Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) plant eine Gesetzesänderung zur Geschlechtsbestimmung im Ei für das Aussortieren unerwünschter Nachkommen der Legehennenlinie. Entsprechend einer vom BMEL in Auftrag gegebenen Studie kann das Schmerzempfinden von Hühnerembryonen bis zum 12. Bebrütungstag ausgeschlossen werden. Anstatt wie vorgesehen, die Geschlechtsbestimmung im Ei nach dem 7. Bruttag ab 2024 zu verbieten, soll das Aussortieren der unerwünschten männlichen Embryonen auch langfristig möglich sein. Darauf weist die Tierschutzorganisation PROVIEH hin und erklärt, dass die Qualzucht bei Legehennen durch dieses Vorgehen weiter zementiert werde. Flächendeckend vorherrschende Brustbeinbrüche sowie Erkrankungen der Legeorgane ausgewachsener Hennen, die ebenfalls seit langem durch Studien belegt sind, würden hingegen nicht angegangen. PROVIEH fordert den Bundeslandwirtschaftsminister auf, die Tierschutzprobleme der Legehennenzucht durch Zweinutzungstiere zu überwinden und die Qualzucht bei Nutztieren durch die Novelle des Tierschutzgesetzes konsequent zu verbieten.
“Den Tatendrang, den die aktuelle Studie zum Schmerzempfinden bei Hühnerembryonen beim Bundeslandwirtschaftsminister ausgelöst hat, vermissen wir dringlichst an anderen Stellen. Zwar zeigte sich der Minister besorgt über die schmerzhaften Brustbeinbrüche bei Legehennen, effektive Maßnahmen gegen die Qualzucht bei Geflügel fehlen aber weiterhin komplett”, sagt Mareike Petersen, Fachreferentin für Geflügel bei PROVIEH. “Anstatt an einem fehlerhaften System festzuhalten, das Tiere ausbeutet und unerwünschte Nachkommen aussortiert, braucht es endlich eine tierschutzgerechte Geflügelzucht. Die Alternative zum Kükentöten liegt nicht in der Geschlechtsbestimmung, sondern in der Nutzung von Zweinutzungshühnern.”
PROVIEH fordert den konsequenten Wechsel hin zu gesunden und robusten Zweinutzungshühnern. Hierfür müssen nach Ansicht der Tierschutzorganisation einerseits Forschungs- und praktische Pilotprojekte der Zweinutzungszucht umfassend gefördert werden. Zugleich müsse die Qualzucht bei Legehennen durch die Novellierung des Tierschutzgesetzes endlich verboten werden. Legehennen leiden während ihres kurzen Lebens von circa 18 Monaten unter Osteoporose, schmerzhaften Entzündungen der Legeorgane sowie unter Brustbeinveränderungen und -brüchen. Darüber hinaus gelten die männlichen Nachkommen der einseitigen, auf Legeleistung konzentrierten Zucht für die Wirtschaft als unrentabel, da sie keine Eier legen und auch wenig Fleisch ansetzen. Sogenannte Zweinutzungshühner bieten nach Ansicht von PROVIEH für die hochleistungsbedingten Probleme die Lösung: Durchaus legen die Hennen weniger Eier und die Tiere wachsen langsamer als die Hochleistungshühner der Mastlinien. Zweinutzungstiere gehen jedoch mit einem geringeren Potential für leistungsbedingte Erkrankungen einher. Zeitgleich zum Einsatz von Zweinutzunghühnern fordert PROVIEH, dass die Geschlechterbestimmung im Ei, bei der die männlichen Küken als unerwünschte Nachkommen schlichtweg aussortiert werden, als Übergangslösung weg von der Qualzucht bei Legehennen ein Enddatum haben muss.
BMEL: Zweinutzungshühner eine vielversprechende Möglichkeit
Auch „das BMEL sieht in Zweinutzungshühnern eine vielversprechende Möglichkeit für Brütereien und Mastbetriebe, um auf Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei zu verzichten und die Tiere je nach Geschlecht zu nutzen“, teilt das BMEL mit und verweist darauf, dass es im selben Zeitraum, in dem es die Erforschung und Entwicklung von Verfahren zur Bestimmung des Geschlechts von Hühnerembryonen im Brut-Ei mit rund 8,8 Millionen Euro unterstützt hat, auch zusätzliche Fördermittel in Höhe von insgesamt rund 14,6 Millionen Euro für Vorhaben zur Nutzung von Hähnen der Legerassen zur Fleischproduktion ("Bruderhähne") und vor allem auch die Verwendung von "Zweinutzungshühnern" zur Verfügung gestellt.
Zum Hintergrund heißt es bei PROVIEH: Bis 2022 durften die männlichen Küken der Legelinien noch kurz nach dem Schlupf getötet werden, da sie wirtschaftlich nicht rentabel waren. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig wurde diese Praxis jedoch als nicht länger mit dem Tierschutz vereinbar erklärt. Daraufhin wurde die endokrinologische Geschlechtsbestimmung im Ei für die Wirtschaft zur Alternative. Diese bestimmt zwischen dem 8. und 9. Bruttag das Geschlecht im Ei. Die männlichen Embryonen können somit aussortiert werden, bevor sie schlüpfen. Die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner erließ ein Gesetz zum Verbot des Kükentötens mit dem Zusatz, dass die endokrinologische Geschlechtsbestimmungsmethode 2024 enden solle, da nach damaligem Stand der Wissenschaft ein Schmerzempfinden des Embryos nach dem 7. Bruttag nicht mehr ausgeschlossen werden konnte. Folglich hätten in Deutschland ab 2024 die Brüder der Legehennen aufgezogen werden müssen.