Auf europäischer und bundesrepublikanischer Ebene sowie in den Bundesländern deutet sich eine Veränderung im Umgang mit dem Wolf an. Sein Schutzstatus soll geändert und abgesenkt, die Voraussetzung zur Entnahme, das heißt den Abschuss von „Problem-Wölfen“ bis hin zu möglicherweise ganzen Rudeln soll neu geregelt und erleichtert werden. Darauf deuten Äußerungen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Christian Meyer, Umweltminister in Niedersachsen, hin. Die Ankündigungen erfolgen vor dem Hintergrund steigender Populationszahlen und steigender Wolfsrisse, den zahlreichen Schilderungen der Probleme von Weidetierhalter:innen, die ihre Situation auch auf die Straße tragen wie beispielsweise im Juni in Aurich/Ostfriesland, wo 3000 Teilnehmer:innen auf einer Protestveranstaltung, initiiert von den Verbänden Land schafft Verbindung (LsV) Ostfriesland und dem Friesischen Verband für Naturschutz (FVN) und unter anderem unterstützt vom Landesverband Niedersachsen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, ihre Forderung nach mehr Schutz vor dem Wolf, mehr finanziellen Mitteln für den Herdenschutz, erleichterten Entnahmen bis hin zu wolfsfreien Zonen an die Politik richteten.
„Es ist richtig, dass die gefährdete Art geschützt werden muss, aber wenn in bestimmten Regionen die Art nicht mehr gefährdet ist, müssen wir auch anders mit dem Wolf umgehen und ihn zum Beispiel bejagen.“ Das erklärt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf einer Pressekonferenz in Bayreuth, nachdem sie an einer Sitzung des bayerischen Kabinetts teilgenommen hatte. „Der Schutz des Wolfes ist völkerrechtlich geregelt“, aber die Auslegung dieses völkerrechtlichen Vertrages hänge unter anderem davon ab, „dass wir Daten bekommen, wie hat sich die Wolfspopulation entwickelt.“ Und bisher hätte die EU aggregierte Zahlen aus den Mitgliedstaaten erhalten, das heißt Daten für Deutschland insgesamt. „Naheliegend ist aber, dass die Populationsdichte im Ruhrgebiet des Wolfes anders ist als in den ländlichen Regionen in Bayern oder zum Beispiel in Niedersachsen. Und deshalb wollen wir hier eine andere Vorgehensweise vorschlagen. Wir wollen detaillierter, runtergebrochen auf die Regionen die Zahlen und Daten haben, damit wir ein klareres Bild kriegen, wie die Realität vor Ort aussieht. Diese Daten sammeln wir gerade und auf dieser neuen Grundlage werden wir dann neue Vorschläge machen“, so die Kommissionspräsidentin, die abschließend noch einmal betont, „wie wichtig es ist, dass wir vor Ort die Informationen kriegen, damit wir dann auch die Auslegung der Gesetze anpassen können.“ Die Informationen werden die Weidetierhalter:innen der Kommissionspräsidentin sicher gerne zur Verfügung stellen.
Lemke: Abschuss rechtskonform möglich
Das Bejagen des Wolfes thematisiert auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke. Die Länder sollen nach Ansicht der Ministerin mehr „Problem-Wölfe“ abschießen. Die Abschüsse seien nötig, „um die Akzeptanz zum Schutz des Wolfs aufrechtzuerhalten“. Das erklärte sie in einem Interview in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der Abschuss von Wölfen, die das Überwinden von höheren Zäunen gelernt oder die Scheu vor Menschen verloren hätten, sei rechtskonform möglich und diese Möglichkeit sollte nach Auffassung der Bundesministerin in Zukunft stärker genutzt werden. Dabei scheint die Ministerin auch anzuerkennen, dass die bürokratischen Hürden zur Erreichung einer Abschussgenehmigung derzeit sehr hoch sind, wenn sie ankündigt, dass sie dafür sorgen will, dass die damit verbundenen Verfahren „unbürokratischer und praxisnäher“ werden. Wie das Verfahren dann aussehen soll, erklärte die Ministerin nicht.
Meyer: „lernendes, adaptives Wolfsmanagement“
In Niedersachsen will Umweltminister Christian Meyer ein neues Wolfsmanagement, das eine legale Tötung von Wölfen, die erheblichen Schaden durch Nutztierrisse verursachen, möglich macht. Ziel sei ein „lernendes, adaptives Wolfsmanagement“, sagte Meyer gegenüber der Nordwest-Zeitung. Demnach soll es in einer klar definierten Region zeitlich befristet möglich sein, mehrere Wölfe zu töten, wenn es dort trotz Herdenschutzmaßnahmen zu erheblichen Schäden durch den Wolf gekommen sei. Eine Bejagung nach Quoten lehnt er ab. Geht es nach den Plänen des Ministers, dann soll auf der Konferenz der Landesumweltminister im Herbst der „gute Erhaltungszustand“ des Wolfes festgestellt und eine nationale Untergrenze definiert werden. Folgen müsste eine Änderung des Bundesnaturschutzrechts, damit nach Wolfsrissen bei Nutztieren kein Einzelnachweis mehr erforderlich wäre. Erfolgen diese Schritte, könnte die neue Regelung 2024 angewendet werden.