agrarfonds Nettoinvestitionen in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar angezogen - im Vergleich zu nur 197 Millionen Dollar im gesamten Jahr 2021. "Ohne strengere Vorschriften werden die Warenterminmärkte mehr und mehr zu einem Kasino, das es Spekulanten ermöglicht, auf Kosten des Hungers und des Lebensunterhalts der Landwirte massive Gewinne zu erzielen, was ein Problem darstellt, da Lebensmittel ein Menschenrecht sind", erklärt laut dem Rechercheverbund die Expertin für Ernährungssicherheit Prof. Jennifer Clapp. Auch die Vereinten Nationen warnen aktuell vor den Folgen der Finanzwetten. Das „World Food Programme“ der UN benötigt zum Beispiel nach eigenen Angaben etwa 50 Prozent mehr Mittel als 2019.

foodwatch hatte in dem Report „Die Hungermacher“ bereits 2011 ausgiebige Recherchen zur Agrarspekulation veröffentlicht und eine wirksame Regulierung der Geschäfte gefordert. Entscheidend ist insbesondere, dass die absolute Zahl der zu Spekulationszwecken geschlossenen Warenterminverträge begrenzt wird. Dafür müssen „Positionslimits“ definiert werden.