Als „historisch“ haben die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und der Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) den jüngst vereinbarten Tarifabschluss bezeichnet. Der Durchbruch ist da, meldet die IG BAU, im Osten der Republik werden in der Landwirtschaft künftig die gleichen Löhne und Gehälter bezahlt wie im Westen. Und dies sogar rückwirkend ab 1. Oktober 2022. Ein Facharbeiter, eine Facharbeiterin erhält danach 14,50 Euro die Stunde, der Meister, die Meisterin 16,50 Euro. "Das wurde jetzt aber auch langsam Zeit, 33 Jahre nach der Wiedervereinigung haben wir endlich gleiches Einkommen in Ost und West für die Beschäftigten in der Landwirtschaft. Was zuvor schon immer gleich war, ist die Arbeit, hüben wie drüben. Deshalb ist der Abschluss überfällig", sagt Harald Schaum, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG BAU und zuständig für die "grünen Berufe". Und Lutz Eimecke, Vorsitzender des sächsischen Arbeitgeberverbands und Sprecher der ostdeutschen Arbeitgeberverbände erklärt anlässlich der Einigung: „Wir haben heute etwas Historisches erreicht. Nach über 30 Jahren haben wir es geschafft, die Interessen der ostdeutschen Arbeitgeber durch ein gemeinsames Auftreten zu stärken und unsere ohnehin bereits enge Zusammenarbeit auch auf tariflicher Ebene gegenüber der IG BAU zu unterstreichen.“
Für die einzelnen Ost-Bundesländer bedeutet der Abschluss laut IG BAU großenteils heftige Lohn-Sprünge nach oben. So wurde das Einkommen in Sachsen-Anhalt um 27,7 Prozent erhöht, in Thüringen um 22,7, in Brandenburg und Berlin um 21,4, in Sachsen um 21,2 und in Mecklenburg-Vorpommern um 9 Prozent. Zusätzlich wird den Beschäftigten eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 350 Euro auf ihr Konto überwiesen. Auszubildende bekommen im dritten Lehrjahr jetzt 1000 Euro, damit wurden die Ausbildungsvergütungen im Osten im Schnitt um 25 Prozent angehoben. "Auch diese enormen Einkommenssteigerungen können sich sehen lassen, belasten doch die hohe Inflation und die stark gestiegenen Energiekosten die Haushalte der Familien über Gebühr. Damit können wir sie nicht alleine lassen", sagt Schaum.
Die in der Regel zweistelligen Lohn- und Gehaltserhöhungen werden die Beschäftigten nach Ansicht der Arbeitgeberverbände durchaus erfreuen, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowohl konventioneller als auch ökologisch wirtschaftender Betriebe aber vor extrem hohe Herausforderungen stellen, insbesondere die schon ohnehin „gebeutelten“ tierhaltenden Betriebe.
Darüber hinaus sind sich alle Vorsitzenden der ostdeutschen Arbeitgeberverbände einig, dass sich weiterhin massive politische Eingriffe, wie es nach Ansicht der Arbeitgeberverbände beispielsweise der politisch festgelegte Mindestlohn bereits darstellt, in die Tarifautonomie durch den Gesetzgeber abzeichnen, die so nicht akzeptiert werden dürfen und können. Diese gefährliche Entwicklung werde den Trend zur weiteren Mechanisierung auf dem Acker und zum anhaltenden Abbau der arbeitsintensiven Tierhaltung beschleunigen und die Saisonarbeit im Obst- und Gemüsebau deutlich erschweren.
Die neuen Ausbildungsvergütungen setzen nach Ansicht der Arbeitgeberverbände deutliche und klare Signale der Attraktivität der grünen Ausbildungsberufe für junge Menschen, um dem zukünftig drohenden enormen Fachkräftemangel in der Branche entgegenzuwirken. Erstmalig wurde auch hier der starke Unterschied zu anderen Ausbildungsberufen gemeinsam angepasst.
Im Osten Deutschlands sind rund 74 500 Frauen und Männer in der Landwirtschaft beschäftigt, in Gesamtdeutschland etwa eine Viertelmillion. Der neue Tarifvertrag läuft am 31. Dezember dieses Jahres aus.