Schwarz-rote Koalition: Hochrisiko-Vertrag für Klima, Natur und Mitwirkungsrechte

Deutliche Kritik am Koalitionsvertrag von Union und SPD kommt von Natur- und Umweltschutzverbänden. Von einem „Hochrisiko-Vertrag“ spricht der BUND, „einen klimapolitischen Rückfall noch hinter den Stand der Merkel-Ära“ nennt ihn die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Greenpeace sieht „die ökologischen Lebensgrundlagen und unser aller Sicherheit“ gefährdet. Optimistisch zeigt sich lediglich der NABU.

„Union und SPD haben einen Hochrisko-Vertrag für das Klima und den Naturschutz abgeschlossen. In vielen Bereichen ist ein Rückschlag zu befürchten. Verantwortung für Deutschland heißt, den Kurs klar auf den Schutz von Klima und Natur zu setzen. Die neue Regierung aber will zentrale Errungenschaften aushöhlen und rückabwickeln“, erklärt der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt in einer ersten Reaktion.

Die Koalition plane etwa, die Klimaziele durch Anrechnung fragwürdiger Projekte zur Emissionsreduktion im Ausland aufzuweichen. Zudem setze sie stark auf die CO2-Abscheidung und -lagerung, sogar im Stromsektor. Das zentrale Gesetz für die Wärmewende soll abgeschafft werden und es bleibe offen, was die schwarz-rote Alternative sein soll.

„Mit der Ankündigung, die Öffentlichkeitsbeteiligung, Umweltinformations- und Verbandsklagerechte einzuschränken, legt die neue Bundesregierung die Axt an wichtige demokratische Grundfesten und beschneidet demokratische Mitwirkungsrechte. In Verbindung mit den angekündigten Einschnitten im Artenschutz und der Ausgleichsregelung für Naturzerstörung entsteht so eine explosive Mischung“, so Bandt.

Ein wichtiges Signal für den Naturschutz sei die Fortführung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz, der Moorschutz und der Erhalt des Grünen Bandes. Auch die vorläufige Fortführung des Deutschlandtickets bewertet er BUND positiv.

DUH: „Union und SPD werfen Umwelt- und Klimaschutz um Jahrzehnte zurück“

Ein „verheerendes Fazit“ zum Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zieht die Deutsche Umwelthilfe (DUH): Obwohl Klima- und Biodiversitätskrise massiv voranschreiten, planen Union und SPD einen klimapolitischen Rückfall noch hinter den Stand der Merkel-Ära. Die DUH kritisiert dies scharf und kündigt an, notwendige Klimaschutzmaßnahmen insbesondere in den Bereichen Gebäude und Verkehr notfalls gerichtlich durchzusetzen. Mit der angekündigten Abschaffung der Stoffstrombilanzverordnung als Kernstück des Düngerechts breche die neue Bundesregierung europäisches Recht zum Schutz des Grund- und Trinkwassers.

In Sachen Wärmewende sei der Worst Case eingetreten: Das Heizungsgesetz soll abgeschafft werden. Das sei fatal für den Klimaschutz und bezahlbares Heizen. „Ohne einen klaren Fokus auf Energieeffizienz und Einsparung fährt die neue Koalition Klimaschutz im Gebäudesektor weiter an die Wand“, heißt es bei der DUH.

Im Automobilsektor plane Union und SPD massive Fehlanreize für den Bau übergroßer und klimaschädlicher Pkw mit Verbrennungsmotor – unter dem Deckmantel der Technologieoffenheit. Die Einbeziehung von Plug-In-Verbrennern und die Ausdehnung der steuerlichen Förderung auf bis zu 100.000 Euro teure Luxus-Elektrofahrzeuge seien ein milliardenschweres Geschenk an die Automobilindustrie.

Mit der Öffnung des Klimaneutralitätsziels bis 2045 für schmutzige internationale Kompensationsgeschäfte, werde das deutsche Klimaschutzziel durchlöchert. „Wir werden weiter alle rechtlichen Mittel einsetzen, das Klimaschutzgebot des Bundesverfassungsgerichtes zu verteidigen“, so die DUH.

Und mit Bezug zur Landwirtschaft teilt die DUH mit: Mit der angekündigten Abschaffung der Stoffstrombilanzverordnung als Kernstück des Düngerechts bricht die neue Bundesregierung europäisches Recht zum Schutz des Grund- und Trinkwassers und läuft sehenden Auges in ein neues EU-Vertragsverletzungsverfahren. Wir werden mit weiteren Klagen für sauberes Wasser gegensteuern und sicherstellen, dass die Belastung durch Stickstoff im Grund- und Trinkwasser durch die Umstellung auf eine naturgerechte Tierhaltung endlich dauerhaft sinkt.“

Greenpeace: Koalition will die Marktkräfte entfesseln

„Die neue Koalition will die Marktkräfte entfesseln, die in den letzten Jahrzehnten Klima und Natur zerstört haben. Sie plant, in nie dagewesenen Umfang Gelder zu verteilen, aber verliert dabei Effizienz und Klimagerechtigkeit in vielen Bereichen aus dem Blick. Indem sie sinnvolle Gesetze und Regeln abschafft, lässt sie neue Unsicherheiten entstehen. So wird Klimaschutz unnötig teuer und langsam. Union und SPD gefährden damit die ökologischen Lebensgrundlagen und unser aller Sicherheit“, erklärt Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand Greenpeace e.V.

Energiepolitisch berge der Koalitionsvertrag herbe Rückschritte. Er nehme die zuvor angeschobene Wärmewende auseinander und verunsichere so die Bevölkerung und eine ganze Branche. „Wenn die CO2-Verpressung CCS sogar für Gaskraftwerke gelten soll, manövriert uns dieser Vertrag in neue fossile Abhängigkeiten, bevor wir uns aus alten gelöst haben“, so Kaiser. In der Verkehrspolitik sei die Fortführung des Deutschlandtickets ein Lichtblick.

Es sei jedoch zukunftsvergessen, Superreiche nicht an der Finanzierung eines modernen Gemeinwesens in Verantwortung zu nehmen. „Mit der Ablehnung einer ökologisch-orientierten Milliardärssteuer ignoriert die neue Koalition die Chance, unsere Gesellschaft gerechter zu gestalten. Während die Demokratie weltweit unter Druck gerät, will die neue Koalition ausgerechnet Klage- und Mitbestimmungsrechte der Zivilgesellschaft einschränken. Dies sogar auf internationaler Ebene voranzutreiben, ist erschreckend falsch und unverständlich“, urteilt Kaiser.

Wenn Friedrich Merz’ neue Regierung Zukunft gestalten wolle, müsse sie bei Kima- und Naturschutz dringend nachbessern. Das sei im Interesse der nächsten Generationen und wäre eine starke Antwort auf Trump und Putin.

NABU: Chancen für Klima und Natur

Der NABU begrüßt die Einigung in den Koalitionsverhandlungen. Besonders erfreulich sei das klare Bekenntnis zur Finanzierung des Naturschutzes und der Anpassung an den Klimawandel. Zugleich zeigt sich der Verband, wie auch die Verbände zuvor, besorgt über die angekündigte Einschränkung von Beteiligungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft sowie des Verbandsklagerechts.

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger kommentiert: „Die neue Koalition setzt mit ihrer geplanten Naturschutzfinanzierung ein wichtiges Zeichen. Wenn die angekündigten Mittel wirklich fließen, kann die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme Fahrt aufnehmen. Das wäre ein großer Gewinn für die Artenvielfalt, die Land- und Forstwirtschaft und die Menschen im ländlichen Raum.“

Besonders kritisch bewertet der NABU den Umgang mit demokratischer Beteiligung. Krüger zeigt sich besorgt über die geplante Schwächung des Verbandsklagerechts: „Die kritischen Töne gegenüber der Zivilgesellschaft sind ein gefährliches Signal. Wer aus taktischen Gründen Beteiligungsrechte infrage stellt, gefährdet die Grundlage unserer Demokratie. Eine starke und konstruktive Zivilgesellschaft ist kein Hindernis, sondern ein wichtiger Motor für nachhaltige Entwicklung. Unser Appell an die Parteien lautet daher: Beziehen Sie die Zivilgesellschaft aktiv mit ein – sie ist bereit, Verantwortung zu übernehmen.“ Wer Bürokratie abbauen und Infrastrukturprojekte zügig umsetzen will, sollte auf bewährte Maßnahmen setzen – nicht auf Misstrauen gegenüber der Bevölkerung, so Krüger weiter.

Zu vielen anderen Fragen in der Klima-, Umwelt- und Verkehrspolitik legt sich der Koalitionsvertrag nach Ansicht des NABU nicht eindeutig fest – etwa zum Verbrenner-Aus oder zur marinen Raumplanung. Dennoch äußert sich Krüger optimistisch: „Der Koalitionsvertrag enthält gute Ansätze im Bereich Natur, Klima und Landwirtschaft. Darauf lässt sich aufbauen.“