Kostendeckung ist das A & O für eine nachhaltige Landwirtschaft

Wie sollen die Landschaften, in denen wir leben, wirtschaften und uns erholen, in Zukunft aussehen? Wie wollen wir als Gesellschaft mit unserer Umwelt umgehen? Diese Fragen stellt der europäische Milcherzeugerverband European Milk Board (EMB) anlässlich der Grünen Woche und gibt auch gleich die Antwort. „Wir als EU-Bürger möchten gesunde Naturräume mit einer Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten. Hecken, Feldraine und Einzelbäume an und auf Feldern und Weiden bieten Nutz- und Wildtieren Rückzugsorte und Nahrung. Sie verbessern das (Mikro-)Klima und laden zur Erholung ein. Durch angemessene Düngung und Humusaufbau erhalten wir gesunde Böden, die fruchtbar und gleichzeitig widerstandsfähig gegen Extremwetter sind. Hochwertige Lebensmittel werden darauf schonend mit lokal verfügbaren Ressourcen im Rahmen einer machbaren Kreislaufwirtschaft erzeugt. Die anschließende Vermarktung erfolgt fair und regional.“ Dabei ist dem EMB klar, „dass diese Nachhaltigkeitsvision vielerorts nicht exakt die aktuelle Lage beschreibt“. Um eine realisierbare Nachhaltigkeit zu erreichen, sind nach Ansicht des EMB Bemühungen und Investitionen in allen Wirtschaftssektoren notwendig. Auch in der Landwirtschaft verursachen diese ambitionierten Ziele Kosten. Kosten, „die wir als Gesellschaft tragen müssen, um tatsächlich mehr Nachhaltigkeit schaffen zu können. Sind wir als Gesellschaft bereit, diese Kosten ehrlich zu beziffern und gemeinsam zu tragen?“ Schon aktuell werden Produktionskosten von Lebensmitteln auf die LandwirtInnen abgewälzt. Die Lage auf den Höfen ist angespannt. „Aktuelle Studien zeigen, dass, sowohl bei konventioneller als auch Biomilch, über ein Viertel der Produktionskosten durch die Preise nicht gedeckt sind“, benennt Sieta van Keimpema, niederländische EMB-Vorsitzende die zentrale Herausforderung. Klar in Zahlen ausgedrückt, bedeutete das für die konventionelle Milcherzeugung 2018 umgerechnet einen durchschnittlichen Stundenlohn von 4,02 Euro für den Betriebsleiter und seine mitarbeitenden Familienmitglieder. Im Jahr 2019 waren die Preise so niedrig, dass die Bauern gar kein Einkommen aus der Milcherzeugung erzielen konnten. Der EMB-Vorstandsvertreter und Milcherzeuger aus Nordrhein-Westfalen Elmar Hannen präzisiert: „Nicht nur niedrige Preise drücken unsere Einkommen, sondern auch davongaloppierende Kosten durch steigende Auflagen oder den Klimawandel selbst.“ Daraus ergibt sich für van Keimpema folgende Grundvoraussetzung: „Der erste Schritt zu mehr Nachhaltigkeit ist die umfassende Deckung der Produktionskosten der ErzeugerInnen“. Wie kann Kostendeckung erreicht werden, um ambitionierte Ziele angehen zu können?
Um kostendeckende Erzeugerpreise zu ermöglichen, besteht laut EMB derzeit die Möglichkeit, im Kontext der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) einen faireren Rahmen abzustecken. Das EU-Parlament hat hierzu bereits einen guten Vorstoß geleistet. Für die laufenden Trilogverhandlungen zwischen EU-Rat, -Kommission und -Parlament fordert Hannen daher als ersten Schritt, insbesondere vonseiten der Mitgliedsstaaten: „Schließen Sie sich der zukunftsweisenden Position des Europäischen Parlaments zur Gemeinsamen Marktorganisation an. Ermöglichen Sie die Aufnahme effektiver Kriseninstrumente wie des freiwilligen Lieferverzichts in die neue GAP“. Das hier angedachte temporäre Rückfahren der Milchmenge in Krisenzeiten hilft, sehr schwere Krisen und schädliche Überproduktion zu vermeiden. Zuletzt wiesen z.B. auch TierschützerInnen darauf hin, dass zunächst bestehende grundsätzliche Mängel in Form von schlechten Preisen angegangen werden müssen, bevor LandwirtInnen weitere Nachhaltigkeitsschritte gehen können. Denn derzeit wird weder die Arbeit der ErzeugerInnen noch deren bereits geleisteter Einsatz für Umwelt, Tierwohl und Klima ausreichend finanziell abgeglichen. Wie kann die Nachhaltigkeit des Green Deal gelingen?
Um sich der angestrebten Nachhaltigkeitsvision anzunähern, sind nach Ansicht des EMB von allen Sektoren weitaus ambitioniertere Schritte als bisher notwendig. Leitlinien hierzu finden sich bereits in politischen Konzepten, die die Ambitionen höherstecken, wie beispielsweise der Europäische Green Deal und seine Vom-Hof-auf-den-Tisch-Strategie (farm-to-fork). Diese Konzepte müssten allerdings darlegen, wie die notwendigen Investitionen finanziert werden können und zudem zuvor genau analysieren, welche Effekte sie wirklich auf die EU und global haben werden. Zudem müssen bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsstrategien diejenigen eingebunden werden, die letztlich die Arbeit machen. „Wenn die Kosten für zusätzliche Anforderungen gedeckt sind, sind wir natürlich bereit, noch mehr in puncto Nachhaltigkeit zu leisten. Dies ist uns bereits von Berufs wegen ein Anliegen“, so der stellvertretende EMB-Vorsitzende Kjartan Poulsen aus Dänemark. Dabei sei zu empfehlen, auf positive finanzielle Anreize zu setzen, um Nachhaltig erfolgreich nach vorn bringen. Er führt weiter aus: „Wir Bäuerinnen und Bauern, die auf unseren Betrieben in der Mitte des Geschehens stehen, sehen tagtäglich, dass es für faire Preise auch einer tatsächlichen Stärkung der Marktposition der LandwirtInnen bedarf.“ Außerdem fordert Poulsen auf geostrategischer Ebene ein wirksames Bekenntnis zu regionaler und qualitativ hochwertiger Produktion ohne Einfallstore in Freihandelsabkommen. Dazu gehören auch Instrumente wie das Marktverantwortungsprogramm, das auf unvorhersehbare geostrategische Ereignisse effektiv reagieren und so Nachhaltigkeitsschäden vermeiden kann. Unter diesen Voraussetzungen wird es nach Ansicht des EMB LandwirtInnen möglich sein, dazu beizutragen, eine erstrebenswerte machbare Nachhaltigkeitsvision zu erreichen. Außerdem ermöglicht dies auch die gesicherte Hofübernahme durch Folgegenerationen – eine Voraussetzung dafür, dass diese Nachhaltigkeit für Umwelt und Klima langfristig existieren kann. Das Projekt Die faire Milch
Als Beispiel für eine nachhaltigere Milchproduktion nennt das EMB das Projekt Die faire Milch und schreibt dazu: Engagierte LandwirtInnen und KonsumentInnen setzen sich bereits heute gemeinsam und aus eigener Kraft für eine nachhaltigere Milchproduktion ein, wie das Projekt Die faire Milch zeigt. Sie wird von den MilcherzeugerInnen in mehreren europäischen Ländern selbst auf den Markt gebracht und belegt, dass kostendeckende Preise auch bei höheren Standards möglich sind. Damit sie aber nicht nur in einer Nische existieren, sondern auch auf dem allgemeinen Milchmarkt Fuß fassen können, bedarf es – wie oben beschrieben – des richtigen gesamtgesellschaftlichen und politischen Rahmens.
25.01.2021
Von: FebL/PM

Kostendeckung ist das A & O für eine nachhaltige Landwirtschaft. Bildquelle: EMB