„Wir sind eure Direktvermarktung“, so endet fast jede Begrüßungsrede unseres Vorstandes der Biofleisch NRW in den jährlich stattfinden Mitgliederversammlungen. Kluge Worte des ehrenamtlich stark engagierten Bio-Bauern Hubertus Hartmann aus dem Kreis Höxter. Seit fast 25 Jahren gibt es uns, die nun mehr aus 128 Mitgliedsbetrieben bestehende Genossenschaft Biofleisch NRW. Seit weit mehr als 25 Jahren gibt es die Neuland GmbH, ebenfalls ansässig am Zerlege- und Verarbeitungsbetrieb in Bergkamen. Und mit diesen beiden Firmen als Beispiel sind wir mittendrin im Thema der Differenzierung der Märkte.
Was hat sich alles getan in den letzten Jahrzehnten? Tierschutz gerechtere Haltungsverfahren, teils garniert mit den Anbaubedingungen des ökologischen Landbaus, mussten sich ihre Nische erkämpfen und taten dies überwiegend in bäuerlichen und handwerklichen Strukturen. Dies war je nach Region und Geschick der Handelnden von mehr oder weniger Erfolg gekrönt. Aber dieses Handeln fand einen zunehmend lauter werden Resonanzboden. Die ersten Handelsketten versuchten schon Anfang der 2000er Jahre mit Eigenmarken wie biobio sich dieser Nischen zu bedienen.
Diese Entwicklungen veränderten aber auch den konventionellen Markt, wie die Gründung der Initiative Tierwohl in 2015 zeigt, wenn auch nur mit minimalen Fortschritten für eine tiergerechtere Haltung. Hier sollte dann die 2019 ins Leben gerufene vierstufige Haltungsform der großen Player des Lebensmitteleinzelhandel mehr Transparenz ins Tierwohl bringen und sicherlich auch mehr Geld in die Kassen, mit mehr Tierwohl lässt sich doch gut Werben!
Die politische Schleife um all die Bemühungen sollte dann die fünfstufige Tierhaltungskenn-zeichnung der nun mehr der Vergangenheit angehörenden Ampel bringen. Ob die Kennzeichnung eine Zukunft haben wird, werden die nächsten Monate zeigen.
Was bedeuten diese Entwicklungen der letzten Jahrzehnte? Strukturen wurden und werden zu wenig mitgedacht. Bäuerliche, Verarbeitungs- wie auch Vermarktungsstrukturen haben in der inhaltlichen Entwicklung bei weiten keinen so großen Platz eingenommen wie die Themen Tierwohl oder Bio. Auch in den Nischen hat sich eine Konventionalisierung der Strukturen mit einer Geschwindigkeit Bahn gebrochen, wie man es vor fünf Jahren noch nicht vermuten konnte. Verloren gegangen bzw. unter starken Druck geraten ist hier eine Menge an unterschiedlichen, diversen Strukturen. Der Preisdruck ist ebenso größer geworden, wie der auf Individualität in Handelsbeziehungen. Nachdem es in den Anfangsjahren neuer Vermarktungswege auch oft der bewusste Ausstieg aus ellebogenharten Auseinandersetzungen einer wenig auf die Belange der Bäuerinnen und Bauern guckenden Konzernmaschinerie war, ist man inzwischen längst auch mit den „Nischen“ wieder dort gelandet. Zwar ist der Handel inzwischen Treiber für Tierwohl, das beinhaltet aber nicht unbedingt bessere Zukunftsperspektiven für die Bäuerinnen und Bauern, denn am Ende lässt sich der Handel seine Margen nicht nehmen und die Produzenten und Verarbeiter müssen sich den effizienten Strukturen anpassen.
Politisch wird man die nächsten Jahre nicht viel erwarten können. Trotzdem darf man hier niemanden aus der Verantwortung nehmen. Für den Bereich der Tierhaltung war es nun mal ein CDU Politiker namens Jochen Borchert, der es vor einigen Jahren schaffte Konsens im Sinne einer tiergerechteren Landwirtschaft zwischen unterschiedlichsten Verbänden herzustellen. Für diesen Bereich gilt es die Tierhaltungskennzeichnung von ihren Schwächen zu befreien und weiter auszubauen.
Für den wichtigen Bereich der Vermarktung gilt es wie vor Jahrzehnten: Alles muss man selber machen, geschenkt wird einem nichts. Das „Wir sind eure Direktvermarkter“ müssen wir auf eine neue Ebene bringen, wenn wir in bäuerlichen und handwerklichen Strukturen eine sinnstiftende Zukunft finden möchten.