Es bleibt ein Eiertanz
Deutschland und Frankreich wollen sich gemeinsam auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass das massenhafte Töten männlicher Küken in Brütereien beendet wird. Das bestätigten Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und ihr Amtskollege Didier Guillaume Mitte Januar auf einer Tagung in Berlin. Klöckner will dafür auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, die Mitte 2020 beginnt. Man werde „Zwischenetappen festlegen und auch kontrollieren“, kündigte Klöckner an. Deutschland und Frankreich müssten „der Motor sein und entschlossen vorangehen“, bekräftigte Guillaume.
In Deutschland werden derzeit pro Jahr rund 45 Millionen männliche Küken getötet. Laut Klöckner sind es in Frankreich 50 Millionen und europaweit 500 Millionen. Das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel, bereits dieses Jahr, zur Mitte der Legislaturperiode, auszusteigen, ist damit öffentlich vertagt worden. Vergangenes Jahr hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, dass das Kükentöten in der Legehennenzucht nur noch erlaubt ist, bis praxisreife Alternativen gefunden wurden.
Respeggt-Eier
Eine europaweite Regelung wäre sinnvoll. Die EU-Staaten sind in der Branche eng verflochten: So sind deutsche Küken im Ausland sehr gefragt, 2018 wurden laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung so viele Jungtiere exportiert wie noch nie. Gleichzeitig importiert Deutschland Millionen Schaleneier für Verkauf und Industrie, vor allem aus den Niederlanden und Polen.
Das Vorhaben, die Alternativen bis zum nun geplanten Ausstieg praxisreif zu bekommen, ist anspruchsvoll. Derzeit ist bei der Geschlechtsbestimmung im Ei das endokrinologische Verfahren am weitesten: Das Geschlecht der Küken wird zwischen dem achten und zehnten Tag festgestellt, männliche Bruteier danach zu Bruteipulver verarbeitet. Die Rewe Group, die über ein Joint Venture mit der Seleggt GmbH in dem Verfahren führend ist, bietet die entsprechenden „Respeggt-Eier“ seit September 2019 in 1.350 Rewe-Läden an, bis Februar sollen sie flächendeckend in allen 5.500 Läden von Rewe und Penny zu finden sein. Seleggt hat zudem bereits Nachfragen aus mehreren westlichen Nachbarländern, sagte Seleggt-Geschäftsführer Ludger Breloh. „Der französische Supermarktkonzern Carrefour bietet in Paris bereits erste Respeggt-Eier an, und wir haben Nachfrage von niederländischen Jumbo-Supermärkten.“ Seleggt will das Verfahren dieses Jahr erstmals auch anderen Brütereien anbieten.
Mehrere ökologische Verbände, darunter der Bundesverband Naturkost und Naturwaren (BNN), Bioland und Demeter lehnen die In-Ovo-Geschlechtsbestimmung ohnehin grundsätzlich als Alternative für das Kükentöten ab. Sie favorisieren eine Umstellung zum Zweinutzungshuhn – mit dem Bruderhahn als Übergangslösung.
Übergang Bruderhahn
Sowohl Rewe als auch Norma investieren derzeit in den Bruderhahn: Rewe hat mittlerweile nach eigenen Angaben rund eine Million Bruderhähne aufgezogen. Die Bruderhahninitiative Deutschland mit ihren 35 Mitgliedsbetrieben hat nach eigenen Angaben 2019 rund 41.000 Bruderhähne aufgezogen. Seleggt-Geschäftsführer Breloh sieht es als zwingend notwendig an, parallel zum In-Ovo-Verfahren die Bruderhahnaufzucht auszuweiten, um das Ziel, den Ausstieg bis 2021, zu schaffen. „Dafür müssen wir aber auch die Ställe finden“, sagte er.
Das Problem beim Bruderhahn: Er ist wirtschaftlich nicht rentabel. „Der Bruderhahn ist Teil des Wandels, braucht aber im Gegensatz zum Zweinutzungshuhn die Quersubvention seines Futters über höhere Eipreise. Er wächst langsam und bleibt dünn“ , sagt Inga Günther von der Ökotierzucht GmbH. Von den echten Zweinutzungshühnern gebe es derzeit zwischen 80.000 und 100.000, eine „beachtliche Steigerung“ seit dem Start 2015. Die meisten dieser Tiere würden auf Biohöfen gehalten.
Von einer flächendeckenden Lösung ist man damit trotz dieser Steigerung noch weit entfernt. Um flächendeckend das Zweinutzungshuhn einzuführen, brauche es „einen umfassenden Systemwechsel, mit einer passenden Vermarktung“, sagt Günther. „Zentral sind Verbraucherinnen und Verbraucher, die bereit sind, für das Tierwohl deutlich höhere und faire Preise zu zahlen, auch im Biohandel – sowohl für die Eier, als auch für Fleisch. Ein Ei würde dann ca. 60 Cent kosten und ein ganzer Hahn mindestens 25 Euro.“
Zusätzliches Problem: Solange es keinen Ausstieg gibt, kann der Verbraucher nur an einer entsprechenden Kennzeichnung oder am Namen sehen, ob das Ei aus einer Lieferkette ohne Kükentöten kommt, und damit politisch entscheiden. Diese Kennzeichnung gibt es bisher nur bei Schaleneiern, aber kaum bei Produkten wie Kindernahrung, Teigwaren oder beim Kantinenessen. Da hinein gehen jedoch 47 Prozent aller Eier in Deutschland. Eine Kennzeichnung gibt es hier verpflichtend nicht einmal zur Käfighaltung – nur einige Unternehmen informieren freiwillig auf den Packungen.
Immerhin zieht der Verband der Geflügelzüchter (ZDG) beim Ausstieg jetzt mit. Dessen Präsident Friedrich-Otto Ripke erklärte nach der Tagung in Berlin, dass der Ausstieg bis 2021/22 „unter größter Kraftanstrengung“ machbar sei. Das Töten der männlichen Eintagsküken sei „ethisch nicht zu rechtfertigen“. Der ZDG drängt allerdings auf eine europaweit verbindliche Regelung. Ein rein nationales Gesetz würde das Problem ins Ausland verlagern.