Kükentöten seit dem 1.1.2022 verboten – Tierschutzprobleme bleiben

Seit dem 1.1.2022 ist das Töten von männlichen Küken in Deutschland verboten. Tierschutzorganisationen wie der Tierschutzbund und Provieh sehen jedoch weiterhin Tierschutzprobleme und setzen auf das Zweinutzungshuhn. Mit dem Verbot des Kükentötens wird laut Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), da noch unter alter Führung, unter anderem dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von Juni 2019 Rechnung getragen. Das hatte nämlich entschieden, dass das Töten männlicher Küken nur noch Übergangsweise erlaubt sei. Das Gesetz sieht laut BMEL nun folgende stufenweise Regelungen vor:
- Ab dem 1.1.2022 wird das Töten von geschlüpften Eintagsküken verboten.
- Ab dem 1.1.2024 wird zudem das Töten von Hühnerembryonen im Ei nach dem 6. Bebrütungstag untersagt. „Nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist der Hühnerembryo vor dem siebten Bebrütungstag noch nicht in der Lage, Schmerzen zu empfinden. Ab dem siebten Bebrütungstag ist dagegen die beginnende Entwicklung des Schmerzempfindens nicht auszuschließen“, so das BMEL. Darüberhinaus können die Küken als sogenannte Bruderhähne aufgezogen werden. Provieh: Keine Lösung der leistungsbedingten Probleme
Hierzu erklärt Mareike Petersen, Fachreferentin für Geflügel bei Provieh: “Weder die Bruderhahnaufzucht noch die Geschlechtsbestimmung im Ei lösen die leistungsbedingten Probleme unter denen Legehennen und Masthühner täglich leiden. Für eine zukunftsorientierte Geflügelwirtschaft muss die Bundesregierung stattdessen die Zucht robuster und gesunder Zweinutzungshühner stärker fördern und sich nicht auf Zwischenlösungen ausruhen.”

Übergangsweise sei eine tiergerechte Bruderhahnaufzucht bis zur Etablierung des Zweinutzungshuhns zwar akzeptabel, hier bedürfe es jedoch eines guten Managements: Bruderhähne sind sehr viel agiler als Masthühner. Sie brauchen mehr Platz und einen strukturierten Stall mit Beschäftigungsmaterial und Sitzstangen sowie einen Auslauf, um sich wohlzufühlen.

Für eine echte Lösung des Problems wird sich Provieh weiterhin dafür stark machen, dass Politik und Handel die nötigen Voraussetzungen schaffen, um die Zucht und Vermarktung des Zweinutzungshuhns aus der Nische herauszuholen. Zweinutzungshühner legen weniger Eier und wachsen langsamer. Dafür können beide Geschlechter verwendet werden. Die moderaten Leistungen sind nach Ansicht von Provieh ein vielversprechender Ansatz, um zuchtbedingte Gesundheitsprobleme zukünftig zu verhindern.

Tierschutzbund: Abkehr von Hochleistungszucht fördern
Ähnlich äußert sich der Tierschutzbund. „Dass das Verbot endlich in Kraft tritt und die Vergasung von 45 Millionen Küken pro Jahr illegal wird, ist lange überfällig. Das Grundproblem ist aber noch nicht vom Tisch: Der Wahnsinn der Hochleistungszucht, der Effizienzdruck auf Kosten der Tiere. Zugleich bleiben wichtige Fragen ungeklärt und das Verbot spekuliert auf unausgereifte Scheinlösungen, während dem Verbraucher auf dem Eierkarton bereits vorgegaukelt wird, das Töten sei endgültig vorbei“, kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Für die Aufzucht und Schlachtung der Bruderhähne fehlen laut Schröder nach wie vor gesetzliche Vorgaben. Damit seien Tierschutzprobleme vorprogrammiert. Zudem bestehe die Gefahr, dass Küken zur Tötung exportiert werden - auch weil es hierzulande kaum Abnehmer für Hähne gibt, die zuchtbedingt weniger Fleisch ansetzen. Als alternative Lösung werde die Geschlechtsbestimmung im Ei und ein Töten des Embryos vor dem Schlupf gehandelt. Aktuell sind aber laut Tierschutzbund nur solche Methoden marktreif, bei denen eine Bestimmung erst ab dem siebten Bruttag möglich ist – obwohl ein Schmerzempfinden der Küken im Ei dann nicht mehr ausgeschlossen ist. Laut neuem Gesetz sollen solche Methoden noch bis 2024 erlaubt sein. Den meisten Verbrauchern sei nicht bewusst, dass auch für Eier, die der Handel bereits mit der Angabe „ohne Kükentöten“ vermarktet, schmerzempfindliche Embryonen oder sogar Küken getötet wurden. Laut Tierschutzbund können weder die Aufzucht der Bruderhähne noch die frühe Geschlechtsbestimmung im Ei langfristige tierschutzgerechte Lösungen sein. „Die konventionelle Legehenne bleibt ein auf maximale Eierproduktion ausgerichtetes Tier, das an Eileiterentzündungen und Knochenschwäche leidet, während Masthühner in ihrem kurzen Leben so rasant an Masse zunehmen, dass Skelett und Herz-Kreislauf-System nicht mitkommen und die Tiere schließlich kaum mehr laufen können“, so Schröder. „Statt wie die ehemalige Ministerin Klöckner nur Fassaden aufzuhübschen, muss die neue Regierung schnellstmöglich eine politische Gesamtstrategie erarbeiten und die Förderung von gesünderen und robusteren Hühnerrassen vorantreiben.“