Özdemir: Exportverbot gesundheitsschädlicher Pestizide kommt

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bereitet ein Exportverbot für bestimmte gesundheitsschädliche Pflanzenschutzmittel vor, die in Deutschland produziert werden, aber in der EU nicht eingesetzt werden dürfen. Wie das Exportverbot für bestimmte, gefährliche Pestizide besonders umfassend umgesetzt werden kann, zeigt ein im Auftrag des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), der Heinrich-Böll-Stiftung, des INKOTA-netzwerk, des Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) und der Rosa-Luxemburg-Stiftung erstelltes und jetzt veröffentlichtes Gutachten.

Mit dem angekündigten Exportverbot leistet die Bundesregierung nach Ansicht des BMEL einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Kleinbäuerinnen und -bauern insbesondere im globalen Süden und für faire Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Landwirtschaft. Um das Ausfuhrverbot bestimmter Pflanzenschutzmittel umzusetzen, erarbeitet das BMEL derzeit nach eigenen Worten in guter Zusammenarbeit mit den beteiligenden Ressorts eine Verordnung nach dem Pflanzenschutzgesetz. Ein Referentenentwurf soll bis Ende des Jahres vorliegen. Zuvor wurden diverse andere Rechtsetzungswege untersucht.

Dazu erklärt Bundesminister Cem Özdemir: "Es geht nicht an, dass wir nach wie vor Pestizide produzieren und exportieren, die wir bei uns mit Blick auf die Gesundheit der Menschen zurecht verboten haben. Die Menschen haben überall das gleiche Recht auf Gesundheit, das muss auch für die Bäuerinnen und Bauern in anderen Ländern gelten. Dazu setzen wir das Exportverbot aus dem Koalitionsvertrag um. Im Übrigen hat dieses Verbot auch einen positiven Nebeneffekt für unsere Landwirtinnen und Landwirte. Denn wir schaffen dadurch auch ein Stück weit mehr Fairness im Wettbewerb."

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, den Export von "bestimmten Pestiziden" zu untersagen, "die in der Europäischen Union aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht zugelassen sind". Deutschland folgt damit dem Beispiel Frankreichs und der Schweiz. Die Bundesregierung wird sich im Weiteren gemeinsam mit Frankreich für einen EU-weiten Exportstopp einsetzen. Oberste Ziele sind auch hier der Schutz der menschlichen Gesundheit und das Setzen gleicher globaler Standards. Es braucht fairen auf gleichen Regeln basierender Wettbewerb. Dass Landwirtinnen und Landwirten in Deutschland bestimmte Mittel nicht verwenden dürfen, weil sie als gesundheitsschädlich eingestuft sind, aber anderswo zum Einsatz kommen, ist nicht vermittelbar.

Im Jahr 2021 wurden aus Deutschland laut BMEL insgesamt 53.020 Tonnen Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln ausgeführt. Davon waren 8.525 Tonnen nicht genehmigte Wirkstoffe. In einer ersten Analyse wurden ca. 160 der in der EU nicht genehmigten Wirkstoffe als Wirkstoffe mit potentiell gesundheitsschädlichen Eigenschaften eingestuft.

Insgesamt sind nach Ansicht des BMEL vielfältige Anstrengungen nötig, um das Risiko und die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und einen nachhaltigeren Pflanzenschutz weltweit zu fördern. Wichtig seien hier auch Initiativen auf supranationaler und internationaler Ebene und eine Vermittlung des europäischen Ansatzes auch im Dialog mit Drittstaaten. Die Europäische Kommission will sich laut BMEL aktiv für das Auslaufen der Verwendung von in der EU-nicht mehr genehmigten Wirkstoffen einsetzen. Die Bundesregierung unterstütze diesen Ansatz.

Rechtsgutachten zeigt Weg für umfassende Regulierung

In dem jetzt veröffentlichten Rechtsgutachten plädieren die Gutachterinnen Mirka Fries und Ida Westphal für eine Reform des Pflanzenschutzgesetzes, damit neben Pestizidprodukten auch der Export von reinen Pestizidwirkstoffen rechtssicher reguliert werden kann. Für die Auswahl der zu regulierenden Stoffe empfiehlt das Gutachten eine Anknüpfung an den Genehmigungsstatus auf EU-Ebene, sodass nur in der EU genehmigte Wirkstoffe oder Produkte mit diesen Wirkstoffen ausgeführt werden dürfen.

Das ECCHR, das entwicklungspolitische INKOTA-netzwerk und PAN Germany sehen bei der Umsetzung des Exportverbotes für bestimmte Pestizide das Bundeslandwirtschaftsministerium in der Pflicht. „Wir begrüßen den Vorschlag von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, bis zum nächsten Frühjahr per Verordnung ein Exportverbot für bestimmte Pestizide einzuführen. Das Ministerium muss aber gleichzeitig ein Verfahren zur Reform des Pflanzenschutzgesetzes einleiten, sodass sichergestellt wird, dass das Exportverbot sowohl den Export von Pestizidprodukten als auch den der Pestizidwirkstoffe umfasst. Das ist notwendig, um Schutzlücken von Vornherein zu verhindern“, sagt Dr. Christian Schliemann Radbruch vom ECCHR. Im Jahr 2019 wurden zum Beispiel gar keine verbrauchsfertigen Pestizidprodukte exportiert, die den Wirkstoff Chlorfenapyr enthalten. Im gleichen Jahr lag der Export von reinem Chlorfenapyr als Wirkstoff aus Deutschland aber bei mehr als 28 Tonnen. Chlorfenapyr ist in der EU im Pflanzenschutz nicht genehmigt und gilt als giftig für Bienen und sehr giftig für Wasserorganismen.

„Gerade mit Blick auf die dramatische Biodiversitätskrise und zunehmende chemische Belastung der Umwelt muss das Landwirtschaftsministerium im anstehenden Referentenentwurf unbedingt auch jene Pestizidwirkstoffe berücksichtigen, die zum Schutz der Umwelt in der EU keine Genehmigung haben. Diese müssen genauso vom Exportverbot erfasst werden wie die gesundheitsschädigenden Wirkstoffe“, sagt Susan Haffmans von PAN Germany.

Ein deutsches Exportverbot ist den Gutachterinnen zufolge nur dann besonders umfassend, wenn Exportgenehmigungen für Pestizide davon abhängig gemacht werden, dass deren Gefährlichkeit und Risiken für Mensch und Umwelt im Rahmen des EU Genehmigungs- und Zulassungsverfahrens geprüft und eine Genehmigung beziehungsweise Zulassung erteilt wurde. Dr. Silke Bollmohr vom INKOTA-netzwerk kommentiert: „Wir sind es den Menschen im globalen Süden schuldig, sie vor giftigen Pestizidexporten aus unserem Land zu bewahren. Ein Weg dorthin ist, wenn Pestizidfirmen in der EU wie Bayer und BASF nur noch Pestizide exportieren dürfen, die auch in der EU genehmigt sind.“