„Stadt braucht Land und Land braucht Stadt“, sagt Lilian Busse, Vizepräsidentin des Umweltbundesamtes (UBA) auf der Konferenz „Aus Stadt und Land wird Plus“, die vom Umweltbundesamt (UBA) gemeinsam mit dem Institut für Raum und Energie und der Stadt Land GmbH ausgerichtet wurde. Zu den zentralen Empfehlungen dort vorgelegter Berichte gehören unter anderem die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten sowie ein Wandel bei der Verpachtungspraxis in den Städten und Kommunen, wobei auf das Konzept der Gemeinwohlverpachtung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft verwiesen wird.
„In zahlreichen Austauschbeziehungen können sich Stadt und Land ergänzen und voneinander profitieren. Dieses Potenzial sollten wir nutzen“, erklärt Busse. Zum Beispiel böten empfindliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse Möglichkeiten für regionale Wertschöpfungsketten zum gegenseitigen Vorteil: Stadtbewohner*innen können frische Lebensmittel aus der Region genießen, in ländlichen Räumen entstehen Perspektiven für Beschäftigung, Einnahmen und Entwicklung. „Gleichzeitig sehen wir jedoch, dass im Umland von Städten Freiräume und besonders Agrarfläche im Zuge von Siedlungs- und Verkehrsentwicklung verloren gehen. Dem sollten wir entgegenwirken“, betont Busse. „Denn regionale Lebensmittel erfordern auch Anbauflächen, Verarbeitungs- und Vertriebsstrukturen in der Region.“
Praxistaugliche Lösungen für lebenswerte Städte und Gemeinden
Unter dem Titel „Aus Stadt und Land wird Plus. Innovative Wege für nachhaltige Stadt-Land-Beziehungen“ wurden auf der Konferenz in Berlin die Ergebnisse aus 22 Stadt-Land-Plus-Verbundprojekten und dem begleitenden wissenschaftlichen Querschnittsprojekt zentralen Akteur*innen aus Bundes- und Kommunalpolitik, Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden vorgestellt. Innovative Beispiele aus der Praxis und zentrale Empfehlungen wurden in der „Reformagenda Stadt-Land“ zusammengefasst.
Darin heißt es unter dem Punkt „Ernährung und Wertschöpfung sichern“ beispielsweise: „Die Landwirtschaft und die Lieferketten für Lebens- und Nahrungsmittel werden noch immer nicht als kritische Infrastruktur wahrgenommen. Die Nutzung der Potenziale von Stadt-Land-Partnerschaften für einen höheren Anteil an regionaler Selbstversorgung bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück.“ Und zu Reformvorschlägen heißt es: „Im Rahmen eines Landwirtschaftsgesetzes sollte die Ernährungssicherung mit regional festgelegten landwirtschaftlichen Nutzflächen festgeschrieben werden.“
Zeitgleich hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) gemeinsam mit dem UBA mit der neuen Veröffentlichung „Gutes Leben in Stadt und Land – Wertschöpfung und Ressourcenschutz zusammen denken“ die Ergebnisse in die kommunale Praxis gebracht, denn Kommunen sind zentrale Akteure für wirtschaftliche Entwicklung und Lebensqualität vor Ort, so das UBA. Ein enger Austausch zwischen Städten und ihrem Umland sowie eine nachhaltige Regionalentwicklung sind nach Ansicht des UBA dabei Schlüsselfaktoren zum Erhalt lebenswerter Kommunen und Regionen. Ein Aspekt in der Veröffentlichung ist die Vergabepraxis von Flächen. Dazu heißt es in der Veröffentlichung, dass die Landvergabe Chancen für ökologische Landwirtschaft in Kommunen biete, die aktuelle Verpachtungspraxis in Städten und Kommunen jedoch der Verpachtung zum Höchstpreis folge. Mehr landwirtschaftliche Expertise in den Entscheidungsgremien von Städten und Kommunen bilde daher die Voraussetzung für eine kriterienbasierte Verpachtungspraxis, denn Kriterien müssen überprüfbar sein und überprüft werden. „Die 2022 von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft veröffentlichten Kriterien zur gemeinwohlorientierten Verpachtung bieten hier einen guten Startpunkt, müssen aber auf lokale Rahmenbedingungen hin angepasst werden“, so der DStGB und das UBA in der Veröffentlichung.