BVVG verpachtet gemeinwohlorientiert

Nach langen und zähen Verhandlungen gibt es endlich einen Erfolg für Bauern und Bäuerinnen.

Nach ihrer Gründung 1992 verwaltete die 1996 in Bodenverwertungs- und -verwaltungs-GmbH (BVVG) umbenannte Treuhandgesellschaft etwa 1,1 Millionen Hektar Agrarland. Sie hatte den Auftrag, die ehemaligen volkseigenen landwirtschaftlichen Flächen der DDR zu privatisieren. In der Folge verkaufte sie viele Flächen bis 2010 vor allem vergünstigt an Bestandspächter:innen; Mehr als 371.000 Hektar waren das etwa über das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG). Danach machte die BVVG insbesondere Schlagzeilen, weil sie das Land oft zum Höchstpreis an die Meistbietenden verkaufte. So lagen die Preise für BVVG-Flächen über Jahre hinweg deutlich über den durchschnittlichen Kaufwerten von Agrarland, womit sie den Bodenmarkt zusätzlich anheizte. Mit dieser Politik bevorzugte die BVVG über Jahrzehnte agrarindustrielle Großbetriebe, während bäuerliche Betriebe und Existenzgründer:innen oft leer ausgingen. Zunehmend gelangten außerlandwirtschaftliche Investoren an einen nicht unerheblichen Teil des Landes der BVVG; sie besitzen in Ostdeutschland über 34 Prozent aller Großbetriebe. Mit dieser Vergabepraxis fügte sich die BVVG nahtlos in die neoliberale Logik ein: Statt mit öffentlichem Eigentum lebendige ländliche Räume und regionale Betriebe zu stärken und die Agrarwende voranzutreiben, privatisierte sie dieses, verstärkte die Flächenkonzentration in den Händen weniger und schwächte bäuerliche Betriebe. Übrig geblieben sind inzwischen noch knapp 90.000 Hektar.

Lindners Vertragsbruch

Die AbL hat schon lange gefordert, dass die BVVG die Privatisierung von Agrarflächen beendet und stattdessen gemeinwohlorientiert verpachtet. Gemeinwohlverpachtung ist eine transparente Vergabepraxis von Agrarflächen, die sich am Gemeinwohl der Gesellschaft orientiert. Die Vergabe erfolgt nach Kriterien, etwa an ortsansässige Betriebe, die regional und bedarfsorientiert vermarkten, Tier-, Umwelt- und Naturschutzleistungen erbringen, Arbeitsplätze schaffen und damit wirtschaftlich und sozial eine tragende Säule in der Gesellschaft einnehmen. Auch die Förderung von Existenzgründung gehört dazu. Ein erster Erfolg war es daher, dass die Ampelkoalition das Ende der Privatisierung und stattdessen eine Verpachtung an „ökologische und nachhaltige Betriebe“ als Ziel in ihrem Koalitionsvertrag festschrieb. Insbesondere die FDP um Finanzminister Christian Lindner stellte diese Vereinbarung jedoch immer wieder in Frage, sodass es u. a. Protestaktionen vor dem Finanzministerium und eine groß angelegte Unterschriftenaktion der AbL brauchte, um sie zum Einlenken zu bringen. Über 150.000 Menschen unterschrieben die Petition „Lindners Vertragsbruch: Ausverkauf öffentlichen Eigentums stoppen!“ der beiden AbL-Landwirtinnen Dorothee Sterz und Gesine Langlotz.

Pilotphase

Im Juni 2023 kam dann der erste Durchbruch: Die Regierung erließ neue „Grundsätze für das Flächenmanagement der BVVG“. Zunächst nur als Pilotphase für das laufende Jahr, da die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt in letzter Sekunde Bedenken anmeldeten und ihre Unterschrift verweigerten. Diese Grundsätze wurden nun in leicht geänderter Version verstetigt. In den neuen Grundsätzen ist u. a. geregelt, dass von den restlichen 89.000 ha Land etwa 25.500 ha als Naturschutzflächen ins Nationale Naturerbe übergehen sollen. Bis Ende 2024 können zudem noch maximal 2.000 ha privatisiert werden. Hierbei geht es vor allem um Rechtsansprüche nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG). Die restlichen immerhin noch etwa 62.000 ha Land werden seit letztem Jahr nach Gemeinwohlkriterien vergeben. Bei deren Erarbeitung hat die AbL kräftig mitgewirkt; der Kriterienkatalog der AbL für eine gemeinwohlorientierte Verpachtung diente in den Verhandlungen zwischen den verschiedenen Parteien, Ministerien und Verbänden als Diskussionsgrundlage.

Zukünftige Kriterien für die Vergabe der BVVG-Flächen sind etwa, ob der Betrieb eine Existenzgründung ist, ob es ein regionaler oder ein ökologischer Betrieb ist. Auch Schafhalter:innen, Betriebe mit Tierschutzlabel und Betriebe, die Hecken anlegen, Moore wiedervernässen oder andere Naturschutzleistungen erbringen, können Punkte sammeln. Der gebotene Preis spielt nach wie vor eine Rolle. So muss ein Betrieb mindestens 60 Prozent des veröffentlichten Orientierungswertes bieten; zudem bekommen die drei höchstbietenden Betriebe Pluspunkte. Im Katalog fehlen insbesondere soziale Kriterien wie der Arbeitskräftebesatz oder Fragen der Direktvermarktung. Nichtsdestotrotz ist der Kriterienkatalog umfangreich, relativ ambitioniert und fortschrittlich.

Erste Ergebnisse

Für die Pilotphase 2023 hat die BVVG erste Ergebnisse veröffentlicht. Durch die verspätete Einigung musste die BVVG in recht kurzer Zeit 26.000 Hektar Land auslaufender Pachtverträge neu verpachten. Leider veröffentlichte die BVVG nur die Zahlen hinsichtlich des Vergabekriteriums ökologisch wirtschaftender Betrieb. So gingen laut BVVG 56 Prozent der über Ausschreibungen neu verpachteten Fläche an ökologisch wirtschaftende Betriebe. Der ökologisch bewirtschaftete Pachtflächenanteil der BVVG-Fläche stieg damit auf rund 30 Prozent. Nach unserer Informationslage, u. a. aus Erfahrungsberichten von AbL-Betrieben, bekamen auch häufig Junglandwirt:innen bzw. Existenzgründer:innen den Zuschlag für Flächen, auf die sie vorher keine Chance hatten. So konnte etwa ein Junglandwirt in Sachsen-Anhalt einen Betrieb mit 150 Hektar Pachtland der BVVG aufbauen; ohne die neuen Regelungen wäre er niemals an das Land gekommen. Ausgewertet wurde auch der durchschnittliche Pachtpreis der BVVG, welcher leicht rückläufig war. Kostete ein Hektar 2022 noch durchschnittlich 447 Euro, lag der Preis 2023 bei 437 Euro. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber damit liegt die BVVG nach wie vor deutlich über den Durchschnittswerten in Ostdeutschland. Und dennoch – die Entscheidung ist ein Meilenstein für Bäuer:innen und Junglandwirt:innen in Ostdeutschland und für die AbL. Die vielen Mühen und der lange Kampf haben sich endlich ausgezahlt. Dies gibt gleichzeitig auch Hoffnung und Motivation für die AbL dranzubleiben. Denn auch die Kirchen, Kommunen und Bundesländer besitzen Land, welches sie allzu häufig noch nicht nach Gemeinwohlkriterien verpachten.

Es brauchte einige Protestaktionen - wie hier vor dem BMEL - aber auch vor dem Finanzministerium - - - Foto: Magnolia