Statt Abschuss ein Gerichtsbeschluss - Aktionsbündnis verlässt „Dialogforum Wolf“

In Niedersachsen haben die Mitgliedsverbände des Aktionsbündnisses aktives Wolfsmanagement nach einer Videokonferenz des „Dialogforums Weidetierhaltung und Wolf“ mit Umweltminister Christian Meyer angekündigt, die dortige Mitarbeit ruhen zu lassen. Verständnis dafür zeigt Ottmar Ilchmann, der Vorsitzende der AbL-Niedersachsen, die dem Aktionsbündnis nicht angehört, jedoch gemeinsam mit Vertreter:innen des Naturschutzes, der Wissenschaft und kommunalen Akteuren Mitglied in dem im letzten Jahr von der Landesregierung respektive dem Umweltministerium initiierten Dialogforum ist. Ein Streitpunkt: Zu den vom Umweltministerium verkündeten „Schnellabschüssen“ kam es noch nicht und jetzt stoppt ein Gericht diese, indem es erklärt, dass sich eine solche „Ausnahmegenehmigung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich als rechtswidrig erweist“.

„Wir haben Umweltminister Meyer schon vorab in einem Schreiben unseren Unmut bezüglich der bisherigen unzureichenden Bemühungen und Fortschritte im Umgang mit dem Wolf mitgeteilt. Wir zweifeln an der wahren Absicht, für unsere Weidetierhalter zeitnah Lösungen durchzusetzen, denn Ansätze hierzu haben wir seit Jahren geliefert. Die Missachtung unserer Mitarbeit seitens der Landesregierung sowie deren Umgang mit allen Gruppen, die im Aktionsbündnis aktives Wolfsmanagement vereint sind, lassen aktuell keinen anderen Schritt als ein Aussetzen der Mitarbeit zu“, erklärt angesichts der vorläufigen Aufkündigung der Mitarbeit im Dialogforum der Sprecher des Aktionsbündnisses und Landvolk-Vizepräsident, Jörn Ehlers.

Seit Jahren warten nach Ansicht des Aktionsbündnisses Niedersachsens Weidetierhalter auf praxisnahe Lösungen im Umgang mit dem Wolf. In einem Schreiben, das im Februar an den zuständigen Umweltminister Meyer ging, kritisieren sie den schleppenden und intransparenten Prozess und bezweifeln insgesamt die Handlungsfähigkeit des Dialogforums Wolf, hier zeitnah Lösungen zum schnellen Abschuss des Wolfes und zur Finanzierung des Herdenschutzes zu liefern. „Ob Pferdehalter, Rinderhalter, Schäfer, Ziegen- und Wildtierhalter – alle haben auf ihrer Ebene schon sehr viel Zeit investiert. Der Frust ist groß, vor allem über den Umgang. Alles, was uns hier erzählt wird, ist vorher nicht mit den Arbeitsgruppen besprochen worden. Der Output insgesamt lässt sehr zu wünschen übrig“, fasst Ehlers die Gründe zusammen. Viele Fragen seien bis heute vom Ministerium unbeantwortet geblieben.

51 Rudel Wölfe in Niedersachsen sorgen laut Aktionsbündnis „weiterhin für Angst und Schrecken bei den Weidetierhaltern, Tendenz steigend – ohne Aussicht auf Besserung“. Die in den Foren erarbeitete Variante des regional differenzierten Wolfsmanagements, das den Weidetierhaltern vom Umweltminister immer als rechtssicher vorgestellt wurde, sei auf einmal nicht mehr rechtssicher und dürfe nicht angewendet werden. „Wir drehen uns weiter im Kreis, werden weiter hingehalten, nichts passiert“, so Ehlers. Es sei zudem schade, wenn während des Dialogs das Ergebnis darüber an die Presse gegeben werde. „Das ist schon lange kein Dialog mehr“, wertet das Aktionsbündnis aktives Wolfsmanagement.

„Die vom Umweltminister verkündete „Schnellabschussregelung“ weist offene Fragen auf – so findet beispielsweise eine Beteiligung der Jägerschaft im Vorfeld solcher Maßnahmen nicht statt. Die dem Umweltministerium nachgeordnete Behörde, das NLWKN, zieht nach wenigen Tagen die Abschussgenehmigung in der Region Hannover wieder zurück, obwohl das Verwaltungsgericht Oldenburg als auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erste Eilanträge gegen diese Abschussgenehmigung zurückgewiesen hatten. Allein diese Umstände und dieses Vorgehen zeigen die Fragwürdigkeit des bisherigen Dialogforums auf und lassen vielmehr den Eindruck entstehen, es handele sich hierbei um ein reines Feigenblatt des Umweltministeriums. Dies ist nicht unser Anspruch an ein solch institutionalisiertes Dialogforum, und noch viel weniger wird es der Brisanz der Konfliktlage in Niedersachsen gerecht“, erklärt Ernst-Dieter Meinecke, stellvertretender Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen und Mitglied im Aktionsbündnis, ergänzend zu den Gründen des Ruhelassens der Mitarbeit.

AbL: Verlassen des Aktionsbündnisses absolut nachvollziehbar

„Es ist absolut nachvollziehbar, dass die Verbände des Aktionsbündnisses aktives Wolfsmanagement in Niedersachsen das Dialogforum Wolf verlassen haben“, erklärt Ottmar Ilchmann. Die niedersächsische Landesregierung und Umweltminister Meyer seien, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Demonstration in Aurich, im letzten Jahr sehr aktiv geworden. „In der Folge verkündete auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke eine Änderung der Wolfspolitik, mit Schnellabschüssen am Rissort sollten übergriffige Wölfe rasch entnommen werden. Wie sich jetzt aufgrund von Gerichtsurteilen zeigt, scheint diese Vorgehensweise gar nicht rechtssicher zu sein. Bei den Weidehalter:innen kommt einmal mehr das Gefühl auf, hingehalten und, auf Deutsch gesagt, verarscht zu werden. Nachdem sich jetzt auch Vertreter des Umweltbereichs in der Maienfelder Erklärung für ein aktives Wolfsmanagement zur Erhaltung der Weidewirtschaft ausgesprochen haben, müssen die Minister:innen auf Bundes- und Landesebene  schnellstens die rechtlichen Voraussetzungen für gezielte Entnahmen schaffen und ein regional differenziertes Management ermöglichen“, sagt Ilchmann und erklärt abschließend: „Die Zeit drängt, sonst gehen das Vertrauen in die Politik und die Akzeptanz des Wolfes ganz verloren!“

Hintergrund und Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg

Das Verwaltungsgerichts Oldenburg hat mit Beschluss vom 5. April 2024 (Az. 5 B 969/24) einem vorläufigen Rechtsschutzantrag der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. stattgegeben.
Hintergrund des Verfahrens ist laut Verwaltungsgericht ein auf der 101. Umweltministerkonferenz vom 1. Dezember 2023 beschlossener Rahmen für die Durchführung eines sog. „Schnellabschussverfahrens“ für Wölfe. Danach soll es in Gebieten mit erhöhtem Rissaufkommen bereits nach erstmaliger Überwindung des zumutbaren Herdenschutzes und dem Riss von Weidetieren möglich sein, eine Ausnahmegenehmigung für den Abschuss eines Wolfes zu erteilen. Diese soll zeitlich für einen Zeitraum von 21 Tagen nach dem Rissereignis gelten und die Entnahme im Umkreis von bis zu 1000 m um die betroffene Weide im betroffenen Gebiet zulassen. Gebiete mit erhöhtem Rissaufkommen werden von den Ländern festgesetzt, wobei dies auch im Entnahmebescheid erfolgen können soll. Die Gebiete sollen sich z.B. an Wolfsterritorien, naturräumlichen Gebieten oder raumordnerischen (z.B. kommunalen) Grenzen orientieren. Bei den heranzuziehenden Rissereignissen soll der Überwindung von Herdenschutzmaßnahmen eine besondere Rolle zukommen. Eine genetische Individualisierung des schadensstiftenden Wolfes vor der Abschussgenehmigung soll nicht erforderlich sein.

Unter anderem unter Zugrundelegung dieser Vorgaben „erließ das Land Niedersachsen, handelnd durch den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), mit Bescheid vom 26. März 2024 eine für sofort vollziehbar erklärte Ausnahmegenehmigung für die zielgerichtete letale Entnahme eines Individuums der streng geschützten Tierart Wolf (Canis lupus) aus der Natur“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.

„Gegen diese Ausnahmegenehmigung hat die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. Widerspruch eingelegt. Das Gericht hat mit dem o.g. Beschluss die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt, weil sich die angefochtene Ausnahmegenehmigung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich als rechtswidrig erweist“, so das Gericht.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Der NLWKN kann Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einlegen.

10.04.2024
Von: FebL

Dialog zum Wolf in Niedersachsen vorerst gescheitert. Foto: Christel Sagniez/Pixabay