Die junge Generation von Landwirten und Landwirtinnen stand in diesem Jahr im Fokus der aktuellen Mitgliederversammlung des European Milk Board (EMB). Die Milcherzeuger-Delegationen aus ganz Europa diskutierten Möglichkeiten, den Sektor wieder profitabel zu machen, um auch junge Menschen für die Produktion zu gewinnen. Dabei brachten sich engagierte Junglandwirtinnen und -landwirte in die emotionale Debatte mit prägnanten Redebeiträgen und Präsentationen ein. Die Frage „Was ist uns als jungen Landwirten wichtig?“ stand im Mittelpunkt des konstruktiven und lebendigen Austausches, in dem die jungen Teilnehmer ihre Standpunkte und Prioritäten deutlich machten. Mit Pierre Bascou, dem stellvertretenden Generaldirektor der GD Landwirtschaft und ländlichen Entwicklung, war zudem ein Kommissionsvertreter der Einladung des EMB gefolgt, der die aktuelle Jungbauern-Strategie der EU sowie auch Maßnahmen zur Verbesserung der Erzeugerposition auf der Mitgliederversammlung erläuterte.
„Eine frische Politik für junge Menschen für einen vitalen Sektor“, brachte der EMB-Vorsitzende, Kjartan Poulsen, die Forderungen der Erzeuger an die politisch Verantwortlichen auf den Punkt. Er betonte die Bedeutung des Berufsstandes und die Notwendigkeit, ökonomische und soziale Perspektiven zu schaffen, um die junge Generation zum Einstieg zu motivieren sowie auch Landwirte allen Alters in der Produktion zu halten. Aktuell falle der Sektor nicht durch Vitalität, sondern durch stetige und sehr berechtigte Proteste der sozial diskriminierten Bäuerinnen und Bauern auf. „Wir üben einen der wichtigsten und tatsächlich auch schönsten Berufe aus“, so der Vizevorsitzende des EMB, Elmar Hannen. „Aber es wiegt so schwer, dass es ökonomisch und sozial hier absolut keine Perspektive gibt, so dass die junge Generation den Einstieg nicht wagt.“ Es schmerze nicht nur die Landwirte selbst, sondern es schade auch unserer ganzen Gesellschaft sehr stark, wenn die Grundlagen für eine stabile und profitable Nahrungsmittelproduktion in Europa immer mehr schwinden.
Junge Stimmen aus der Landwirtschaft
Die Forderung nach stabilen Sektorbedingungen spiegelte sich auch in den Redebeiträgen einiger junger Landwirte wider, die aus Ländern wie Lettland, Frankreich, Deutschland, Irland, Dänemark und Belgien angereist waren. Wie beispielsweise junge Vertreter aus Irland betonten, möchte die junge Generation nicht arbeiten, um von Subventionen zu leben und damit eine Art Sozialhilfeempfänger zu sein. Aus Lettland wurde deutlich gemacht, dass junge Bäuerinnen und Bauern für sich keinen Platz in der Landwirtschaft sehen und Lösungen brauchen. Ein junger Landwirt aus dem Dreiländereck Belgien-Luxemburg-Deutschland beobachtet seit Jahren, dass um ihn herum viele Familienbetriebe auf den Dörfern verlorengehen. Junge Bäuerinnen und Bauern hätten viele Fragen, da sie absolut nicht wüssten, wie die Zukunft für ihre Kinder aussehen soll. Wie ein junger Landwirt aus Frankreich berichtete, könne man es sich nicht leisten, weitere Produzenten zu verlieren. Optimistisch sieht er in diesem Zusammenhang die Lösung, die die Faire Milch bieten kann, da bei diesem Projekt faire Margen verteilt werden. Eine belgische Bäuerin verwies auf die Problematik der aktuellen Kriterien, die von Verbrauchern gefordert werden, deren Kosten aber nicht den Bauern bezahlt werden. Dänische Jungbauern sehen in dem angemessenen Preis einen wichtigen Aspekt, zu dem aber unbedingt auch ein klares Regelwerk gehöre, um für die nächsten 10 Jahre Planungssicherheit zu haben. Auch zu der Bedeutung der Organisationen der Milcherzeuger im Land und auf europäischer Ebene äußerte sich die junge Generation. Wie ein junger Vertreter des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) betonte, habe er sich für ein Engagement im BDM und im EMB entschieden, da dies die einzigen Organisationen seien, die ein Konzept haben, das seine Lebensqualität erhöhen würde.
Pierre Bascou, Stellvertretender Generaldirektor der GD Landwirtschaft und ländlichen Entwicklung, der als Vertreter der EU-Kommission vom EMB geladen war, informierte zur finanziellen Unterstützungen von jungen Landwirten. Zur Verbesserung der Position der Erzeuger in der Wertschöpfungskette führte er zudem Kommissionspläne bezüglich der Vertragsgestaltung und der UTP-Direktive auf. Die Teilnehmer der Versammlung sahen es zunächst als positiv an, dass man sich in der EU-Kommission nun stärker mit dem Einkommen der Erzeuger und auch der Position in der Kette beschäftigt. Sie warnten jedoch auch, dass wirklich effektive Resultate sehr bald auf dem Tisch liegen müssten. Das EMB wird genau darauf achten, dass den Worten auch Taten folgen. Denn die EU vertrage keine weiteren Verluste an Landwirten.
Reformen für einen vitalen Sektor
Es gibt Möglichkeiten, die Vitalität des Sektors wieder ins Lot zu bringen. Zum einen über die Reform des europäischen Agrarmarktes, die unter anderem folgende Punkte beinhalten müsste:
- passende Kriseninstrumente wie das Marktverantwortungsprogramm,
- eine EU-Rechtsvorschrift, die zu Preisen oberhalb von Kosten verpflichtet,
- passende EU-Vertragsbedingungen, die beispielsweise kostendeckende Preise garantieren und auch für Genossenschaften gelten müssen,
- Spiegelklauseln, so dass importierte Produkte die EU-Standards einhalten,
- eine Ausnahme von Landwirtschaft aus Freihandelsabkommen,
- eine Stärkung von Erzeugerorganisationen, so dass sie tatsächlich effektiv für LandwirtInnen verhandeln können.
Eine weitere Möglichkeit den Sektor zu vitalisieren, haben die Landwirte bereits seit einigen Jahren selbst auf den Weg gebracht. Das Projekt der Fairen Milch zeigt nach Abnsicht des EMB in einigen europäischen Ländern an, in welche Richtung es sektorweit eigentlich gehen muss: Faire Preise & faire Einkommen für die Landwirte! Wie Boris Gondouin, französisches EMB-Vorstandsmitglied, ausführt, seien die Faire Milch-Erzeuger tatsächlich Pioniere, die mit großer Energie, viel Arbeit und einem unerschütterlichen Optimismus dieses Vorzeigeprojekt gestartet haben und jeden Tag aufs Neue mit Leben füllten. „Wir sind stolz auf diese Projekte“, so Gondouin. Die Faire Milch brauche jedoch mehr öffentliche Unterstützung und Anerkennung.
Bei der EMB-Mitgliederversammlung war man sich einig, dass es ohne faire Marktregelungen keine wirklichen Perspektiven geben kann. Für die zukünftige Arbeit des EMB bedeutet das, konstruktive Konzepte und Lösungen weiter nach vorn zu bringen und die politischen Entscheidungsträger wie EU-Kommission, EU-Parlament und -Rat für deren Umsetzung in die Verantwortung zu nehmen.